Corporate Volunteering: Wirkung und Wirkungsmessung
SRK-Präsidentin Annemarie Huber-Hotz.
Zürich – Die Freiwilligenarbeit im Rahmen gemeinnütziger Projekte gewinnt weltweit zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Grosskonzerne unterstützen den Einsatz ihrer Mitarbeitenden zugunsten gemeinnütziger Organisationen.
Alice Bordoloi, Corporate Communications Credit Suisse
Am 10. Mai lud die Credit Suisse Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Non-Profit-Organisationen zur zweiten Konferenz zu diesem Thema nach Zürich ein, um über die Wirkung und die Wirkungsmessung von Corporate Volunteering zu diskutieren. In der Schweiz hat die Freiwilligenarbeit von Privatpersonen eine lange und erfolgreiche Tradition. Die grösste humanitäre Organisation des Landes ist das Schweizerische Rote Kreuz (SRK). Es wurde 1866, also nur drei Jahre nach dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), von General Dufour und Bundesrat Dubs in Bern gegründet. Einer der sieben Grundsätze des IKRK und des SRK ist die Freiwilligkeit – viele Bürgerinnen und Bürger engagierten und engagieren sich in der Schweiz in ihrer Freizeit freiwillig für die benachteiligten Menschen unserer Gesellschaft.
Rückläufige Zahlen bei Menschen, die sich freiwillig einsetzen
Statistiken belegen jedoch, dass in den letzten Jahren die Anzahl Menschen, die sich freiwillig für gemeinnützige Projekte einsetzen, zurückgegangen ist. «Zu viel Stress bei der Arbeit, ein grosses Freizeitangebot, aber auch eine sinkende lokale Verwurzelung» könnten Gründe dafür sein, wie SRK-Präsidentin Annemarie Huber-Hotz in ihrem Vortrag an der Konferenz die heutige Lage beurteilt. In den letzten Jahren wurden in der Privatwirtschaft Massnahmen erarbeitet, die diesen sinkenden Zahlen entgegenwirken könnten: eine davon ist das Corporate Volunteering – Freiwilligenengagement von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden.
Corporate Volunteering: ein Engagement gewinnt an Bedeutung
Der Begriff und das Konzept des Corporate Volunteering stammen aus dem nordamerikanischen Raum. Dort stellte die Privatwirtschaft im Vergleich zu westeuropäischen Ländern schon viel früher Personal für karitative Einsätze zur Verfügung. In der Schweiz ist diese Art sozialen Engagements noch ein junges Phänomen. Mittlerweile unterstützen jedoch immer mehr Grosskonzerne den Einsatz ihrer Mitarbeitenden für gemeinnützige Projekte und Organisationen. Die Credit Suisse erachtet das Mitarbeiterengagement als Teil ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und arbeitet in der Schweiz mit 15 nationalen Partnerorganisationen zusammen, unter anderem auch mit dem SRK (siehe Box). An der zweiten Konferenz zu diesem Thema wird also klar, dass Corporate Volunteering heute bereits ein Teil der Unternehmenskultur einiger Grosskonzerne ist. Vielmehr geht es heute um Fragen der Effizienz, Effektivität, Wirkung und Messbarkeit der von Unternehmen organisierten freiwilligen Arbeit ihrer Mitarbeitenden.
Wirkungsmessung. Wirkungsmessung?
Als Gastreferent für diesen Fragenkomplex konnte Patrick Renz, Experte für Governance, strategisches Management und Unternehmertum und Professor an der Hochschule Luzern, gewonnen werden. Dank über zwanzig Jahren Praxiserfahrung in verschiedenen Führungspositionen in internationalen Unternehmen, aber auch als Leiter verschiedener Entwicklungsprojekte und Nonprofit-Organisationen (NPO), kennt Renz beide Seiten: die profitorientierte Privatwirtschaft und humanitär und karitativ motivierte NPO. An der Konferenz gab Renz eine Einführung in verschiedene Modelle, sogenannte «Impact Measurement Models», mit denen die Wirkung des Mitarbeiterengagements von Unternehmen gemessen werden kann – soweit dies überhaupt möglich ist. Denn: «Obwohl bereits unzählige Schweizer Franken und Dollar in die Wirkungsforschung geflossen sind, gibt es bis heute kein ganzheitliches Modell, das die Wirkung von Entwicklungsarbeit oder auch Corporate Volunteering detailliert und vollständig belegen kann», so Renz. Dies liege nicht daran, dass keine Zahlen vorhanden seien. Es würden jedoch viele Faktoren in eine bestimmte soziale oder wirtschaftliche Situation hineinspielen. Daher bleibe letztlich offen, welchem Faktor welcher Erfolg zuzuschreiben ist, ob beispielsweise dem Corporate Volunteering oder insgesamt verbesserten bzw. veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen; das Problem der Zuweisung oder «attribution» lasse sich beim aktuellen Forschungsstand schlicht nicht lösen. So schloss Professor Renz seinen Vortrag mit der Aufforderung an die Privatwirtschaft, von einer allzu starken Ausrichtung auf die Wirkungsmessung wegzukommen und sich stattdessen weiterhin ernsthaft mit den Inhalten von Corporate Volunteering auseinanderzusetzen.
