Credit Suisse Jugendbarometer 2022: Konjunkturelle Lage und Krieg hinterlassen Spuren – Sicherheitsbedürfnis steigt
Zürich – Die Credit Suisse veröffentlicht das Jugendbarometer 2022 – eine repräsentative Umfrage unter 16- bis 25-Jährigen in der Schweiz, den USA, Singapur und Brasilien.
Während vor zwei Jahren noch die Pandemie sowie gesellschaftspolitische Themen bei den befragten Jugendlichen im Zentrum standen, zeigen die diesjährigen Resultate einen klaren Trend hin zu materiellen Sorgen und einem damit einhergehenden gesteigerten Sicherheitsbedürfnis. In allen untersuchten Ländern möchte eine Mehrheit der Befragten die Ukraine mit humanitärer Hilfe unterstützen.
Das Jahr 2022 ist zweifelsohne stark durch die russische Invasion in der Ukraine geprägt. Der neu entfachte Krieg in Europa beschäftigt die Jugendlichen weltweit, allerdings nicht überall gleich stark. “Auffallend ist, dass die Zukunftszuversicht der jungen Generation deutlich nachgelassen hat, wie das Credit Suisse Jugendbarometer 2022 zeigt. Zudem zeigen die Resultate, dass geopolitische Ereignisse in den von uns untersuchten Ländern sehr unterschiedlich eingeschätzt werden”, sagt Manuel Rybach, Global Head of Public Policy and Regulatory Foresight der Credit Suisse.
Schweizer Jugend am wenigsten besorgt
Während in den USA, in Brasilien und in Singapur jeweils eine deutliche Mehrheit angibt, dass sie der Krieg in der Ukraine beschäftigt, fällt dieser Anteil in der Schweiz mit 48 Prozent deutlich geringer aus. Der Anteil Junger, die nicht sehr besorgt sind, liegt mit 49 Prozent sogar noch etwas höher – und dies, obwohl 61 Prozent der jungen Schweizerinnen und Schweizer befürchten, dass sich der Krieg noch auf weitere Länder ausweiten könnte. In Brasilien liegt dieser Anteil gar bei 81 Prozent. In der Schweiz fällt der Anteil jener, die Verständnis für das Vorgehen Russlands in der Ukraine äussern, mit 24 Prozent so gering aus wie in keinem anderen untersuchten Land. In Brasilien liegt dieser Wert bei 35 Prozent, in den USA (42%) und in Singapur (46%) ist er etwas höher.
Humanitäre statt militärische Hilfe bevorzugt
Doch wie beurteilen die Jugendlichen die politischen Reaktionen und Massnahmen ihrer eigenen Regierungen in den einzelnen Ländern? In der Schweiz ist immerhin die Hälfte sehr oder eher zufrieden mit der hiesigen Politik, um mit der neuen Bedrohung umzugehen. Nur 31 Prozent äussern Unzufriedenheit. Rückt man die politischen Massnahmen in den Fokus, zeigt sich, dass humanitäre Hilfe überall von einer Mehrheit befürwortet wird. In der Schweiz finden sich zudem Mehrheiten für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen (54%) sowie die Unterstützung von Friedensinitiativen humanitärer Organisationen (57%). 44 Prozent der Jugendlichen in der Schweiz finden es äusserst/sehr wichtig, die Neutralität gegenüber Russland und der Ukraine zu wahren.
Benzinpreis löst Pandemie ab
Während bei der letzten Befragung im Jahr 2020 die Corona-Pandemie noch in allen untersuchten Ländern die grösste oder zweitgrösste Sorge der Jugendlichen war, zählen in den USA, in Brasilien und in Singapur neu nur noch rund ein Drittel die Pandemie zu ihren Problemen. In der Schweiz ist sie aus den Top-5 der Sorgen ganz verschwunden. Angeführt wird die Sorgenrangliste bei den Jungen in der Schweiz wie bereits 2020 von der Altersvorsorge (44%), gefolgt vom Klimawandel (31%) und dem gestiegenen Benzin- und Ölpreis (25%). In den USA ist die Kriminalität und öffentliche Sicherheit (41%) neue Top-Sorge, noch vor der unsicheren wirtschaftlichen Lage (36%) und dem Benzin- und Ölpreis (32%). Neu findet sich nach den jüngsten Ereignissen auch die Sorge um Waffenkontrolle in den Top-5 (28%). In Brasilien beschäftigt die Korruption (56%), die Arbeitslosigkeit (47%) sowie die Corona-Krise und ihre Folgen (34%) am meisten. Und in Singapur erachten 29 Prozent das Problem der «Fake News» als grösstes Problem, gefolgt vom Datenschutz und der Corona-Krise (beide 28%).
