Zürich – Zwei Jahre nach der Aufhebung des EUR/CHF-Mindestkurses ist die Erholung allmählich auch in einer der bedeutendsten Schweizer Exportbranchen angekommen. Die Ökonomen der Credit Suisse gehen in ihrem heute veröffentlichten «Branchenhandbuch» davon aus, dass die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) 2017 zum ersten Mal seit dem Währungsschock von Anfang 2015 wieder leicht wächst. Der nach wie vor starke Franken stellt aber insbesondere für kleinere Industrie-KMU weiterhin eine Herausforderung dar. Von den Binnenbranchen am dynamischsten dürften sich die Unternehmensdienstleister und staatsnahe Branchen wie das Gesundheitswesen entwickeln. Mittelfristig attestieren die Ökonomen der Credit Suisse aufgrund verschiedener Megatrends wie der Digitalisierung und der demografischen Alterung insbesondere den IT-Dienstleistern und den Branchen Pharma, Gesundheitswesen und Medizintechnik ein überdurchschnittliches Wachstumspotenzial.
Wie das von den Ökonomen der Credit Suisse heute veröffentlichte «Branchenhandbuch» zeigt, hat die Schweizer Wirtschaft den Frankenschock von Anfang 2015 mehrheitlich überwunden. Allerdings ist die Erholung noch nicht vollständig in allen Branchen angekommen. Ein geteiltes Bild zeigt die Exportindustrie: Auf der einen Seite wuchsen 2016 die pharmazeutisch-chemische Industrie und die Medizintechnik sehr dynamisch. Auf der anderen Seite waren die Ausfuhren der MEM-Industrie weiterhin leicht rückläufig. Äusserst schlecht verlief das Jahr für die Uhrenindustrie. Mit einem Exportrückgang von über 10% erlebte die Branche 2016 ihr schwierigstes Jahr seit der Krise 2009. Unterschiede gab es 2016 nicht nur zwischen den Branchen, sondern auch zwischen KMU und Grossfirmen. Während grössere Industriebetriebe den Frankenschock mehrheitlich verdaut haben, litten viele kleinere Industrie-KMU weiterhin unter verminderter preislicher Wettbewerbsfähigkeit und gedrückten Margen.
MEM-Industrie wächst 2017 zum ersten Mal seit Frankenschock wieder
2017 dürfte sich die Schere in den Exportbranchen weiter schliessen, wenn auch nicht ganz. Die Ökonomen der Credit Suisse rechnen damit, dass die Exporte der MEM-Industrie nach den Rückgängen der beiden letzten Jahre 2017 wieder leicht ansteigen – insbesondere diejenigen des Maschinenbaus. Die wichtigsten Treiber dieser Erholung sind die solide Konjunktur in den Abnehmerländern und die Stabilisierung des Frankenkurses. Die stärker binnenorientierte Metallindustrie dürfte zwar einerseits von der Stabilisierung des Baugewerbes profitieren, anderseits bleibt der Preis- und Importdruck hoch. Die positive Dynamik dürfte sich 2017 vermehrt auf kleinere KMU der MEM-Industrie übertragen, auch wenn viele unter ihnen die Last der strukturellen Frankenstärke weiterhin stärker spüren als international diversifizierte Grossunternehmen. Demgegenüber rechnen die Autoren des Branchenhandbuchs nicht damit, dass der Uhrensektor bereits im laufenden Jahr wieder wächst. Verschiedene Faktoren, welche die Uhrenindustrie 2016 belasteten, dürften 2017 weiterhin Bestand haben – insbesondere die Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung des Tourismus in Europa in Folge der Angst vor Terroranschlägen. Die chemisch-pharmazeutische Industrie und die Medizintechnik werden hingegen laut den Prognosen der Credit Suisse aller Voraussicht nach 2017 wieder von einer robusten globalen Nachfrage nach Gesundheitsgütern profitieren und massgeblich zum Wachstum der Schweizer Exporte beitragen. Für die Hotellerie rechnen die Ökonomen der Credit Suisse mit einer Stabilisierung. Die Logiernächte könnten unter Umständen sogar leicht wachsen.
