CO2-Gesetz: Der staatliche Traum vom kostenlosen Perpetuum Mobile zur gerechten Umverteilung
Wenn etwas zu schön tönt, um wahr zu sein, ist es das meistens auch. Wenn eine schmerzhafte Abkehr vom Gewohnten als Win-Win-Win-Situation verpackt wird, also nur Gewinner hinterlassen soll, lohnt sich ein genauerer Blick auf den Beipackzettel der Inhaltsstoffe und Nebenwirkungen. Das geplante CO2-Gesetz gibt dem Staat eine übermächtige Rolle als Geldverteiler und vermeintlicher Innovationstreiber. Eine Rolle, die ihm nach den Erfahrungen in der Pandemie bezüglich Innovationskraft (Stichwort Digitalisierung) kaum übertragen werden sollte. Ausser dem neu angedachten Klimafonds und der Flugabgabe existieren heute schon alle Mittel und Massnahmen zur erfolgreichen CO2-Senkung.
Von Helmuth Fuchs
Die Klimaveränderung mit steigenden Temperaturen ist eine Tatsache, ebenso, dass die steigende Zahl der Menschen dazu einen signifikanten Anteil leistet. Der auf fossilen Brennstoffen basierte Lebensstil vermindert und zerstört die Lebensgrundlagen fast aller anderer Spezien und gefährdet zunehmend auch die Lebensqualität der Menschen selbst. So weit so schlecht und kaum bestritten. Deshalb haben sich mittlerweile alle Länder der Welt zu dem in Paris 2015 vereinbarten Abkommen bekannt, das vorsieht, den Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 1.5 Grad Celsius zu begrenzen. Die konkreten Ziele:
- Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau; Anstrengungen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dadurch sollen die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels deutlich reduziert werden;
- Erhöhung der Fähigkeit, sich an die nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, Förderung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie Förderung einer Entwicklung, die mit geringen Treibhausgasemissionen einhergeht und zugleich die Nahrungsmittelproduktion nicht bedroht;
- Vereinbarkeit der Finanzströme mit einem Weg hin zu niedrigen Treibhausgasemissionen und klimaresistenter Entwicklung.
Braucht es das neue Gesetzt überhaupt?
Als relevanteste Messgrösse für die Treibhausgasemmissionen wurde der von den Menschen verursachte CO2-Ausstoss gewählt. Die treibhausgasabhängige Temperaturreduktion kann also in diesem Szenario nur über eine Reduktion des von den Menschen direkt beeinflussbaren CO2-Ausstosses gelingen. Wälder, welche zum Beispiel das CO2 binden, sind weltweit, vor allen wegen der Reduktion der Bestände in Südamerika und Afrika, auf absehbare Zeit keine Alternative zu weitergehenden Massnahmen.
In diesem Umfeld will das CO2-Gesetz den Treibhausgas-Ausstoss bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 halbieren. Das will der Bundesrat mit folgenden Mitteln erreichen:
- Finanzielle Anreize und Rückvergütungen für diejenigen Privatpersonen und Unternehmen, die weniger CO2 verursachen
- Investitionen in den Klimaschutz und in die technische Entwicklung
All das macht der Bund jedoch heute schon über Abgaben (CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe wie Heizöl, Erdgas und Kohle), CO2-Kompensation für Benzin- und Dieselimporte, Rückvergütung via Krankenkassenprämien (Private) und AHV-Beiträge (Unternehmen) und den Technologiefonds des Bundes (Bundesamt für Umwelt BAFU). Das heisst, es existieren heute schon alle Mittel und Massnahmen, den CO2-Ausstoss erfolgreich senken zu können. Bei den bestehenden Massnahmen kann er Bund Präzisierungen und Verschärfungen (z.B. Erhöhen der Abgaben, Senkung von Grenzwerten) vornehmen, ohne dass es dazu ein neues CO2-Gesetz brauchen würde.