Wachsende Skepsis
Angesichts der unsicheren geopolitischen Lage und der wachsenden Polarisierung innerhalb der Gesellschaft nimmt auch die Kritik an der Politik zu. Eine Mehrheit der Jugendlichen in den USA (54%) und in Brasilien (83%) ist «eindeutig» oder «eher» der Meinung, die Demokratie in ihrem Land befände sich in einer Krise. In der Schweiz (28%) und in Singapur (41%) fällt dieser Anteil deutlich geringer aus. Allerdings haben auch in diesen Ländern die meisten das Gefühl, dass sich die Demokratien in der Welt generell – ausserhalb des eigenen Landes – in der Krise befänden. In der Schweiz, in Brasilien und in Singapur findet jedoch nach wie vor eine klare Mehrheit, die Demokratie sei die einzig richtige Regierungsform für ein gutes Leben. Anders sieht dies in den USA aus: Nur gerade 39 Prozent teilen dort diese Meinung. Cloé Jans, Leiterin operatives Geschäft von gfs.bern: «Die Erfahrungen der letzten Jahre und die Resultate des diesjährigen Credit Suisse Jugendbarometers zeigen, dass Demokratie und gemeinsame Grundwerte kein Selbstläufer sind. Es braucht Investitionen in politische Bildung, Vertrauen und eine gemeinsame Streit- und Entscheidungskultur. Jetzt ist der Moment, um sicherzustellen, dass auch die nächste Generation an Bord ist».
Anhaltende Trends bei Mediennutzung
Weniger überraschend fallen die Resultate des Jugendbarometers im Bereich der Mediennutzung aus: Der um das Jahr 2015 gestartete Trend hin zu Social-Media-Plattformen wie Instagram und YouTube hat sich weiter verfestigt. In der Schweiz wird neben dem Internet als allgemeinen Spitzenreiter (in allen Ländern) am meisten Zeit auf YouTube und WhatsApp verbracht, gefolgt von Instagram, das im Trend WhatsApp als Kommunikationskanal wohl bald überholen wird. Der Abstieg von Facebook hat sich in der Schweiz nochmals beschleunigt: nur noch 11 Prozent verbringen mindestens 1-2 Stunden täglich auf der Plattform. In den anderen Ländern gehört Facebook zwar schon länger nicht mehr zu den Spitzenreitern, wird aber immerhin noch von deutlich mehr als 30 Prozent täglich genutzt. In den USA liegen Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime neu auf Rang zwei, gefolgt von YouTube und TikTok. Letzteres hat Instagram mit einem bemerkenswerten Aufstieg erstmals überholt. In Brasilien wird WhatsApp am zweitmeisten genutzt, danach folgen Instagram, YouTube und die Streamingdienste. Und auch in Singapur belegen hinter dem Internet unverändert YouTube, WhatsApp und Streamingdienste die weiteren Plätze.
Guter Chef/gute Chefin wichtiger als Home-Office
Fragt man die Jungen nach den wichtigsten Eigenschaften beim Arbeitgeber, zeigt sich in allen vier untersuchten Ländern die gleiche Tendenz: Ein guter Chef/eine gute Chefin sowie ein guter Lohn zählen überall zu den drei wichtigsten Eigenschaften. Toleranz und Grosszügigkeit gegenüber den Mitarbeitenden ist ebenfalls sehr wichtig, und in Brasilien legen die Befragten besonderen Wert auf die Frauenförderung. Diversität im Team oder Umweltfreundlichkeit werden zwar überall von einer Mehrheit als wichtig angesehen, rangieren bei den Prioritäten aber eher im Mittelfeld. Entgegen dem aktuellen Trend finden sich die in den vergangenen Jahren immer wichtiger gewordenen Themen wie Home-Office und flexible Arbeitszeiten bei den Jungen nicht unter den Top-Prioritäten.
Überblick: Die wichtigsten Erkenntnisse des Credit Suisse Jugendbarometers 2022
- Problembewusstsein der Jugendlichen verschiebt sich: Während bei der letzten Befragung im Jahr 2020 die Corona-Pandemie noch in allen untersuchten Ländern die grösste oder zweitgrösste Sorge der Jungen war, zählen in den USA, in Brasilien und in Singapur neu nur noch rund ein Drittel die Pandemie zu ihren Problemen. In der Schweiz ist sie aus den Top-5 der Sorgen ganz verschwunden. Angesichts der geopolitischen Lage ist in allen untersuchten Ländern ein Trend hin zu materiellen und ökonomischen Sorgen zu beobachten. Gesellschaftspolitische Themen sind dagegen etwas in den Hintergrund gerückt.
