Zürich – Chinesische Käufer kommen bei Firmenübernahmen in Europa immer seltener zum Zug: Die Zahl der Transaktionen sank im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr von 139 auf 119. Im Jahr 2016 – auf dem Höhepunkt des Booms chinesischer M&A-Transaktionen in Europa – waren noch 309 Zukäufe chinesischer Unternehmen registriert worden. Auch das Transaktionsvolumen sank erneut: Der Wert der Beteiligungen und Übernahmen ging von 4,3 auf 2,0 Milliarden US-Dollar zurück – bei der Mehrzahl der Übernahmen liegen allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen vor. Im Spitzenjahr 2016 erreichten chinesische Investitionen in Europa ein Transaktionsvolumen von über 85 Milliarden US-Dollar. Das sind die Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die Investitionen chinesischer Unternehmen in der Schweiz und Europa untersucht.
«Dieser Rückgang hängt im Wesentlichen mit dem aktuellen Wirtschaftsgang in China selber zusammen – man denke da beispielsweise an die Immobilienkrise. Chinesische Firmen sind daher wohl selber weniger auf Expansionskurs, insbesondere auch weniger im Ausland», sagt Michael Messerli, Leiter Strategy & Transactions bei EY in der Schweiz. Zudem gibt es laut Hubert Stadler, Leiter des China Desk von EY in der Schweiz, auch andere Wege, die chinesische Unternehmen in Europa gehen: «Wir sehen zwar weniger Übernahmen, aber dafür deutlich mehr Greenfield Setups, das bedeutet in diesem Fall, dass chinesische Unternehmen selbst Tochtergesellschaften in Europa gründen, um das eigene Geschäft auszuweiten.»
Schweiz bleibt als Standort attraktiv
Die Schweiz ist nach wie vor ein wichtiger Standort für chinesische Investitionen. Im Jahr 2023 wurden sechs Unternehmenszukäufe oder -beteiligungen chinesischer Unternehmen in der Schweiz erfasst. Das sind 3 Investitionen mehr als noch im Vorjahr. Damit liegt die Schweiz auf Platz 6 der beliebtesten europäischen Standorte für Investoren aus China. Das beliebteste Land für chinesische Investitionen war im letzten Jahr Deutschland (28 Investitionen, Vorjahr: 26), welches Grossbritannien auf den zweiten Platz verweist (17 Investitionen; 2022: 27). Darauf folgen Italien (15 Investitionen, 2022: 6), die Niederlande (10 Investitionen, 2022: 8) und Frankreich (9 Investitionen, 2022: 17).
Beim in die jeweiligen Länder investierten Volumen liegt die Schweiz mit 196 Millionen US-Dollar gar auf Platz 3 im europäischen Vergleich. Im Vorjahr erreichten die Transaktionen in der Schweiz ein Volumen von 96 Millionen US-Dollar, allerdings liegen nicht für alle Geschäfte die Kaufpreise vor. Besser schneiden 2023 nur die Niederlande auf Platz 1 (1169 Millionen US-Dollar) und Deutschland auf Platz 2 (202 Millionen US-Dollar) ab. Auf den Plätzen hinter der Schweiz liegen Grossbritannien (147 Millionen US-Dollar), Italien (95 Millionen US-Dollar), Frankreich (69 Millionen US-Dollar) und Portugal (59 Millionen US-Dollar).
Das relativ hohe Transaktionsvolumen der chinesischen Investitionen in der Schweiz lässt sich vor allem mit zwei grossen Geschäften erklären, die zu den fünf grössten Investitionen/Übernahmen im Jahr 2023 gehören: So investierte das chinesische Internet-Unternehmen Tencent Holding Ltd 100 Millionen US-Dollar in die Global Blue Group Holding, ein Dienstleister im Bereich steuerfreies Einkaufen und die Focuslight Technologies Inc, ein weltweit führender Anbieter von Hochleistungsdiodenlasern und -materialien, akquirierte die SUSS MicroOptics SA für 80 Millionen US-Dollar. «Chinesische Unternehmen investieren noch immer sehr oft in der Schweiz. Aufgrund der zentralen Lage und der Sprachkompetenzen bietet die Schweiz für Investoren ein einfaches logistisches und kommunikationstechnisches Abdecken des Kontinents. Hinzu kommen ein niedriger Steuersatz und vor allem Talents und die Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen im Bereich Forschung und Entwicklung», sagt Stadler.
Chinesische Unternehmen kaufen weniger Industrie-, aber mehr Hightechunternehmen
Im vergangenen Jahr gab es europaweit erneut mehr Unternehmensübernahmen und -beteiligungen im Hightech-Segment – wozu in erster Linie Software- und Halbleiter-Unternehmen zählen – als in klassischen Industriebranchen: Die Zahl der Übernahmen von Hightechunternehmen sank allerdings von 32 auf 26, gleichzeitig ging die Zahl der übernommenen Industrieunternehmen von 25 auf 24 zurück. Sowohl im Industriesektor als auch im Hightech-Bereich engagierten sich chinesische Investoren bevorzugt in Deutschland: Von den europaweit 26 Deals im Hightech-Bereich betrafen sieben deutsche Unternehmen. Und von den 24 Transaktionen, bei denen Industrieunternehmen gekauft wurden, fanden acht in Deutschland statt. (EY/mc/ps)