Coronavirus: Task-Force-Chef hält Lockerungsschritte für verfrüht
Bern – Wissenschaftler und Kantonsärzte halten die vom Bundesrat am letzten Freitag beschlossenen Lockerungen im Zuge der Corona-Pandemie für verfrüht. Die Öffnung sei zu gewagt, sagte Matthias Egger, Leiter der Covid-19-Task-Force des Bundes.
Die Schweiz sei für die jüngsten Lockerungen noch nicht bereit. Es fehle nach wie vor an einem funktionierenden Überwachungssystem für die ganze Schweiz, sagte Egger in Interviews mit der «NZZ am Sonntag», der «Sonntagszeitung» und dem «SonntagsBlick».
Zudem sei unklar, wie gut das Contact-Tracing etabliert sei. Aus wissenschaftlicher Sicht berge die Lockerung ein hohes Risiko, dass die Situation entgleise, wenn die Ansteckungen wieder zunähmen.
Der Bundesrat hatte am Freitag beschlossen, dass die Polizeistunde fällt, der Mindestabstand von 2 auf 1,5 Meter verkleinert wird und Veranstaltungen bis tausend Personen wieder erlaubt sind.
Wiederanstieg der Fallzahlen
Der bisherige Verlauf der Epidemie sei sehr erfreulich, sagte Egger. Es sei gelungen, die Anzahl Fälle deutlich zu reduzieren. In den letzten zwei Wochen seien die Fallzahlen aber wieder gestiegen. Die Reproduktionszahl liege wahrscheinlich wieder bei 1 oder darüber.
Es bestehe die Gefahr, dass die Fälle in nächster Zeit wieder deutlich zunähmen. In dieser unsicheren Situation halte die Task Force Wissenschaft die weiteren Lockerungsschritte für verfrüht.
Der jüngste Anstieg bei den Fallzahlen und der Reproduktionszahl sei wohl auf die Lockerungen vom 11. Mai zurückzuführen. Die Auswirkungen der Lockerungen vom 28. Mai, 6. Juni und 15. Juni seien noch unklar. Die begleitenden Massnahmen zur Bewältigung eines Wiederanstiegs der Fälle seien noch nicht vollständig umgesetzt.
Kantone sind gefordert
Damit spricht Egger das Zusammenspiel von Testen, Tracing und Quarantäne in den Kantonen an sowie die umfangreiche Datenerfassung, die es ermöglicht, die Epidemie praktisch in Echtzeit zu verfolgen. «Wir müssen wissen, wo genau die Fälle auftreten und ob sie mit anderen Fällen verknüpft werden können.»
Die Testkapazitäten seien vorhanden, und in den letzten Tagen sei sehr viel getestet worden. Wichtig sei in Zukunft, bei Risikolagen schnell und breit zu testen, um die Übertragungsketten zu entdecken und zu unterbrechen. Bestehe der Verdacht, dass ein Hotspot vorliegen könnte, sollten nicht nur die engeren Kontakte von Infizierten, sondern das ganze Umfeld getestet werden.
Stellung nahm Egger auch zur Diskussion über die Einführung einer Maskenpflicht. «Mit den neuen Lockerungen sind wir wohl bald am Punkt angekommen, an dem eine breite Maskenpflicht eingeführt werden muss», sagte der Leiter der Task Force weiter. (awp/mc/pg)