- Engagement für Umwelt und Gleichberechtigung leicht rückläufig: Im Vergleich zu 2020 hat der Anteil Jugendlicher, die sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen, in allen untersuchten Ländern abgenommen. Auch der 2015 gestartete Trend, sich für den Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen, scheint – ausser in Brasilien – vorerst gebrochen zu sein. Trotzdem fühlen sich im Schnitt über alle vier Länder immer noch 48 Prozent der Jugendlichen der Klimabewegung zugehörig.
- Die grössten Sorgen junger Schweizerinnen und Schweizer: Obwohl noch Jahrzehnte von der Pension entfernt, sehen junge Menschen in der Schweiz wie bereits vor zwei Jahren die Zukunft der Altersvorsorge als das grösste Problem des Landes an (44%). Ob die neusten Abstimmungsresultate daran etwas ändern, wird sich zeigen – der Reformdruck bei der Altersvorsorge dürfte allerdings bestehen bleiben. An zweiter Stelle der Sorgenliste folgt der Klimawandel (31%), gefolgt vom gestiegenen Benzin- und Ölpreis (25%) und der Energiesicherheit (22%). Die Gleichstellung der Geschlechter beschäftigt noch 19 Prozent, während die Corona-Pandemie bei den Jugendlichen in der Schweiz nicht mehr unter den Top-Sorgen ist.
- Kriegssorgen ausserhalb der Schweiz ausgeprägter: Während in den USA, in Brasilien und in Singapur jeweils eine deutliche Mehrheit angibt, der Krieg in der Ukraine bereite ihnen Sorge, fällt dieser Anteil in der Schweiz mit 48 Prozent geringer aus. In allen vier Ländern befürchtet eine deutliche Mehrheit der Jugendlichen, dass sich der Krieg noch auf weitere Länder ausweiten könnte. In der Schweiz äussert nur knapp ein Viertel der Befragten (24%) Verständnis für das Vorgehen Russlands in der Ukraine. In Brasilien (35%), in den USA (42%) und in Singapur (46%) liegt dieser Anteil deutlich höher.
- Humanitäre Hilfe bevorzugt: Bei der Beurteilung politischer, humanitärer und militärischer Massnahmen gegen den Krieg in der Ukraine bevorzugen die Jungen in allen vier Ländern eher passive, humanitäre Massnahmen. Der Ukraine soll primär humanitär im Land selbst geholfen und Friedensinitiativen von humanitären Organisationen unterstützt werden. In der Schweiz und in Brasilien ist eine Mehrheit für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen – in den USA und Singapur ist dies nicht der Fall.
- Demokratie unter Druck: Die Mehrheit der Jugendlichen in den USA und in Brasilien ist «eindeutig» oder «eher» der Meinung, die Demokratie in ihrem Land befände sich in einer Krise. In der Schweiz und in Singapur fällt dieser Anteil geringer aus. Aufhorchen lässt, dass in den USA nur gerade 39 Prozent der Befragten der Meinung sind, die Demokratie sei die einzige richtige Regierungsform für ein gutes Leben.
- Pandemie-Massnahmen im Rückblick: In allen vier Ländern ziehen die Jungen eine ausgeglichene Bilanz über die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie: Auf einer Skala von 0 bis 10 (0 = der Wirtschaft wurde zu stark geschadet; 10 = der Gesundheit wurde zu stark geschadet), liegt der Mittelwert überall nahe bei 5, was bedeutet, dass sich der wirtschaftliche und der gesundheitliche Schaden aus der Perspektive der Befragten die Balance gehalten haben. Auch bezogen auf die Freiheitseinschränkungen werden die Massnahmen überall als angemessen bewertet (alle Werte zwischen 4 und 6).
- Zukunftsoptimismus abnehmend im Trend: Der starke Optimismus und der Glaube an eine bessere Zukunft, der die Generation Y noch geprägt hat, hat deutlich nachgelassen. Über die letzten zehn Jahre nimmt der Anteil jener Jungen, die mit Zuversicht nach vorne blicken, tendenziell ab, wobei die Werte in Singapur am stabilsten sind. In der Schweiz bezeichnen sich nur noch 44 Prozent der Jugendlichen als «eher zuversichtlich» in Bezug auf die eigene Zukunft – 2018 waren es noch über 60 Prozent –, in den USA (41%) und in Singapur (43%) sind es noch weniger. Einzig in Brasilien scheint der Trend wieder etwas zu steigen – neu bezeichnet sich eine knappe Mehrheit von 51 Prozent als «eher zuversichtlich».
