Credit Suisse: Schweizer Wirtschaft wird steigende Zinsen gut verkraften
Zürich – Die Ökonomen der Credit Suisse revidieren ihre Prognose für das Schweizer Wirtschaftswachstum 2018 von 1,7 % auf 2,2 %. Hauptwachstumstreiber sind die Nachfrage aus dem Ausland und die Ausrüstungsinvestitionen. Derweil bleibt der Privatkonsum verhalten, auch weil die Zuwanderung an Dynamik verloren hat.
Die Schweizerische Nationalbank dürfte zwar Anfangs 2019 eine erste Zinserhöhung vornehmen, sie wird die Normalisierung ihrer Geldpolitik aber weiterhin behutsam fortsetzen. In der heute veröffentlichten Ausgabe des «Monitor Schweiz» werden dennoch die Folgen eines allfälligen markanten Zinsanstiegs für die Schweiz analysiert. Gemäss der Studie sollten weite Teile der Wirtschaft trotz des insgesamt hohen Schuldenstands steigende Zinsen gut verkraften können. Die mit höheren Zinsen einhergehenden Risiken betreffen in erster Linie den Immobiliensektor.
«Mini-Boom»
«Die Schweizer Wirtschaft befindet sich in einem Mini-Boom, dies dank der äusserst dynamischen Weltkonjunktur, welche die Exportindustrie beflügelt», erklärt Oliver Adler, Chefökonom Schweiz der Credit Suisse. Gleichzeitig verschafft der gegenüber dem Euro etwas schwächere Schweizer Franken den Unternehmen Luft bei den Margen und Gewinnen. Gemäss Schätzungen der Credit Suisse dürfte die Gewinnsumme der Schweizer Unternehmen 2018 den Einbruch nach der Frankenaufwertung von 2015 mehr als ausgleichen und den Wert von 2010 wieder übertreffen. Die bessere Gewinnsituation, die guten konjunkturellen Aussichten und die hohe Kapazitätsauslastung sollten für ein überdurchschnittliches Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen sorgen. Insgesamt dürfte die Schweizer Wirtschaft 2018 um 2,2 % wachsen, deutlich stärker als im vergangenen Jahr.
Das Wachstum des Privatkonsums wird sich voraussichtlich zwar ebenfalls beschleunigen, aber unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre verharren; zu gering ist das Reallohnplus (+0,2 %) und zu verhalten die Beschäftigungsentwicklung (+1 %). Zudem hat sich die Zuwanderung, der wichtigste Konsumtreiber, merklich abgeschwächt. Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten, dass sie sich 2018 auf dem Niveau von netto 50’000 Zuwanderern stabilisieren wird. Derweil dürfte sich das Wachstum der Bauinvestitionen in diesem Jahr bereits etwas verlangsamen. Zwar sind die Auftragsbestände in der Bauwirtschaft hoch, die steigenden Leerstände werden aber wohl die Bauherren allmählich dazu bewegen, den Fuss vom Gaspedal zu nehmen, auch im Hinblick auf steigende Zinsen.
Erste Zinserhöhung der SNB erst nächstes Jahr zu erwarten
Den ersten Zinsschritt der Schweizerischen Nationalbank (SNB) erwarten die Ökonomen der Credit Suisse im März 2019. Letztmals erhöhte die SNB ihr Leitzinsband um 25 Basispunkte im Jahr 2007. Die Nationalbank dürfte die Normalisierung der Geldpolitik im Einklang mit der Europäischen Zentralbank (EZB) behutsam fortsetzen. Ein nur langsamer Anstieg des Zinsniveaus hierzulande ist deshalb wahrscheinlich, argumentieren die Ökonomen der Credit Suisse. Auch ein stärkerer Anstieg bleibt aber ein ernstzunehmendes Szenario, das die Ökonomen der Credit Suisse in der heute erschienenen Ausgabe des «Monitor Schweiz» vertieft analysieren. «Entgegen gängigen Ansichten ist der Schuldenstand in der Schweiz im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung mit knapp 250 % ähnlich hoch wie in Italien, in den USA oder in China», bringt Oliver Adler die Relevanz der Analyse auf den Punkt.
