Coronavirus: Bundesrat will keine allgemeine Maskentragpflicht
Bern – Der Bundesrat lockert in den nächsten Wochen schrittweise die Massnahmen zum Schutz vor dem neuen Coronavirus. Er sieht dazu keine allgemeine Maskentragpflicht vor. Abstand halten und Händewaschen bleiben die wirkungsvollsten Schutzmassnahmen. Das sehen die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit vor, über die der Bundesrat an seiner Sitzung vom 22. April 2020 informiert wurde. Die Branchen und Betriebe sind verpflichtet, die Lockerung mit Schutzkonzepten zu begleiten. Darin können sie die Nutzung von Masken vorsehen. Der Bund liefert ab nächster Woche während zwei Wochen täglich eine Million Hygienemasken an führende Detailhändler, um die Versorgung mit Masken zu unterstützen.
Gesunde Personen brauchen im öffentlichen Raum weiterhin keine Masken zu tragen. Die bisherigen Verhaltensregeln zum Abstand halten und zur Hygiene stehen nach wie vor im Zentrum der Massnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus. Wie bisher gilt: Zu Hause bleiben, insbesondere kranke Personen.
Branchen erarbeiten Schutzkonzept
Die schrittweise Lockerung der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus wird mit Schutzkonzepten begleitet. Diese müssen von den Branchen selber erarbeitet werden und können das Tragen einer Maske empfehlen oder vorsehen. Alle Betriebe und Organisatoren von Veranstaltungen müssen ein Schutzkonzept haben, das sich entweder auf ein Branchenkonzept oder auf die Vorgaben des BAG und des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) abstützt. Die Kantone sind zuständig dafür, vor Ort die Einhaltung der Schutzkonzepte zu überprüfen.
Maske schützt die anderen
Der Bundesrat hält an der Einschätzung fest, dass die Hygienemaske primär die anderen Menschen schützt und nur in geringem Mass die Person, die sie trägt. Deshalb kommt die Maske nur ergänzend zu den Distanz- und Hygieneregeln zum Einsatz. Damit folgt das Bundesamt für Gesundheit den Empfehlungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).
Atemschutzmasken (FFP2, FFP3) sind weiterhin vorwiegend für medizinisches Personal vorgesehen, das im richtigen Umgang mit diesen Masken geschult ist. Textilmasken (community-Masken oder Mundschütze) sollten nicht selber hergestellt werden. Industriell gefertigte Textilmasken sollen den Empfehlungen der Science Task Force Covid entsprechen.
Einkauf von Masken
Für die Beschaffung von Masken sind das Gesundheitswesen, Unternehmen und Privathaushalte grundsätzlich selber verantwortlich. Der Bund steht mit Detailhändlern in Kontakt, damit diese die Versorgung des Landes mit Masken in den kommenden Wochen sicherstellen und schrittweise ausbauen können. Im Sinne einer Anschubversorgung liefert die Armeeapotheke ab nächster Woche, während zwei Wochen, täglich eine Million Hygienemasken an führende Detailhändler. Zudem unterstützt der Bund soweit möglich die Beschaffung subsidiär, falls über die normalen Kanäle der Bedarf nicht gedeckt werden kann.
Die Armeeapotheke hat bis heute 21 Millionen Hygienemasken an die Kantone verteilt. Die aktuellen Lagerbestände des Bundes umfassen 18 Millionen Hygiene- und 1,2 Millionen FFP2 Masken. Sie werden weiter laufend ausgebaut.
Tests werden ausgeweitet
Der Lockdown soll nach und nach durch die konsequente Isolation von Coronavirus-Infizierten und deren Kontaktpersonen abgelöst werden. Damit die Fälle auch entdeckt werden, weitet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Tests aus. Es hat am Mittwoch die Testkriterien für Covid-19 angepasst: Neu sollen alle Personen mit Symptomen einer akuten Atemwegserkrankung mit oder ohne Fieber, mit Muskelschmerzen oder Geruchs- oder Geschmacksverlust getestet werden. In Spitälern, Alters- und Pflegeheimen soll noch breiter getestet werden können.
Bisher wurden Covid-19-Tests nur bei Personen empfohlen, die einer Risikogruppe angehörten und Symptome aufwiesen oder die zum Gesundheitspersonal gehörten. Die neue Teststrategie soll die schrittweise Öffnung des Lockdown ab dem 27. April begleiten.
Man müsse breit testen können, um zu einer strikten Eindämmungsstrategie zurückzukommen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Bundeshausmedien. Wenn es gelinge, positiv Getestete und die Kontaktpersonen zu isolieren, könne es gelingen, die Epidemie in den nächsten Monaten unter dem Deckel zu halten.
Dazu soll auch eine Contact-Tracing-App beitragen. Am Vortag hatte das BAG die Beteiligung an einer solchen App bekanntgegeben. Diese wird unter anderem von den ETH Lausanne und Zürich entwickelt und soll bis am 11. Mai fertiggestellt sein.
Eine solche App könne aber nicht das Contact-Tracing der Kantone ersetzen, sagte Berset. Nach seinen Angaben ist dieses aufgrund der sinkenden Fallzahlen bereits wieder aufgenommen worden. Das Nachverfolgen jedes einzelnen Kontakts sei aber extrem aufwendig, sagte Berset. Die Kantone seien nicht alle gleich weit, sie hätten nun aber Zeit zur Vorbereitung gehabt.
Sortimentsbeschränkungen im Detailhandel bleiben bestehen
Ausserdem hat der Bundesrat entschieden, dass die bestehenden Sortimentsbeschränkungen in Lebensmittelläden weiterhin gelten. Er kommt damit auf seinen Entscheid vom 16. April zurück, die Sortimentsbeschränkungen etwas zu lockern. Im Zuge der Transitionsstrategie hatte er beschlossen, dass ab dem 27. April Güter des täglichen Bedarfs und weitere Güter verkauft werden dürfen, wenn sie sich auf der Verkaufsfläche der Lebensmittelläden befinden. Dieser Entscheid hat viele Fragen aufgeworfen, unter anderem in der Umsetzung bei grossen Detailhändlern und in der Ungleichbehandlung gegenüber den Fachgeschäften. Diese werden voraussichtlich am 11. Mai wieder öffnen können.
Einschränkung von medizinisch nicht dringenden Behandlungen und Untersuchungen
Der Bundesrat hat zudem nach Absprache mit den Kantonen die Frage der Einschränkung von medizinisch nicht dringenden Behandlungen und Untersuchungen in Spitälern geregelt. Am 16. April hatte er ein entsprechendes nationales Verbot per 27. April aufgehoben und den Spitälern erlaubt, sogenannte Wahleingriffe durchzuführen. Die Kantone sind aber weiterhin verpflichtet, ausreichende stationäre Kapazitäten zur Behandlung namentlich von Patientinnen und -Patienten mit COVID-19-Erkrankungen sicherzustellen.
Sie können neu Wahleingriffe selber einschränken und wie bis anhin öffentliche und private Spitäler zur Bereitstellung ihrer Kapazitäten verpflichten. Die Spitäler müssen zudem einen ausreichenden Bestand an wichtigen Arzneimitteln sowohl für COVID-19-Patientinnen und Patienten als auch für weitere medizinisch dringende Behandlungen halten.
Sonderfall Tessin
Der Bundesrat hat aufgrund der epidemiologischen Situation den Kanton Tessin ermächtigt, die Einschränkungen von Wirtschaftsbranchen bis am 3. Mai 2020 zu verlängern. (BAG/mc/pg)