Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey.
Brüssel – Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey steht nächste Woche kein einfacher Besuch in Brüssel bevor. Denn die EU hat Erklärungsbedarf. Am intensivsten dürfte sie mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über die Entwicklung der Beziehungen Schweiz-EU sprechen.
Während in der Schweiz das Etikett «Bilaterale III» die Runde macht, fragen sich mit den Dossiers vertraute Personen in Brüssel, was denn alles in so ein Paket reinkommen soll. Nebst Barroso trifft Calmy-Rey auch den ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und den EU-Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek.
Staunen in Brüssel
Es obliegt nun der Aussenministerin ihren Gesprächspartnern am Dienstag zu erklären, welche Themen die Schweiz in einem solchen Paket sähe. In EU-Kreisen ist man sich bewusst, dass es um «heikle Themen» geht. Zudem erstaunt der Ansatz eines neuen bilateralen Pakets. Denn schliesslich hatte der Ministerrat erst im Dezember Schlussfolgerungen zur Schweiz verabschiedet. Darin hielten die Aussenminister der 27 EU-Staaten fest, dass der bilaterale Weg «seine Grenzen erreicht hat». Deshalb möchte die EU von den meist statischen bilateralen Abkommen wegkommen und eine «dynamische Anpassung der Abkommen an das künftige EU-Recht» erreichen. Weiter strebt sie die homogene Anwendung der Abkommen sowie einen unabhängigen Kontroll- und Gerichtsbarkeitsmechanismus an.
EU fordert Bewegung in institutionellen Fragen
Der Bundesrat zeigt sich seinerseits bereit, im Rahmen «möglicher weiterer Verhandlungen mit der EU» nach «möglichen Lösungen der anstehenden institutionellen Fragen» zu suchen. Allerdings bleibt auf Schweizer Seite offen, ob institutionelle Regelungen ein Teil der «Bilateralen III» sein könnten. Anders bei der EU: Käme es effektiv zu «einem umfassenden Paket», wäre dieses nur vorstellbar, wenn sich die Schweiz in institutionellen Fragen bewegt. Die EU würde ihr dafür einen besseren Zugang zum Binnenmarkt bieten, heisst es in Brüssel. Auf Skepsis stösst in Brüssel die Möglichkeit, zuerst bilaterale Abkommen auszuhandeln und dann zuletzt eine Lösung für die institutionellen Fragen zu finden. «Wir kommen nicht um die institutionellen Fragen herum, sie stehen im Zentrum der Diskussion», erklärt ein Dossierkenner.
Mehrere Verhandlungsdossiers blockiert
Wegen dieser Fragen sind verschiedene Verhandlungsdossiers blockiert. Für ein Abkommen zur Chemikalienverordnung REACH konnten die Verhandlungen noch gar nicht beginnen, weil die EU-Kommission noch immer kein Verhandlungsmandat vorgelegt hat. Das Thema habe keine Priorität, heisst in Kommissionskreisen. Trotz der teils stockenden Verhandlungen möchte die EU ihre Beziehungen zur Schweiz durchaus verstärken. Die Schweiz könne allerdings nicht unbeschränkt am EU-Binnenmarkt teilnehmen, gleichzeitg die Regeln aber selbst interpretieren. Ein Drittstaat dürfe nicht anders oder gar besser behandelt werden, als die 27 EU-Länder, heisst es in Brüssel. Barroso und Calmy-Rey sollen sich am Dienstag zumindest auf den «weiteren Fahrplan» für eine effizientere Zusammenarbeit» einigen. Daneben werden der Kommissionspräsident, Van Rompuy und auch Buzek darauf bedacht sein, keine allzu scharfen Worte zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU zu finden. Denn, dass in der Schweiz dieses Jahr gewählt wird, ist auch in Brüssel bekannt. (awp/mc/ps)