Eine komplexe Angelegenheit
Corporate Volunteering wird laut Professor Renz aus drei Perspektiven definiert: aus der Sicht der Begünstigten, des Unternehmens und der Mitarbeitenden. Zwischen diesen drei Faktoren besteht eine komplexe Wechselwirkung und die Wellen, die ein Corporate Volunteering Einsatz auslösen kann, sind in ihrer Wirkung in all ihrer Vielschichtigkeit kaum zu erfassen. So empfiehlt es sich – bis der Forschung der Durchbruch vielleicht doch noch gelingt – sich nicht auf eine wissenschaftlich belegte Wirkung zu versteifen, sondern vielmehr das positive Feedback als Grundlage dafür zu nehmen, das Corporate Volunteering in seiner noch jungen Existenz und Entwicklung zu unterstützen. Auch SRK-Präsidentin Huber-Hotz zeigte sich überzeugt, dass Corporate Volunteering ein grosses Potenzial besitzt, das es in der Zukunft noch besser auszuschöpfen gilt: Für die NPO bedeutet die Zusammenarbeit mit Firmen aus der Privatwirtschaft tatkräftige Unterstützung und viele Stunden gemeinnütziger Arbeit für einen guten Zweck. Für die Unternehmen bedeutet es, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen und sich in der Gesellschaft, in der sie ihre Geschäfte tätigen, auch den bedürftigen Menschen oder der gefährdeten Natur Rechnung zu tragen, und für die Mitarbeitenden bedeutet es, ihren persönlichen und professionellen Horizont zu erweitern, was wiederum ihr Umfeld und ihre Arbeit positiv beeinflussen könnte.
Die Gesellschaft kennen, in der wir leben und arbeiten
Dass Corporate Volunteering etwas bewirkt – darin waren sich die Teilnehmenden der Konferenz einig. Wie Annemarie Huber-Hotz betonte, gibt es schliesslich dennoch einen einfach messbaren ökonomischen Nutzen. Die Anzahl Stunden geleisteter Arbeit ergeben hochgerechnet nämlich einen echten volkswirtschaftlichen Wert, der nicht zu unterschätzen ist. «Diese Zahlen sprechen für sich: Die Gesellschaft ist auf freiwillige Arbeit angewiesen; sie ist ein Grundstein für ein funktionierendes Zusammenleben». Auch wenn die Freiwilligenarbeit heute vermehrt mobilisiert wird durch die Privatwirtschaft, ist das ein positives Zeichen dafür, dass sich die Privatwirtschaft seiner Verflechtung mit der Zivilgesellschaft zunehmend bewusst ist. «Wir sind ein weltweit führender Finanzdienstleister. Aber es gibt auch ein Leben ausserhalb klimatisierter Büroräume», erklärte Zahra Darvishi, Leiterin Corporate Citizenship Schweiz bei der Credit Suisse. «Unser Engagement hat letztlich viel mit unserem Geschäft zu tun: Wir wollen langfristig vertrauensvoll arbeiten können. Es gehört zu unserer Überzeugung, dass wir gesellschaftliche Verantwortung übernehmen können und müssen – zum Beispiel, indem wir ein Engagement wie Corporate Volunteering ermöglichen.»
Erst eine Sache des Managements – und dann eine win-win Situation
Professor Renz ist überzeugt davon, dass Corporate Volunteering ehrlich gemeint sein muss – und damit auf die Agenda des Managements gehört. Nur so können langfristige, ehrliche und vertrauensvolle Partnerschaften aufgebaut werden. Eine effiziente Zusammenarbeit ist dabei gefragt. Corporate Volunteering ist nicht nur für die Unternehmen eine Herausforderung; auch die NPO müssen teilweise grossen logistischen Aufwand betreiben und sicherstellen, dass die Volunteers etwas von ihrem Einsatz mit nach Hause nehmen können. So wollen Bedürfnisse und Erwartungen frühzeitig geklärt sein. Wie René Will, Geschäftsführer von PLUSPORT Behindertensport Schweiz (siehe Box) erläutert: «Für uns sind Corporate Volunteering Einsätze eine win-win Situation, aber es gibt viele Fragen, die vorab mit Fingerspitzengefühl geklärt werden müssen. Im Umgang mit Menschen mit Behinderung unbedingt auch die unangenehmen: Ist das Voyeurismus? Werden wir als NPO für ‘whitewashing‘ missbraucht? Oder steht wirklich auch das Management hinter dieser Zusammenarbeit und dem gemeinsamen sozialen Engagement? Denn, da stimme ich Professor Renz uneingeschränkt zu, für Corporate Volunteering Einsätze, die für alle Beteiligten gewinnbringend sind, ist Unterstützung ‘von oben‘ eine absolute Grundvoraussetzung.»
Eine Blick in die Zukunft
Corporate Volunteering in der Schweiz ist noch jung, und ist doch schon viele Schritte gegangen. Allein Credit Suisse Mitarbeitende verrichteten letztes Jahr 560‘450 Stunden Freiwilligenarbeit für gemeinnützige Projekte weltweit. Und dennoch stehen wir in verschiedener Hinsicht noch ganz am Anfang. Professor Renz vergleicht die Entwicklung mit jener von Corporate Governance: «Heute sind Governance-Aspekte ganz selbstverständlich in den OECD Richtlinien integriert. Vor zwanzig Jahren war das noch anders – das ist eine sensationelle Entwicklung. Corporate Volunteering wiederum steht heute an einem Scheideweg. Im schlimmsten Fall wird es von der Privatwirtschaft als Feigenblatt missbraucht. Im besten Fall jedoch wird Corporate Volunteering fester Teil der Unternehmenskultur und damit auch integrativer Bestandteil der Zivilgesellschaft.» (CS/mc/hfu)