Bern – Mehr Tests, verschiedene Informationskampagnen, aber vorerst keine Einschränkungen im Reiseverkehr oder bei Grossveranstaltungen: Die Schweizer Behörden treffen weitere Vorkehrungen im Kampf gegen das Coronavirus, versuchen aber wie bisher, den Ball flach zu halten.
Die Schweiz sei «in erhöhter Bereitschaft», sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Montagnachmittag vor den Bundeshausmedien. In Italien, unweit der Schweizer Grenze, nähmen die Coronavirus-Fälle seit dem Wochenende rasch zu. Damit erhöhe sich das Risiko für die Schweiz. «Der Bundesrat verfolgt die Situation Stunde für Stunde.»
Berset trifft sich am Dienstag in Rom mit den Gesundheitsministern Italiens, Frankreichs, Deutschlands, Österreichs und Sloweniens, um sich mit diesen abzustimmen bei der Bewältigung des Virus.
Für restriktive Massnahmen wie das Abriegeln von ganzen Städten oder die Schliessung von Grenzen besteht laut den Schweizer Behörden derzeit kein Anlass. Solche Massnahmen gegen eine Epidemie würden erst dann getroffen, wenn es eine solche in der Schweiz gäbe. Das sei bislang nicht der Fall. Noch immer sei hierzulande keine der 300 Personen positiv auf das neuartige Coronavirus Sars-CoV 2 getestet worden.
Fokus auf die Südschweiz
Obwohl die Situation unter Kontrolle ist, beschloss die Taskforce bestehend aus Bundes- und Kantonsvertretern am Montagvormittag zusätzliche Massnahmen. Um der rasanten Ausbreitung des Virus in Italien Rechnung zu tragen, wird es ab sofort zusätzliche Tests geben – auch bei Personen, die normale grippeähnliche Symptome zeigen.
Der Fokus liegt dabei auf dem Kanton Tessin, wo täglich zehntausende Arbeitskräfte aus Italien einreisen. Konkret testen die Tessiner Spitäler nun auch schwer erkrankte Personen, die respiratorische Symptome aufweisen, also beispielsweise eine Lungenentzündung.
Die Labors haben in den vergangenen Tagen die Kapazitäten für Tests auf das Coronavirus erheblich erhöht. In der gesamten Schweiz können nun pro Tag bis zu tausend Verdachtsfälle abgeklärt werden.
Hände waschen – Hotline verstärken
Das Ziel der vorbeugenden Massnahmen ist es, mögliche Verdachtsfälle rasch zu isolieren. Eine Erkrankungswelle in der Schweiz soll möglichst verhindert oder hinausgezögert werden.
Die Behörden intensivieren deshalb auch die Information der Bevölkerung. «Am wichtigsten sind Hygienemassnahmen wie das Händewaschen», sagte Pascal Strupler, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Dazu gebe es neue Broschuren und Flyer, die flächendeckend verteilt würden.
Daneben wird die bundeseigene Hotline in allen Landessprachen verstärkt. Die Zahl der Anrufe auf die Corona-Hotline hat nach Behördenangaben in den vergangenen Tagen zugenommen. Am Sonntag sind demnach 270 Anrufe registriert worden.
Information an Grenzpersonal
Er verstehe, dass die Bevölkerung – insbesondere im Tessin – «verunsichert und verängstigt» sei, sagte BAG-Direktor Strupler. Auch aus diesem Grund starteten Bund und Kantone weitere Sensibilisierungskampagnen. Aktuell im Fokus stehen Einreisende und Pendler an den Grenzen sowie an den Flughäfen. Auch das Personal des öffentlichen Verkehrs und der Grenzwacht soll besonders instruiert werden.
Was Grossveranstaltungen betrifft, setzen die Schweizer Behörden vorderhand auf die Eigenverantwortung der Organisatoren. «Sie wissen meistens am besten, welche Massnahmen verhältnismässig und sinnvoll sind», sagte Berset. Der Bund spreche derzeit keine Verbote aus.
Auf der Hut sind namentlich die Veranstalter des Engadiner Skimarathons, die eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben. Im Moment geht man davon aus, dass der Lauf wie geplant durchgeführt werden kann.
Verdachtsfälle im Tessin
Auch Tessiner und Bündner Behörden haben sich am Montag geäussert. Eine aus 20 Spezialisten bestehende Koordinationsgruppe verfolge die Situation aufmerksam, erklärte der Tessiner Regierungspräsident Christian Vitta vor den Medien in Bellinzona.
Jetzt gehe es im Kanton Tessin darum, sich auf erste bestätigte Fälle vorzubereiten. Es gebe bereits Verdachtsfälle. Wie viele das seien und wo sich die Patienten befänden, wollte Kantonsarzt Giorgio Merlani nicht sagen.
Ab Dienstag sei es möglich, die nötigen Tests im Tessin selber auszuwerten. Bisher mussten Testergebnisse in ein Labor nach Genf gebracht werden. Neu könnten Tests innert knapp zwei Stunden ausgewertet werden.
Die Tessiner Behörden haben sich bisher bewusst gegen die Schliessung von Schulen oder die Absage von Fasnachtsanlässen ausgesprochen. «Das macht im Moment keinen Sinn», erklärte Merlani.
Lagebeurteilung in Chur
Die Bündner Behörden trafen sich zu einer Lagebeurteilung. Man sei vorbereitet, nötigenfalls Massnahmen zu treffen, hiess es. In Disentis musste eine Firma wegen des Coronavirus ab März Kurzarbeit anmelden. Die Exporte von Präzisionsmetallteilen nach China habe eingestellt werden müssen.
Wegen Bedenken im Zusammenhang mit dem Coronavirus hat die Schweizer Schule Rom ihr Skilager in Fiesch VS abgesagt. Die Absage dürfte das betroffene Sport Resort zwischen 15’000 und 18’000 Franken kosten.
Die SVP Schweiz ergriff die Gelegenheit, um im Hinblick auf die Abstimmung über die Begrenzungsinitiative Stimmung zu machen. Sie forderte sofortige strenge Grenzkontrollen im Tessin. Einreisende seien medizinischen Schnelltests zu unterziehen und erkrankten Personen sei die Einreise zu verweigern. (awp/mc/pg)