Bern – Damit die Schweiz in der Corona-Krise den Weg zurück zur Normalität finden kann, plädiert der Epidemiologe Marcel Salathé für Covid-19-Tests schon bei leichten Symptomen. So könnte jeder einzelne neue Fall schnell identifiziert und schnell isoliert werden.
Salathé schlägt gemeinsam mit anderen Wissenschaftern vor, dass die Schweiz die Methode «Test-Isolate-Quarantine» anwenden soll. «Bei dieser Methode müssen zuerst einmal deutlich mehr Personen auf das Virus getestet werden», erklärt der Epidemiologe von der ETH Lausanne in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der «NZZ». Jeder, der auch nur leichte Symptome habe, müsse einen Test machen können, bevor er wieder arbeiten gehe.
«Erkrankte schnell zu isolieren, reicht aber nicht. Denn ein Betroffener ist ja bereits ansteckend, bevor er erste Symptome spürt.» Darum sei es wichtig, sämtliche Personen zu finden, mit denen ein Patient Kontakt hatte. Die Kontaktpersonen sollten sich auch so schnell wie möglich in Quarantäne begeben können
«Kein einziger Fall darf vernachlässigt werden»
«Man muss sich das so vorstellen: Als Covid-19-Patient ist man ein Funke, der leicht zu einem Waldbrand führen kann. Darum darf kein einziger Fall vernachlässigt werden», betont Salathé. Doch bis vor wenigen Wochen habe die Schweiz die dafür nötige Test-Kapazität noch nicht gehabt. Mittlerweile habe das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Kapazitäten ausgebaut, und es könnten rund 7000 Tests pro Tag gemacht werden.
Allerdings reiche das noch nicht, sagte Salathé. «Jeder, der Husten oder andere Symptome hat, soll sich schnell und unkompliziert testen lassen können.» Insbesondere Leute, die im Gesundheitswesen arbeiten oder sonst mit vielen Leuten in Kontakt kommen, sollten sich immer wieder testen lassen können.
Ob Geschäfte und Restaurants Ende April wieder öffnen können hänge davon ab, wie sich die Fallzahlen in den kommenden drei Wochen entwickeln, so der Epidemiologe. «Bis jetzt sehen wir, dass sich die Kurve leicht abflacht. Doch der Rückgang ist noch nicht so stark, wie er sein sollte.»
Die Methode «Test-Isolate-Quarantine» funktioniere aus wissenschaftlicher Sicht dann, wenn es nur wenige neue Fälle pro Tag gibt. Sobald die Zahl zu hoch sei, werde es schwierig, das exponentielle Wachstum zu bremsen.
«Masken können Übertragung bremsen»
Salathé ist ausserdem dafür, dass in der Schweiz mehr Masken getragen werden sollen. Dies obwohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mehrfach davon abgeraten hat, eine Maske zu tragen, wenn man nicht krank ist.
«Man hat gemerkt, dass es zu Beginn zu wenige Masken für das Gesundheitspersonal gab und diese somit sparsam eingesetzt werden mussten. Aber dass Masken die Übertragung des Virus bremsen können, ist aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich klar», sagte Salathé. Er gehe deshalb davon aus, dass Masken künftig auch in der Schweiz stärker zum Alltag gehören würden.
«Die Maske führt dazu, dass ich weniger Leute anstecke. Aber sie senkt auch das Risiko, dass ich mich selbst anstecke. Klar darf man nicht die Illusion haben, eine OP-Maske biete den perfekten Schutz. Aber allein die Tatsache, dass ich mir weniger an Mund und Nase fasse, wenn ich eine Maske trage, verringert das Ansteckungsrisiko.»
Das sei sicher auch einer der Gründe, warum sich das Virus in Japan und anderen asiatischen Ländern weniger schnell verbreitet als in Europa, wo Masken kulturell bisher weniger akzeptiert waren, ist Salathé überzeugt. (awp/mc/ps)