CS Sorgenbarometer: Altersvorsorge verdrängt Arbeitslosigkeit an der Spitze
Zürich – Die Altersvorsorge bereitet den Schweizerinnen und Schweizern am meisten Sorge, für ihre Sicherung erwartet die Bevölkerung konsensorientierte Lösungen von der Politik. Dies zeigt das Credit Suisse Sorgenbarometer 2018. Im Generellen liegen die vordringlichsten Probleme der Schweizer Stimmbevölkerung bei inländischen Themen. Die eigene Arbeitsstelle schätzen die Befragten als sicher ein und die Arbeitslosigkeit gehört erstmals seit der Krise der Neunzigerjahre nicht mehr zu den fünf dringendsten Problemen der Schweiz.
Die Credit Suisse hat auch dieses Jahr das Forschungsinstitut gfs.bern beauftragt, die Schweizerinnen und Schweizer nach ihren Sorgen und nach wesentlichen Identitätsmerkmalen des Landes zu befragen. Nachdem die Arbeitslosigkeit über viele Jahre hinweg die grösste Sorge war und 2017 von der Altersvorsorge auf Platz zwei verdrängt wurde, folgt mit einem Minus von 22 Prozentpunkten in diesem Jahr ein regelrechter Einbruch für die Sorge Arbeitslosigkeit. Sie rangiert neu auf Platz 6 der grössten Sorgen.
Altersvorsorge sowie Gesundheit/Krankenkassen rangieren mit 45 %, beziehungsweise 41 % der Befragten auf den Plätzen eins und zwei der wichtigsten Sorgen der Schweiz. Mit einem Plus von 15 Prozentpunkten hat das Thema Gesundheit/Krankenkassen gegenüber dem Vorjahr am stärksten zugelegt. Auch auf die Frage nach dem wichtigsten politischen Ziel ist die häufigste Antwort die AHV/Altersvorsorge. In diesem Zusammenhang nennen sie 15 % der Befragten.
«Die Altersvorsorge steht unbestritten an erster Stelle der Dinge, welche die Politik anpassen muss. Die Bevölkerung erwartet dabei klare, konsensorientierte Lösungen», sagt Lukas Golder, Co-Leiter von gfs.bern, welches das Credit Suisse Sorgenbarometer seit 1995 erhebt.
«Mit dem Aufstieg des Themas Gesundheit/Krankenkasse zur zweitwichtigsten Sorge fällt auf, dass innenpolitische Themen in der Sorgenwahrnehmung der Schweizerinnen und Schweizer eine sehr prominente Rolle einnehmen. Bemerkenswert ist auch, dass die Umweltthematik dieses Jahr unter die Top 5 der Sorgen zurückgekehrt ist», sagt Manuel Rybach, Global Head of Public Affairs and Policy der Credit Suisse.
Hinter den Themenkomplexen Altersvorsorge und Gesundheit reihen sich die Sorgen rund um die Migration ein. Vor allem die Sorge Flüchtlinge/Asyl (31 %) hat gegenüber 2017 an Dringlichkeit gewonnen (plus 12 Prozentpunkte) und liegt auf Platz 4 der Sorgenrangliste. Die Sorge rund um das Thema Ausländer (37 %) nahm um 2 Prozentpunkte zu und verbleibt auf Platz 3.
Altersvorsorge: Ein gesamtgesellschaftliches Problem
Die Spezialauswertung der Umfrage zur Altersvorsorge zeigt, dass die Befragten die Hauptsorge AHV/Altersvorsorge als gesamtgesellschaftliches Problem betrachten. 86 % der Schweizerinnen und Schweizer sind der Meinung, dass alle einen Beitrag zur Sicherung der Vorsorge leisten müssen. Überzeugt sind die Befragten vom Drei-Säulen-Modell: 72 % finden, dass dieses gut funktioniert und so bleiben soll, wie es ist. Insgesamt ist die Zufriedenheit mit der dritten Säule am höchsten (50 %). Zweite und erste Säule erreichen Werte von 44 %, beziehungsweise 42 %.