Wirklich neu hinzu kommen einzig der Klimafonds, Abgaben im Flugverkehr (Flugticketabgabe, Abgabe für Geschäfts- und Privatflüge) und die Möglichkeit zur Befreiung aller Unternehmen von der CO2-Abgabe bei gleichzeitiger Investition in Klimamassnahmen (heute können das nur Firmen mit einem sehr grossen CO2-Ausstoss).
Ein Ring, sie alle zu finden und ewig zu binden1
Im Kern geht es also um den neuen Klimafonds, welcher Bundesrätin Simonetta Sommaruga eine Kasse mit bis zu einer Milliarde Franken jährlich eröffnen würde, mit nur wenigen Einschränkungen, wie sie und ihr Bundesamt diese Gelder verteilen möchten. Ein grosser Topf, der alle kleinen Töpfe binden soll. Ein neues politisches und finanzielles Machtinstrument zur politisch konformen Investition und Innovation.
Dadurch wird primär das UVEK gestärkt und ausgebaut («Der Klimafonds wird im UVEK verwaltet. Die zuständigen Stellen sind so mit Mitteln zu versorgen, dass sie in ihrem Vollzugszuständigkeitsbereich die nötigen Zahlungen leisten können.» Art. 53, CO2-Gesetz), der zusätzlich zu den schon bestehenden Gesetzen, Verordnungen und Massnahmen erzielte Effekt für das Klima dürfte, abgesehen von den Flugabgaben, eher gering sein. Eine parlamentarische oder direktdemokratische Mitsprache ist kaum vorgesehen («Die Bundesversammlung legt mit einfachem Bundesbeschluss jeweils die vierjährigen Höchstbeträge für die Verwendung der zweckgebundenen Mittel fest», «Der Bundesrat berichtet der Bundesversammlung jährlich über die Verwendung der Mittel.» Art. 54, CO2-Gesetz).
Zum Erstaunen Vieler werden übrigens die Finanzströme, der dritte der im im Pariser Abkommen erwähnten Bereiche (nebst Begrenzung des Temperaturanstiegs und Erhöhung der Resilienz), im CO2-Gesetz gänzlich aussen vor gelassen. Wenn man schon etwas für den allergrössten Teil der Bevölkerung hätte tun wollen, wäre hier der griffigste Ansatzpunkt gewesen: Das Vermögen dorthin lenken, wo es keinen Klimaschaden anrichten kann.
Der Bund als Hüter und Hort der Innovation?
Eine Erkenntnis der Pandemie ist, dass der Bund die Digitalisierung breitflächig verschlafen hat. Trotz genügend Personal im IT-Bereich und grosszügigen Budgets waren und sind die Bundesstellen bei Themen wie digitaler ID, digitalem Impfpass / Zugangszertifikat, elektronischem Patientendossier etc. kaum in der Lage, adäquate Lösungen zu bieten. Weshalb gerade jetzt dem Bund die Verantwortung und die finanziellen Mittel übergeben werden sollen, den Klimawandel technologisch zu bewältigen, sollte viele Fragen aufwerfen.
Es lohnt sich, einige der Hauptargumente einem Faktencheck zu unterwerfen. Die Argumente finden sich u.a. in einem Tagesanzeiger-Interview von Simonetta Sommaruga vom 8.5.2021.
- «8 Milliarden für die saubere Schweizer Energie statt für die ausländischen Öl- und Gasmultis«: Das wäre so, wenn die Schweiz ihre wegfallenden Kernkraftwerke durch heimische Grosswasserkraft ersetzen könnte. Die Energie des ersten abgeschalteten Kernkraftwerkes (Mühleberg, 2019), wurde aber nicht durch einheimische Wasser-, Solar- oder Windenergie ersetzt, sondern durch Zukäufe aus dem Ausland. Vor der Abschaltung von Mühleberg stieg der Stromanteil von Kernkraftstrom von 17.3% (2018) auf 19.1% (2019), derjenige sämtlicher Erneuerbarer ausser den Grosswasserkraftwerken (Sonne, Wind, Biomasse und Kleinwasserkraft) von 7.85% auf 8.4%. Wind- und Solarenergie zusammen trugen 2019 3.5% zum gesamten Strommix bei.
