Zürich – Die Schweizer Wirtschaft wird 2018 gemäss Prognosen der Credit Suisse mit 2,7 % überdurchschnittlich stark wachsen. Der hohe Wachstumswert ist jedoch auf ein perfektes Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen, das sich 2019 kaum wiederholen wird. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich daher im kommenden Jahr unter die Marke von 2 % abschwächen. In der heute veröffentlichten Ausgabe des «Monitor Schweiz» zeigen die Ökonomen der Credit Suisse zudem auf, dass die Löhne in der Schweiz in den nächsten Jahren wieder etwas stärker ansteigen sollten. Die Lohnsumme wird im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt jedoch eher stagnieren.
Die Ökonomen der Credit Suisse prognostizieren für 2019 ein Wachstum von 1,7 %. Im Vergleich zu der für dieses Jahr erwarteten Zunahme von 2,7 % (revidiert von 2,2 %) erscheint der Wachstumsausweis auf den ersten Blick mager. Ein Teil der Abschwächung ist indes dem Umstand geschuldet, dass im kommenden Jahr keine internationalen Sportgalas stattfinden, deren Lizenzeinnahmen aufgrund des Hauptsitzes zahlreicher internationaler Sportverbände dem Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) zugerechnet werden.
Derweil präsentiert sich die Ausgangslage für den Exportsektor nicht mehr ganz so vorteilhaft wie vor einem Jahr: Das Exportbarometer der Credit Suisse, welches das Nachfragepotential für Schweizer Güter im Ausland misst, ist jüngst jedenfalls deutlich gesunken. Gleichzeitig wurden die Unternehmen während eineinhalb Jahren positiv von der Abwertung des CHF überrascht, wie die Ökonomen der Credit Suisse mittels Umfragedaten zeigen. Mittlerweile hat der CHF aber mehrere Aufwertungsschübe hinter sich und eine rasche Abwertung ist nicht zu erwarten. Die bis vor kurzem bestehende Überauslastung in der Industrie scheint auch bereits abzunehmen. Insgesamt dürften 2019 sowohl die Exporte als auch die Investitionen in Maschinen und Ausrüstung rege bleiben, aber schwächer ausfallen als in diesem Jahr. Auch bei den Bauinvestitionen erwarten die Ökonomen der Credit Suisse eine Abnahme des Wachstums. Ausschlaggebend sind dabei das steigende Überangebot auf dem Wohnungsmarkt und die allmählich dünner werdenden Auftragsbücher im Hoch- und Tiefbau.
Der private Konsum dürfte 2019 solide, wenn auch weiterhin vergleichsweise verhalten zunehmen. Die Arbeitsmarktlage hat sich jüngst zwar deutlich verbessert und die Verbesserung ist breit abgestützt. Die Zuwanderung hat sich mittlerweile aber auf tieferem Niveau stabilisiert – zusätzliche Wachstumsimpulse dieses bislang wichtigsten Wachstumstreibers sind demnach nicht zu erwarten. Hinzu kommt, dass die ständigen Negativschlagzeilen aus dem Ausland den Haushalten aufs Gemüt schlagen, was einer Verbesserung der Konsumentenstimmung Grenzen setzt. Das Lohnwachstum wiederum wird sich vorerst nur schwach beschleunigen; die Ökonomen der Credit Suisse rechnen für 2019 mit einer Nominallohnerhöhung um 1%. Nach Abzug der erwarteten Teuerung von 0,7 % bleibt ein Kaufkraftgewinn von 0,3 %.
Tiefe Inflationserwartungen und Zurückhaltung begrenzen den Lohnanstieg
Seit der Finanzkrise bis heute hat sich das Nominallohnwachstum beinahe halbiert. Zudem scheinen die Nominallöhne weniger stark auf eine sinkende Arbeitslosenquote zu reagieren als früher. Als Hauptgrund für diese Entwicklung sehen die Ökonomen der Credit Suisse die gesunkenen Inflationserwartungen. Inwiefern Faktoren wie die Automatisierung, die Digitalisierung oder Auslagerung die Löhne prägen, ist demgegenüber schwer abzuschätzen. So erhöhen Automatisierung und Digitalisierung zwar den Druck auf gewisse Arbeitsplätze und damit auf die Löhne, steigern aber gleichzeitig das allgemeine Lohnniveau, indem neue Jobs in Hochlohngebieten geschaffen werden. Unklar ist auch, inwiefern sich die Migration auf die Schweizer Löhne ausgewirkt hat.
Die Ökonomen der Credit Suisse finden zudem klare Indizien für eine in der Schweiz tief verankerte Lohnzurückhaltung: Demnach bleibt der theoretisch zu erwartende lohnpolitische Verteilungsspielraum systematisch ungenutzt. Die Beschäftigten in der Schweiz scheinen generell bereit zu sein, kurzfristig auf maximale Lohnerhöhungen zu verzichten, um das Risiko einer Erwerbslosigkeit zu reduzieren und so langfristig den Wohlstand zu sichern. Die Lohnzurückhaltung sowie die gute Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften waren gemäss den Ökonomen der Credit Suisse auch wichtige Gründe für den trotz Rezession und Frankenaufwertungsschock verhältnismässig starken Beschäftigungsaufbau seit der Finanzkrise. Das Beschäftigungswachstum war dabei nicht nur der zentrale Treiber für das solide Wirtschaftswachstum, sondern auch mitverantwortlich dafür, dass der Anteil an der gesamten Wirtschaftsleistung, der als Löhne ausbezahlt wird, auf einen Rekordstand kletterte.
Weiter vorwärtsblickend scheint es nur schon aus demographischen Gründen wahrscheinlich, dass das Beschäftigungswachstum in der Schweiz eher abflachen wird, gehen doch die Babyboomer in Pension. Entsprechend müsste das Wirtschaftswachstum wieder vermehrt durch Produktivitätssteigerungen generiert werden. Sollte dies gelingen, würden die Löhne wieder nachhaltig und deutlich zu steigen beginnen. In Anbetracht der hierzulande substanziellen Hürden für ein schnelleres Produktivitätswachstum – deren Senkung beispielsweise Liberalisierungen im Binnensektor bedingen würde – gehen die Ökonomen der Credit Suisse aber von einer vergleichsweise nur leichten Beschleunigung des Lohnwachstums aus. Ein teuerungsbereinigtes Kaufkraftplus von durchschnittlich 1 % scheint über die kommenden fünf Jahre aber durchaus realistisch zu sein.
Erste SNB-Zinserhöhung im Herbst 2019
In einem weiteren Beitrag im Monitor Schweiz werden die Gründe dafür analysiert, warum die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Lage am Devisenmarkt in ihren geldpolitischen Lagebeurteilungen seit einem Jahr jeweils als «fragil» bezeichnet. Auch in ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung am 20. September 2018 dürfte die SNB äusserst vorsichtig vorgehen, um keinen zusätzlichen Aufwertungsdruck auf den CHF auszulösen. Entsprechend gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass nochmals ein Jahr vergehen wird, bis die SNB einen ersten Zinsschritt vornimmt. Gleichzeitig dürfte die SNB aber von Devisenkäufen absehen, zumindest, solange der CHF nicht deutlich aufwertet und EUR/CHF unter 1,10 fällt. (Credit Suisse/mc/ps)
Die Publikation «Monitor Schweiz» wird quartalsweise publiziert und ist im Internet in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar unter: www.credit-suisse.com/monitorschweiz