Bern – In der Schweiz nimmt die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus nach wie vor leicht zu. Um einer gewissen Nachlässigkeit in der Bevölkerung zu begegnen, lanciert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine neue Informationskampagne.
«Es ist nach wie vor ein langsamer, aber stetiger Anstieg der Neuinfektionen festzustellen», sagte Stefan Kuster, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten im BAG am Donnerstag vor den Medien. So sind dem BAG in der Woche 38 2905 Neuinfektionen gemeldet worden, gegenüber 2853 Fällen in der Vorwoche. Innert eines Tages gab es bis Donnerstagmorgen 391 neue Ansteckungen, 46 weniger als am Mittwoch.
Bei den Hospitalisierungen sei im Wochenvergleich ein leichter Rückgang von 75 auf 66 Fälle verzeichnet worden. Auch die Todesfälle seien von 16 auf 15 zurückgegangen. Allein am Donnerstag kamen drei neue Todesfälle dazu.
Reproduktionszahl knapp über eins
Kuster wies darauf hin, dass die Reproduktionszahl immer noch knapp über eins liege, aber unter 1,1. «Von zehn Fällen müssten wir einen vermeiden, um eine Stabilisierung oder einen Rückgang verzeichnen zu können», sagte Kuster weiter.
Die Zahlen in den am stärksten betroffenen Kantonen geben ein heterogenes Bild ab: Im Kanton Waadt etwa seien in der vergangenen Woche 879 Fälle verzeichnet worden gegenüber 944 Fällen in der Woche davor.
Der Kanton Genf habe innert Wochenfrist einen Anstieg von 344 auf 416 Fälle gemeldet, in Bern seien die Neuinfektionen von 191 auf 313 angestiegen. Demgegenüber sei im Kanton Freiburg ein Rückgang von 231 auf 151 Fälle verzeichnet worden.
Der Kanton Bern hat angesichts der steigenden Fallzahlen eine Maskenpflicht für alle Grossveranstaltungen ab tausend Menschen eingeführt. Der Zürcher Regierungsrat hat die Ende August eingeführte Maskenpflicht in Einkaufsläden bis Ende Oktober verlängert.
Nach wie vor würden sich vor allem jüngere Menschen anstecken, der Anteil der älteren Bevölkerungsgruppe steige aber langsam an. Drei Viertel der Neuinfektionen würden Menschen im Alter unter 50 Jahren betreffen, sagte Kuster weiter.
Das Contact Tracing sei derzeit in allen Kantonen ausreichend, um die neu auftretenden Fälle zu bewältigen. Das BAG sei derzeit mit den Kantonen daran, die Testkapazitäten im Hinblick auf die erwartete Zunahme der Fälle im Herbst und Winter aufzustocken. Mit den derzeit 10’000 bis 15’000 Tests sei die Kapazität der 25’000 pro Tag möglichen Tests noch nicht erreicht. Ideal wären laut Kuster 40’000 Tests pro Tag. Ob dieses Ziel erreicht werden könne, hänge aber stark von der Dynamik in anderen Ländern sowie vom Markt abhängig.
Neue Kampagne gegen Nachlässigkeit
Auch Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle im BAG, sprach von einer nach wie vor – wenn auch langsam – steigenden Zahl der Ansteckungen. Es zeige sich, dass die eingeleiteten Massnahmen eine Wirkung hätten. Aber es sei in der Bevölkerung eine gewisse Nachlässigkeit festzustellen, und dies gerade vor der kälteren Jahreszeit, wo sich die Viren vermehrt ausbreiten. Es sei deshalb wichtiger denn je, Distanz zu halten, und wo dies nicht möglich sei, eine Maske zu tragen.
Um der Nachlässigkeit zu begegnen, hat das BAG eine neue Informationskampagne vorgestellt. «Mach’s einfach!» lautet der am Donnerstag vorgestellte Appell. Im Zentrum stehen Rückverfolgung (Tracing), Testen, Isolation und Quarantäne – die «TTIQ»-Strategie. Neu wird auf der Dating-App Tinder und der Videospielplattform Twitch.tv geworben.
Die Kampagne zielt insbesondere auf junge Menschen ab. Sie sollen dazu motiviert werden, im Ausgang ihre vollständigen Kontaktdaten zu hinterlassen.
Milo Puhan, Leiter des Instituts für Epidemiologie an der Universität Zürich, äusserte sich zu dem von ihm geleiteten Forschungsprogramm «Corona Immunitas». An den Studien zu den verschiedensten Aspekten rund um das Virus seien über 500 Forschende beteiligt und rund 30’000 Teilnehmende. Bis im Frühjahr soll ein umfassendes Bild der Pandemie vorliegen. (awp/mc/ps)