Da in der Schweiz vor allem Solarenergie gefördert werden soll, lohnt sich ein Blick darauf, woher die Solarpanels und die dazu verwendeten Rohstoffe stammen:
Grösste Solarzellenhersteller weltweit nach Absatz im Jahr 2019, Statista.com
Unter den zehn gelisteten grössten Herstellern von Solarzellen haben sechs ihren Sitz in China. Das heisst, man vermindert die Abhängigkeiten vom Ausland nicht, sondern verschiebt sie einfach von den Öl- zu den Solarmultis, primär, auch bezüglich der dazu notwendigen Rohstoffe (Silizium, Kadmium und Selen), nach China. - «Die Technologien sind da, sie sind rentabel«: Wenn die Technologien rentabel sind, setzen sie sich auf dem Markt auch ohne die massiven staatlichen Eingriffe durch. Dazu genügt es, schädliche Technologien mit höheren Abgaben oder schärferen Vorschriften zu versehen, einen zusätzlichen Klimafonds braucht es dazu nicht. Die Autoindustrie hat in den letzen beiden Jahren einen massiven Entwicklungsschritt hin zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen gemacht. Auf Tesla folgen jetzt praktisch alle europäischen Anbieter wie VW, BMW, Mercedes. Die asiatischen Hersteller haben den Schritt schon zuvor gemacht. Die Schweiz kann hier als Konsumentin und Zulieferin von Technologie in einem nur sehr bescheidenen Masse Einfluss nehmen.
- «Durchschnittsfamilie hat Ende Jahr mehr Geld im Portemonnaie»: Durchschnitte und Modelle bilden die Realität für Einzelne meist eher schlecht ab. Die Berechnungen des Bundes gehen selbst davon aus, dass eine «Durchschnittsfamilie» Ende 2020 pro Jahr 100 CHF mehr bezahlt. Will sie wirklich mehr Geld im Portemonnaie haben, muss sie auf das Fliegen vollständig verzichten, weniger Auto fahren und die Ölheizung ersetzen durch eine Luft-/Wärmepumpe. Solche Investitionskosten fallen sofort an, rechnen sich aber erst nach 20-25 Jahren. Vermieter werden kaum mit Mietzinsreduktionen auf anstehende oder getätigte Investitionen reagieren, eher werden Mietzinserhöhungen anstehen.
Bei einem Volk von Mietern, mit nur sehr beschränktem freien Wohnraum in den Ballungsgebieten, ist der Einfluss auf die Entscheidung bezüglich Heizung oder Haussanierung nur gering. Die Hausbesitzer entscheiden sich auch ohne die bescheidenen Zusatzzahlungen für zukunftsfähige Technologien. Hier ist es wichtiger, dass nicht durch Abgaben, Bewilligungen und bürokratische Hindernisse zusätzliche Hürden aufgebaut werden. Vier von zehn Haushalten heizen heute schon ohne Öl und Gas und die Zahl wird mit jeder Sanierung und mit jedem Neubau steigen (da sind heute schon Ölheizungen praktisch keine Option mehr).
Wir haben aktuell zum Beispiel in unserer privaten Wohnsiedlung mit vier Parteien die Ölheizung durch eine Luft-/Wärmepumpe ersetzt. Investitionsvolumen 70’000 CHF, staatliche Zuschüsse nach Abzug von Bewilligungen, Abgaben, Sonderprüfung etc. unter 2’000 CHF. - «Wenn nichts geschieht, werden Landwirtschaft und Tourismus zunehmend Probleme bekommen«: Landwirtschaft und Tourismus werden schon heute gezielt unterstützt. Die globalen Folgen der Klimaveränderung wirken sich für Bauern und Touristiker unbeeindruckt durch einen zusätzlichen Klimafonds aus. Auch hier macht es mehr Sinn, bestehende Möglichkeiten gezielt zur Förderung einer nachhaltigeren Landwirtschaft und eines schonenderen Tourismus zu nutzen.