Was die zu treffenden Massnahmen zur Sicherung der Altersvorsorge betrifft, stimmen 60 % der Schweizerinnen und Schweizer einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 % über die nächsten 5 Jahre zu. Die Flexibilisierung des Rentenalters nach der Lebenserwartung wird von 52 % als akzeptabler Lösungsansatz betrachtet und 48 % sprechen sich für die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre aus. Relativ tiefe Zustimmung erhalten Massnahmen wie die Kürzung bestehender Renten (18 %) oder die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre (17 %).
Digitalisierung verursacht wenig Jobverlustängste
Die aktuelle Diskussion über den Wegfall von Stellen durch die Digitalisierung scheint kaum Einfluss auf die Wahrnehmung der Schweizer Stimmbevölkerung zu haben. So wird im Vergleich zum Vorjahr nicht nur die Arbeitslosigkeit von deutlich weniger Befragten als Sorge empfunden. Auch halten es 75 % der Schweizerinnen und Schweizer für unwahrscheinlich, dass ihr Job in den nächsten 20 Jahren durch einen Roboter, neue Technologien oder intelligente Software automatisiert werde. Insgesamt schätzen 85 % der Befragten ihren eigenen Arbeitsplatz als sehr sicher oder eher sicher ein.
Vertrauen: Sicherheit gewinnt, Gratiszeitungen und Internet verlieren
Die Schweizer vertrauen ihren Institutionen wie kaum ein anderes Volk. 61 % vertrauen dem Bundesrat, während das Vertrauen in die jeweilige Regierung in OECD-Ländern durchschnittlich bei 43 % liegt. Die grössten Verlierer in der Vertrauensrangliste sind das Internet und Gratiszeitungen (beide minus 19 Prozentpunkte), gefolgt von der EU (minus 16 Prozentpunkte) und politischen Parteien (minus 13 Prozentpunkte). Zu den grössten Vertrauensgewinnern gehören Sicherheitsinstitutionen wie Polizei und Armee, deren Vertrauen um je 14 Prozentpunkte gestiegen ist. Die Polizei liegt damit neu auf Platz eins der vertrauenswürdigsten Institutionen – zusammen mit dem Bundesgericht, das um vier Prozentpunkte zulegen konnte. Beide Institutionen werden von 70 % der Stimmbürger als vertrauenswürdig erachtet.
Nationales Zugehörigkeitsgefühl und Interesse an Politik steigen
Trotz eines Rückgangs um 11 Prozentpunkte gegenüber 2017 hält sich der Nationalstolz der Schweizerinnen und Schweizer auf vergleichsweise hohem Niveau: 79 % der Befragten sind stolz, Schweizerin oder Schweizer zu sein. Auch das nationale Zugehörigkeitsgefühl ist nach wie vor stark ausgeprägt. Gefragt, welcher geografischer Einheit sich die Stimmberechtigten in erster und zweiter Linie zugehörig fühlen, geben 53 Prozent die Schweiz an, gefolgt vom Wohnkanton (48 %) und der Wohngemeinde (35 %). Ein europäisches Zugehörigkeitsgefühl ist in der Schweiz nicht ausgeprägt. Nur gerade 17 % fühlen sich in erster oder zweiter Linie Europa zugehörig und lediglich 16 % sehen sich als Weltbürger.
Trotz des sinkenden Vertrauens in politische Parteien gibt es für die Schweizer Politik auch positive Nachrichten: 29 % interessieren sich „sehr“ und weitere 45 % „eher“ für politische Fragen. Das Interesse an Politik war noch nie so hoch wie in diesem Jahr. Den Bürgerinnen und Bürgern scheint bewusst, dass grosse Fragen anstehen, und sie sind offensichtlich bereit, an deren Lösungen mitzuarbeiten.