Detailhandel stabilisiert sich, weiteres Wachstum im Gesundheitsbereich
Für den binnenorientieren Detailhandel rechnen die Ökonomen der Credit Suisse 2017 mit einer allmählichen Stabilisierung der Umsätze. Im Vergleich zu den Rückgängen in den beiden Vorjahren bedeutet dies zumindest eine Entspannung. Zwar dürfte der Einkaufstourismus nicht mehr zunehmen, allerdings wird der Onlinehandel weiter wachsen, was den stationären Handel belastet. Insgesamt dürfte der Privatkonsum aufgrund des tieferen Bevölkerungswachstums, der stagnierenden Kaufkraft und der unterdurchschnittlichen Konsumentenstimmung nur verhalten wachsen.
Die sich abschwächende Bevölkerungszunahme wirkt sich auch bremsend auf die Nachfrage nach Wohnraum aus, was die Risiken für das Bau- und Immobilienwesen sowie weitere baunahe Bereiche wie Architekturbüros in der mittleren Frist steigen lässt. 2017 bleiben gemäss den Prognosen der Credit Suisse die Umsätze des Baugewerbes aber hoch, da angesichts des Tiefzinsumfelds rege in Immobilien investiert wird. Im Zuge dessen wird sich auch das Ausbaugewerbe nach einem schwachen 2016 voraussichtlich wieder erholen.
Die Ökonomen der Credit Suisse erwarten zudem, dass das staatsnahe Gesundheits-, Sozial- und Unterrichtswesen aufgrund der bestehenden demografischen Treiber 2017 weiter wächst. Die Dynamik dürfte aber erneut unter dem langfristigen Durchschnitt liegen. Bremsend wirken die in verschiedenen Kantonen weiterhin angespannten öffentlichen Finanzen bzw. die damit verbundenen Sparmassnahmen. In anderen binnenorientierten Branchen (wie z.B. der Lebensmittelindustrie, der Telekommunikationsbranche oder dem Druck- und Verlagswesen) verhindert die wenig dynamische Entwicklung des Privatkonsums ein starkes Wachstum. Unternehmensdienstleister wie Anwälte und Berater wiederum dürften 2017 weiterhin von den gestiegenen Anforderungen an Regulierung und Compliance besonders in der Finanzbranche profitieren, die IT-Dienstleister von der voranschreitenden Digitalisierung.
Mittelfristige Aussichten für gesundheitsnahe Branchen und IT am besten
Mittelfristig, das heisst für die kommenden drei bis fünf Jahre, attestieren die Ökonomen der Credit Suisse der Informatikbranche das höchste Potential. In ihrer branchenübergreifenden Chancen-Risiken-Bewertung, welche auf einer Analyse der wichtigsten Wachstumstrends und Risiken basiert, stufen sie die IT-Dienstleister als stark überdurchschnittlich ein, da die Branche vom technologischen Fortschritt und der zunehmenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft profitiert. Ebenfalls überdurchschnittlich bewerten die Ökonomen der Credit Suisse das Gesundheitswesen, die Pharmaindustrie und die Medizintechnik. Gepaart mit dem medizinisch-technologischen Fortschritt führt die zunehmende Alterung in den Industrieländern zu einem stetigen Anstieg der Nachfrage nach den Diensten und Produkten dieser Branchen.
Die Digitalisierung führt aber nicht nur zu Gewinnern. So erhält die Druck- und Verlagsbranche wie in den Vorjahren auch 2017 eine stark unterdurchschnittliche Chancen-Risiken-Bewertung. Ebenfalls unterdurchschnittlich fällt die mittelfristige Bewertung für viele exportorientierte Industriebranchen aus, welche nach wie vor mit den strukturellen Auswirkungen des starken Frankens zu kämpfen haben. (CS/mc/ps)