Coronavirus: Intensivbetten, Tests und die Zeit werden knapp

Coronavirus: Intensivbetten, Tests und die Zeit werden knapp
Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes. (Screenshot)

Bern – Die heute geltenden schweizweiten Massnahmen reichen bei weitem nicht, in zwei bis drei Wochen ist die Kapazität der Intensivbetten erreicht, die Testkapazitäten kommen bald an ihre Grenzen und das Contact Tracing funktioniert in den meisten Kantonen nicht mehr. Dieses Fazit zogen Vertreter des Bundes und der Kantone am Freitag vor den Bundeshausmedien.

«Die heute geltenden Massnahmen auf Bundesebene reichen bei weitem nicht aus», sagte Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes. Die Eindämmungsstrategie funktioniere nicht mehr richtig, viele Fälle würden gar nicht mehr entdeckt.

Es müsse nun rasch gehandelt werden. «Wir müssen jetzt handeln. Wenn wir heute Massnahmen treffen, wirken sie in zwei Wochen. Die Kapazität der Intensivbetten ist aber in zwei bis drei Wochen erreicht», sagte Ackermann auf die Frage eines Journalisten, ob die Schweiz noch Zeit habe, bis der Bundesrat am Mittwoch neue schweizweite Massnahmen verhänge.

BAG registriert 6634 neue Coronavirus-Fälle
In der Schweiz und in Liechtenstein wurden innerhalb eines Tages 6634 neue Coronavirus-Ansteckungen innerhalb eines Tages registriert worden. Nach Angaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wurden 25’061 Tests vorgenommen. Die Positivitätsrate beträgt somit 26,5 Prozent. Corona hat weitere zehn Menschen in der Schweiz das Leben gekostet und 117 Personen wurden neu hospitalisiert.

Ab sofort das Richtige tun
Jede Woche verdopple sich das Problem: Verdoppelung der Fallzahlen, Verdoppelung bei den Hospitalisierungen und Verdoppelung bei den Todesfällen. Eine Eindämmung sei in unser aller Interesse. «Wir haben keine Hinweise darauf, dass das Virus weniger tödlich ist als im Frühling.» Die Taskforce empfehle, schnell Massnahmen zu treffen und diese «bis im März oder April durchgehend in Kraft zu lassen», um die Epidemie nachhaltig einzudämmen.

Gleichzeitig rief Ackermann dazu auf, nicht auf neue Massnahmen der Behörden zu warten, sondern individuell die Kontakte auf ein Minimum zu beschränken: «Warten wir nicht auf Massnahmen, tun wir das Richtige, ab sofort», sagte Ackermann.

Testkapazitäten sind bald ausgeschöpft
Angesprochen auf die Frage, ob denn der Bundesrat genug schnell reagiere, sagte Stefan Kuster, Leiter Übertragbare Krankheiten im Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Es geht vorwärts.» Das BAG mache eine Lagebeurteilung in Zusammenarbeit mit der Taskforce. «Die diversen Akteure haben durchaus ihre Verantwortung übernommen – Bund und Kantone gemeinsam.»

Mit den stark steigenden Corona-Fallzahlen gingen der Schweiz aber langsam die Testkapazitäten aus. «Wenn die Entwicklung so weiter geht, werden wir die Testkapazitäten überschreiten», erklärte Kuster. «Es geht um Reagenzien, Laborkapazitäten, medizinische Kapazitäten.» Die Lage sei angespannt. Ins Auge steche die hohe Positivitätsrate von über 20 Prozent. Jeder fünfte Test ist positiv. Betroffen sind laut Kuster weiterhin alle Altersklassen und Kantone.

Contact Tracing hat seine Grenzen erreicht
Wo sich die Menschen ansteckten, sei immer weniger bekannt, sagte Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte. Die Verfolgung der Fälle durch das Contact Tracing habe seine Grenze erreicht: «Wir haben einen Getriebeschaden.» Deshalb könne er nur dazu aufrufen, dass Infizierte enge und gute Bekannte selbst informierten, damit sie sich vorsichtig verhalten und in Selbstquarantäne begeben könnten.

Hinter den nüchternen Fallzahlen würden zunehmend wieder ältere Personen und Personen mit Vorerkrankungen stecken. Ein Fünftel der positiven Fälle sei zwischen 50 und 65 Jahre alt, jeder Zehnte über 65, gesamthaft rund ein Drittel über 50 Jahre. Das werde sich auf die Zahl der Hospitalisierungen auswirken.

Pflegepersonal ist gefordert
Mit den steigenden Covid-19-Erkrankten auf den Intensivstationen stiegen auch die Anforderungen an das Pflegepersonal erheblich, sagte Andreas Stettbacher, Bundesdelegierter für den Koordinierten Sanitätsdienst (KDS). Bei Engpässen in den Spitälern könnten die Kantone auch wieder die Hilfe der Armee anfordern. «Einige Kantone sind daran, die Hilfe vorzubereiten.» Auch wenn das Virus sich stark in Alters- und Pflegezentren ausbreite, könne die Armee helfen.

Mit den Einschränkungen und Massnahmen kommen auch die Betriebe wieder unter Druck. «Nicht alle Unternehmen werden diese Krise überleben», sagte Erik Jakob, Leiter der Direktion für Standortförderung beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Dieser Realität müsse man ins Auge schauen. Im Covid-Gesetz würden Härtefälle zum Tragen kommen. Es gäbe durchaus Möglichkeiten, die Kurzarbeit wieder breiter zu erlauben – etwa auch für Temporär-Beschäftigte. (awp/mc/pg)

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