Statt einer neuen Kasse für Bauern zu schaffen, welche für 13 % der hierzulande ausgestossenen Treibhausgase, 93% der Ammoniak-, 80 % der Lachgas- und 83 % der Methanemissionen verantwortlich sind, sollten sich Parlamentarier und Bundesrat endlich über längst fällige Reformen innerhalb der geplanten Agrarpolitik 22+ einigen. Statt fällige Reformen hat man jedoch in der letzen Runde nur weitere Zahlungen beschlossen. - «Der Klimafonds schafft sich mit Erreichung aller Ziele selbst ab«: Theoretisch wäre es so, dass wenn all diejenigen, welche in den Fonds einzahlen, auf Elektromobilität umgestiegen sind und alle Flugzeuge umweltfreundliche Treibstoffe verwenden, die Mittel versiegen und der Fonds sich leert. Bleiben werden aber die geschaffenen Staatsstellen, Abgaben, Vorschriften Gesetze. Oder kann sich jemand erinnern, dass einmal beschlossene Gesetze zurückgenommen, Staatsstellen abgebaut (nicht verschoben) wurden? Zudem werden die jetzt im Vordergrund stehenden Massnahmen nicht genügen, um das CO2 auf Netto-Null zu reduzieren. Es wird zusätzlich bestehendes CO2 aus der Atmosphäre gefiltert und irgendwie wieder gebunden werden müssen. Für den Fonds wird es immer wieder neue Gründe zur Aufrechterhaltung und neu Quellen zur Finanzierung geben.
«Wird das neue CO2-Gesetz abgelehnt, ist sicher, dass die Schweiz das Ziel verfehlt.»
Mit dieser Aussage stellt der Bundesrat in seiner Empfehlung zum Gesetz die Annahme als alternativlos dar. Entweder Annahme oder Scheitern. Dies sagt in seiner Radikalität einmal mehr viel über den politischen (Un)Willen und wenig über die Realität aus. Wir haben heute schon mit Ausnahme der Flugabgabe alle Gesetze, Vorschriften und Massnahmen, um die Klimaziele zu erreichen. Es können je nach Fortschritt Massnahmen verschärft, neue Vorschriften erlassen, Gesetze erweitert werden.
Das vorliegende Gesetz braucht es im Wesentlichen nur zur Schaffung des Klimafonds im UVEK der Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Der Wunsch, den Umbau der Gesellschaft nach den eigenen politischen Vorstellungen mit möglichst wenig Kontrolle zu beschleunigen, ist sehr verständlich. Aus Sicht der BürgerInnen, die hier einmal mehr die direkte Entscheidung darüber, wie sie ihre Mittel einsetzen und kontrollieren an ein Bundesamt delegieren würden, wäre eine Lösung im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten und einer neu zu beschliessenden Flugabgabe zielführender.
Daran orientiert sich übrigens auch die Bürgerin Simonetta Sommaruga, die sich vor drei Jahren erst ein fossil befeuertes Fahrzeug anschaffte und auch nicht daran denkt, dieses jetzt zugunsten des Klimas einfach einzumotten.
«Mein Mini ist jetzt erst drei Jahre alt. Aber ich kann Ihnen versichern, falls ich je ein neues Auto brauchen sollte, wird es sicher ein elektrisches sein.»
1 J.R.R. Tolkien, Der Herr der Ringe: «Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden im Lande Mordor.»
Weitere Kommentare zur Abstimmung:
2 thoughts on “CO2-Gesetz: Der staatliche Traum vom kostenlosen Perpetuum Mobile zur gerechten Umverteilung”
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Ausgezeichnete Analyse.
Vielen Dank Martin.