Wirtschaftliche Lage: Bedenken um neue Armut nehmen zu
Gegenüber dem letzten Jahr stufen deutlich mehr Befragte die hiesige Wirtschaftslage im Vergleich zum Ausland als sehr gut ein. 96 % der Befragten beurteilen die Wirtschaftslage als „eher gut“ bis „sehr gut“. Nur drei Prozent sind der Meinung, um die Schweizer Wirtschaft stehe es „eher schlecht“. Die eigene wirtschaftliche Lage wird von 92 % als „recht gut“, „gut“ oder sogar „sehr gut“ bezeichnet. Dies passt zu den Antworten auf die Frage, wie zufrieden die Befragten mit ihrem Leben sind. Auf einer Skala von 0 bis 10 geben 89 % ihrem Leben eine Note von 5 oder höher und 42 % die Note 8 und mehr. Zur sozialen Stellung beziehungsweise zur Frage, wie sich die hiesige Gesellschaft zusammensetzt, gibt es ein Resultat, das bemerkenswert ist: 23 % Prozent ordnen sich selber im unteren Teil der Gesellschaft ein. Dazu passt, dass Löhne (15 %) und Neue Armut (18 %) dieses Jahr von mehr Menschen zu den grössten Sorgen gezählt werden, jeden Sechsten beschäftigen also trotz der guten Konjunktur materielle Sorgen.
Übersicht: Die wichtigsten Erkenntnisse des Credit Suisse Sorgenbarometer 2018
- Die grösste Sorge der Schweiz ist die AHV/Altersvorsorge, finden 45 % der Schweizerinnen und Schweizer. Welches politische Ziel ist prioritär zu behandeln? Auch da lautet die meistgenannte Antwort die AHV.
- Hinsichtlich der Altersvorsorge sind 86 % der Befragten der Meinung, dass alle einen Beitrag zur Sicherung dieser Institution leisten müssen. Überzeugt sind die Befragten vom Drei-Säulen-Modell: 72 % finden, dass dieses gut funktioniert und so bleiben soll, wie es ist. 60 % der Schweizerinnen und Schweizer würden einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 % über die nächsten 5 Jahre zustimmen.
- Mit 41 % liegt das Thema Gesundheit/Krankenkassen neu auf Platz zwei der Sorgenrangliste. Das Thema verzeichnet mit einem Plus von 15 Prozentpunkten den grössten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr. Bei der Frage nach den politischen Zielen, die prioritär zu behandeln sind, liegt Gesundheit/Krankenkassen mit 13 % ebenfalls auf Platz 2.
- Die Arbeitslosigkeit war von 2003 bis 2016 ununterbrochen das grösstes Problem der Schweiz. Letztes Jahr wurde sie von der Altersvorsorge auf Platz zwei verdrängt und erlebte in den letzten zwölf Monaten einen regelrechten Einbruch: Gegenüber 2017 verlor die Arbeitslosigkeit als Sorge 22 Prozentpunkte und liegt neu mit 22 % auf Platz sechs der Sorgenrangliste.
- Die Vertrauensrangliste wird zum vierten Mal in Folge vom Bundesgericht angeführt (70 %, plus 4 Prozentpunkt gegenüber 2017). Dieses muss sich den ersten Platz allerdings mit der Polizei teilen, welche einen bemerkenswerten Vertrauensgewinn von 14 Prozentpunkten verzeichnen konnte. Im selben Mass zugelegt hat auch das Vertrauen in die Armee, welche zusammen mit der Schweizerischen Nationalbank auf Platz zwei liegt (beide 63 %).
- Der Stolz der Schweizerinnen und Schweizer auf ihr Land erfährt dieses Jahr einen Rückgang, verbleibt aber auf vergleichsweise hohem Niveau: 2004 waren 73 % der Befragten „stolz“ oder „sehr stolz“ auf ihr Land, 2010 waren es 82 %, im letzten Jahr waren es gar 90 %. In diesem Jahr sind noch 79 % stolz, Schweizerin oder Schweizer zu sein.
- Die eigene wirtschaftliche Lage wird von 92 % als „recht“, „gut“ oder sogar „sehr gut“ bezeichnet. Dies passt zu den Antworten auf die Frage, wie zufrieden die Befragten mit ihrem Leben sind. Auf einer Skala von 0 bis 10 geben 89 % ihrem Leben eine Note von 5 oder höher und 42 % die Note 8 und mehr.
(Credit Suisse/mc/ps)