Machtkampf bei Clariant findet ein Ende
Muttenz – Beim Spezialchemiekonzern Clariant findet die Auseinandersetzung zwischen dem Grossaktionär Sabic und Verwaltungsratspräsident Hariolf Kottmann ein Ende. Kottmann hat angekündigt, sich zurückzuziehen und an der kommenden Generalversammlung nicht mehr für den Verwaltungsrat zu kandidieren.
Kottmann habe dem Verwaltungsrat seinen Verzicht auf eine Kandidatur an einer ausserordentlichen Sitzung des Gremiums mitgeteilt, heisst es am Montag in einem Communiqué des Unternehmens. Kottmann war lange Zeit der starke Mann bei Clariant, zuerst als CEO, seit 2018 als Verwaltungsratspräsident. Interimistisch führte Kottmann Clariant zuletzt rund anderthalb Jahre lang im Doppelmandat als VR-Präsident und Konzernchef.
Sabic-Angriff auf Kottmann
Die Ära Kottmann bei Clariant geht aber nicht in Minne zu Ende. Im Dezember hatte Sabic – der saudi-arabische Chemiekonzern ist über 30 Prozent Stimmenanteil der mit Abstand wichtigste Aktionär des Unternehmens – einen Antrag auf eine Amtszeitbeschränkung für Verwaltungsräte gestellt. Dies war ein offensichtlicher Angriff auf Kottmann.
Sabic zieht Antrag auf Sonderdividende zurück
Dass Kottmanns Abgang im Licht dieses Machtkampfes zu sehen ist, zeigt der Umstand, dass Sabic nach Kottmanns Verzicht auf eine erneute Kandidatur den Antrag auf eine Sonderdividende zurückgezogen hat. Neben einer Amtszeitbeschränkung hatte Sabic nämlich eine ausserordentliche Dividende von 2 Franken je Aktie gefordert.
Statt einer Sonderdividende schlägt das oberste Führungs- und Aufsichtsgremium von Clariant der Generalversammlung nun eine ordentliche Dividende von 70 Rappen vor. Diese setzt sich aus einer Gewinnausschüttung von 55 Rappen für das Jahr 2019. 15 Rappen gibt es für das Jahr 2020 – als eine Art «Wiedergutmachung» dafür, dass letztes Jahr keine reguläre Dividende ausbezahlt wurde. Und die Amtszeitbeschränkung auf 12 Jahre wurde ins Geschäftsreglement des Verwaltungsrates aufgenommen.
Als neuer Verwaltungsratspräsident wurde Günter von Au nominiert. Von Au ist bereits seit 2012 Mitglied des Gremiums und war bis 2018 auch dessen Vizepräsident. Davor war Von Au Chef des deutschen Südchemie-Konzerns; als dieser mit Clariant fusionierte, wurde er Verwaltungsrat.
Neue Grösse nicht gefunden
Kottmann kam im Herbst 2008 zu Clariant. Als Konzernchef musste er sich von Anfang als Restrukturierer behaupten. Doch nicht nur als Sanierer konnte Kottmann punkten. Einen grossen Deal fädelte Kottmann 2011 ein, als Clariant den deutschen Südchemie-Konzern übernahm.
Danach hatte Kottmann ein weniger glückliches Händchen mit grossen Transaktionen: Der 2017 pompös angekündigte Zusammenschluss mit dem amerikanischen Huntsman-Konzern scheiterte am Widerstand von Investoren. In der Folge fand Kottmann im saudischen Mitbewerber Sabic einen neuen Ankeraktionär. Damit wurde verhindert, dass das Unternehmen in Einzelteile zerschlagen wird. Doch zu neuer Grösse fand Clariant unter Kottmann auch so nicht zurück: Der 2018 angekündigte grosse Deal, bei dem Sabic und Clariant Teile ihres Geschäfte zusammengelegt hätten, kam nicht zu Stande, weil man sich über die Bewertung der Unternehmensteile nicht einig wurde.
Seither – und insbesondere nachdem im Sommer 2019 Ernesto Occhiello, sein von Sabic gekommener Nachfolger auf dem CEO-Sessel, zurücktrat – musste Kottmann sich wieder Restrukturierungen des Konzernes annehmen. Dabei wurde unter anderem das Farbgranulat-Geschäft (Masterbatches) und das Business mit Pharmaverpackungen veräussert. Im November schliesslich wurde ein «Rightsizing-Programm» angekündigt, dass den Abbau von rund 1000 Arbeitsplätzen beinhaltet.
Analysten begrüssen den personellen Schnitt, zumal das Verhältnis mit dem Ankeraktionär schon länger angespannt gewesen sei. Damit werde den Weg für einen Neuanfang freigemacht. An der Börse ziehen die Papiere im frühen Handel um 0,9 Prozent an. (awp/mc/pg)