Rekordhohe Hypothekarschulden; rekordtiefer Schuldendienst der Haushalte
Die Verteilung der Schulden unterscheidet sich hierzulande deutlich von derjenigen im Ausland. Während die Staatsverschuldung der Schweiz im globalen Vergleich zu den tiefsten zählt und auch die Unternehmen (ohne Banken) vergleichsweise wenig verschuldet sind, ist die Verschuldung der Privathaushalte rekordhoch. Die Schulden der Schweizer Privathaushalte bestehen vor allem aus Hypothekarschulden: Den über CHF 730 Mia. an Hypothekarschulden – mehrheitlich bei Schweizer Banken – stehen Immobilien im Gegenwert von mehr als CHF 1’900 Mia. gegenüber.
Trotz der hohen Privatverschuldung ist der Anteil des Einkommens, der von den Haushalten für Zinszahlungen aufgewendet werden muss, derzeit so gering wie noch nie, weil die Hypothekarsätze auf historische Tiefstände gesunken sind. Die Hebelwirkung eines Zinsanstiegs auf die Haushaltsbudgets ist allerdings beträchtlich, wie Berechnungen zeigen. Wären die durchschnittlichen Hypothekarsätze heute so hoch wie 2007 (3,3 %), müssten die Eigentümerhaushalte doppelt so viel Geld für den Schuldendienst aufwenden wie heute. Wäre das Zinsniveau sogar so hoch wie zu Spitzenzeiten in den 1990er-Jahren (7,8 %), wäre der Schuldendienst fünfmal höher.
Privatkonsum von den Zinsänderungen kaum beeinflusst
Trotz der Relevanz des Zinssatzes für die Budgets der Hauseigentümerhaushalte zeigt eine Analyse im «Monitor Schweiz», dass der private Konsum insgesamt kaum auf Zinsänderungen reagiert – seine «Zinselastizität» ist gering. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Der grosse Anteil an Fix-Hypotheken sowie die verhältnismässig geringe Hauseigentümerquote spielen ebenso eine Rolle, wie die statistische Definition, dass Hypothekarzinszahlungen selber in die Konsumausgaben einfliessen. Gemäss den Ökonomen der Credit Suisse ist dann auch durchaus mit einer geringeren Nachfrage bei einigen Konsumgütern, wie beispielsweise Autos oder Detailhandelsausgaben, zu rechnen. Auch Investitionsentscheide von Unternehmen werden gemäss der Analyse kaum von Veränderungen im Zinsumfeld beeinflusst. Den Finanzierungsbedingungen (u.a. dem Zinsniveau) kommt bei Investitionsentscheiden in Ausrüstungen (Software, IT usw.) und Maschinen oft nur eine zweitrangige Bedeutung zu, wie eine frühere Umfrage der Credit Suisse bei KMU bestätigt. Hingegen sind die Bauinvestitionen die Nachfragekategorie mit der ausgeprägtesten – und negativen – Zinselastizität.
Die Ökonomen der Credit Suisse orten denn das Kernrisiko steigender Zinsen im Immobilienmarkt: Höhere Zinsen erzeugen Druck auf Immobilienwerte und sie treiben gleichzeitig die Finanzierungskosten nach oben. Wo die Tiefzinsphase zu überhöhter Verschuldung verleitet hat, können Hebelwirkungen entstehen. Angesichts der seit der Finanzkrise von Behörden und Banken getroffenen Vorsichtsmassnahmen scheint das Risiko negativer gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen im Urteil der Ökonomen der Credit Suisse allerdings begrenzt zu sein.
Höhere Zinsen sind gesamtwirtschaftlich zu betrachten
In weiteren Spezialbeiträgen im «Monitor Schweiz» wird gezeigt, dass private wie auch institutionelle Anleger bei einem Zinsanstieg zwar vorübergehend mit Rückschlägen auf ihren festverzinslichen Anlagen rechnen müssten, ein ausgewogenes Portfolio sich aber gut halten sollte. Ausserdem dürfte ein Zinsanstieg tendenziell die Erträge sowohl von Banken als auch anderen Finanzinstituten stützen. Dies würde helfen, die allfälligen negativen Auswirkungen vom Immobilienmarkt auf die Gesamtwirtschaft abzufedern. (Credit Suisse/mc/ps)
Die Publikation «Monitor Schweiz» wird quartalsweise publiziert und ist im Internet in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar unter:
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