- Ungebrochene Medien-Trends: Keine grösseren Überraschungen gibt es bei der Mediennutzung. Der Medienwandel weg von linearen Medien hin zu sozialen Netzwerken schreitet weiter voran. Soziale Medien wie YouTube, Instagram und TikTok sowie Streamingdienste dominieren. Nur Facebook gehört neben den gedruckten Tageszeitungen zu den grossen Verlierern – besonders in der Schweiz, wo die Plattform nochmals an Bedeutung verloren hat. In den USA hat TikTok mit einem bemerkenswerten Aufstieg erstmals Instagram bei der Mediennutzung überholt.
- Zugehörigkeitsgefühl im Wandel: Der Bezug von Jugendlichen zu ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld bröckelt. Während Familien und Freunde weiterhin der grösste Zugehörigkeitsanker sind, nimmt der Bezug zum direkten sozialen Umfeld in allen Ländern systematisch ab. Stattdessen findet eine verstärkte Identifikation mit eher unpersönlichen Gruppen wie der Gesellschaft des eigenen Landes, Kontinentes oder auch mit Online Communities statt.
- Guter Chef/gute Chefin wichtiger als Home-Office: Ein guter Chef/eine gute Chefin sowie ein guter Lohn zählen bei den Jungen überall zu den drei wichtigsten Eigenschaften eines Arbeitgebers. Themen wie Home-Office und flexible Arbeitszeiten sind – entgegen dem aktuellen Trend – vergleichsweise weniger wichtig.
Das Credit Suisse Jugendbarometer 2022 – eine international repräsentative Umfrage
Was die nächste Generation, die Gesellschaft und die Wirtschaft in den kommenden Jahren prägen wird, ist für die Credit Suisse eine zentrale Frage. Mit der Jugendbarometer-Studie will die Credit Suisse deshalb einen Beitrag zur öffentlichen Debatte zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen und zum Dialog insbesondere mit der jungen Generation leisten. Erhoben wird das Jugendbarometer seit 2010 vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Credit Suisse als repräsentative Studie, für die jeweils rund 1‘000 Jugendliche in der Schweiz, Brasilien, den USA und (seit 2013) Singapur im Alter von 16 bis 25 Jahren befragt werden. Das Jugendbarometer gibt Einblick in die Lebensweise, Probleme und Einstellungen der Jugendlichen und trägt aktuellen Ereignissen wie in diesem Jahr beispielsweise dem Krieg in der Ukraine Rechnung. Die Umfrage 2022 wurde im Juni und Juli online durchgeführt.
Die Resultate des Jugendbarometers widerspiegeln auch Entwicklungen, die im Rahmen der Credit Suisse Supertrends identifiziert wurden. Insbesondere der Supertrend «Werte der Millennials» bietet Anknüpfungspunkte an die Studie, die aufzeigt, wie nachhaltige Konsum- und Verhaltensmuster und digitale Apps die jüngere Generation prägen. Auch der Klimawandel – ebenfalls ein Supertrend – steht für viele Jugendliche hoch auf der Agenda und gehört zu den zentralen Komponenten des erstarkten politischen Bewusstseins dieser Generation. Mehr Informationen finden sich unter www.credit-suisse.com/supertrends.
Die Zukunft unserer Jugend und die Nachwuchsförderung sind der Credit Suisse ein wichtiges Anliegen. Nachwuchskräfte erhalten deshalb entsprechende Schulungen, Mentoring und Karriereberatung, um ihnen beim Übergang in eine Vollzeitbeschäftigung zu helfen. Im Schweizer Heimmarkt, wo die Credit Suisse zu den wichtigsten Arbeitgebern gehört, bietet man einer grossen Anzahl junger Menschen diverse Möglichkeiten, in die Bankindustrie einzusteigen. 2021 profitierten bei der Credit Suisse insgesamt 1‘052 Absolventen verschiedener Schulstufen von einem systematischen Ausbildungsprogramm in der Schweiz.
Die detaillierten Auswertungen der Studie, inklusive Infografiken, finden Sie in Deutsch und Englisch unter
www.credit-suisse.com/jugendbarometer (Credit Suisse/mc/ps)