Der Beitrag des Schweizer Tennis zum BIP
Von Dr. sc. ec. (PhD) Edoardo Beretta, Università della Svizzera italiana (USI). (Foto: zvg)
Dass das Stichwort „Sport“ schon seit Jahrzehnten nicht mehr nur mit „Freizeit“ assoziiert werden kann, ohne seine Wichtigkeit grundlegend zu bagatellisieren, zeigen wissenschaftliche Studien in wiederkehrender Deutlichkeit. In einem Bericht des Bundesamtes für Sport (BASPO) aus dem Jahre 2017, der die Basisstudie für das Jahr 2005 zur gesamtwirtschaftlichen Relevanz von Sport in der Schweiz zum vierten Mal aktualisiert hat, wird beispielsweise auf den Anteil am BIP (1,6 Prozent) sowie an der Gesamtbeschäftigung (2,4 Prozent) der Schweiz [1] hingewiesen. Noch greifbarer formuliert bedeuten solche Zahlen einen für das Jahr 2014 geschätzten Umsatz von 20,7 Milliarden CHF, eine Bruttowertschöpfung von 10,3 Milliarden CHF sowie 94.400 vollzeitäquivalente Stellen (VZÄ). Ein solches Ergebnis lässt sich natürlich sehen, aber es stammt nicht von irgendwoher. Es stellt vielmehr das logische Resultat jahrzehntelanger Investitionen in die Sportindustrie, die heute auf funktionierende Anlagen und Angebote zählen kann. Davon profitiert das Schweizer Bruttoinlandsprodukt genau so sehr.
Es gibt dennoch einen weiteren Faktor, der zweifellos schwer messbar, aber allen Nationen mit bedeutenden Sportgrössen gemein ist. Er lässt sich zuerst mit der „Aufzucht“ und später Konsolidierung internationaler Champions beschreiben, die die Marke „Schweiz“ weltweit vertreten. Von eben diesem nationalen „Gesamtimage“ (das sich natürlich vor allem aus Infrastruktur, Produktivität und Sozialsystemen sowie nicht zuletzt den einzelnen Individuen ergibt) geht Jahr für Jahr das so genannte „Bruttoinlandsprodukt“ alias BIP hervor. Laut Definition ist es als „Summe der durch die ansässigen Wirtschaftsakteure erbrachten Wertschöpfung“[2] zu verstehen. Schweizer Tennishelden steuern mit ihrer individuellen Verdienstquote beispielsweise zum jährlich dazukommenden Bruttowert der Schweizer Gesamtwirtschaft bei. Ob das Bruttoinlandsprodukt (wie von heterodoxen Ökonomen häufig kritisiert) tatsächlich als wirtschaftlicher Massstab aller Dinge fungieren sollte – indem es den Wert aller Tätigkeiten weiterhin nur von deren geldlicher Entlohnung abhängen lässt und ehrenamtliches sowie häusliches Engagement dementsprechend nicht einpreist −, scheint mehr als fraglich.
Da dieser aber nunmal der meist angewandte Berechnungsansatz des Wohlstands einer Nation ist, können sich Erfolgsleistungen besagter Tennishelden auf die sie als Werbebotschafter einsetzenden Unternehmen – und daher ein Stück weit auf die Schweizer Gesamtwirtschaft − positiv auswirken. Eins sei klargestellt: dass in diesem Zusammenhang Tennis (und nicht andere Sportarten) aufs Tapet gebracht worden ist, bedeutet natürlich nicht, dass die hier beschriebenen Übertragungseffekte nicht von anderen (Schweizer) Topsportdisziplinen ausgehen können. Es ist allerdings schwer zu bestreiten, dass eidgenössisches Tennis seit Jahren international besonders hochkarätig vertreten wird (und Auswirkungen auf andere Sektoren abseits des Sports dementsprechend nennenswert sein mögen). Wenn Sportgrössen siegen, Comebacks feiern oder einfach nur für positive Meldungen sorgen, können unter Umständen die von ihnen vertretenen Werbemarken davon genauso profitieren. Wenn das Interesse für solche Produkte steigt, können Unternehmen nämlich ein Quantum dazuverdienen, das sich je nach Werthöhe auf das BIP widerspiegelt. Nebenbei ist sogar nicht auszuschliessen, dass selbst andere Sektoren von international bekannten Persönlichkeiten, die selbst ausserhalb der Schweiz einen entsprechend hohen Wiedererkennbarkeitswert geniessen, begünstigt werden können. Wie stark derartige Respondenzmechanismen sind, ist natürlich fallabhängig. Dass Werbung darauf baut, ist ebenso klar.
Solche Verzahnungen mögen manchmal weit hergeholt klingen, müssen es aber nicht, sobald man an die Wichtigkeit von Traditionsunternehmen, Topmarken oder internationalen Landesbotschaftern für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort denken sollte. Obwohl Öffentlichkeitsleute eine solche „Verantwortungsrolle“ nicht unbedingt − und zu Recht aufgrund der Komplexität von Faktoren, die im Spiel sind −, für sich sprechen möchten, bleibt positive Publicity (abseits jeglicher Entstehungsunterscheidungen) ein Gewinn für jede Nation. Dass diese (neben dem sich ebenso daraus ergebenden BIP) massgeblich auf das tägliche Engagement von Millionen Bürger zurückzuführen ist, die im Unbekannten ihren Arbeits- und Menschenpflichten beflissen nachgehen (und manchmal sogar noch Ehrenamtliches leisten) und dabei die Marke „Schweiz“ stark machen, bleibt unerschütterlich. Wenn am 3. Juli 2017 das Wimbledon-Turnier aber wieder die Welt in den gleichnamigen Londoner Stadtteil einladen wird (und Landesvertreter hoffentlich glänzen werden), dann werden die Stichwörter „Wirtschaft“ und „Sport“ − falls sie es je gewesen sein sollten − vielleicht ein Stück weniger entfernt klingen.
Über den Autor:
Dr. sc. ec. (PhD) Edoardo Beretta ist Assistent des Examensdelegierten, Post-Doc Forschungs- und Lehrassistent an der Università della Svizzera italiana (USI) – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät(USI).
Bisherige Publikationen: http://search.usi.ch/people/a332478da15cca587c46aad28af14814/Beretta-Edoardo/publications
[1] http://www.baspo.admin.ch/content/baspo-internet/de/dokumentation/publikationen/sport-und-wirtschaft-schweiz/_jcr_content/contentPar/downloadlist_copy_2049128844/downloadItems/740_1464610877381.download/Sport_Wirtschaft_Schweiz_d_screen.pdf
[2] https://www.media-stat.admin.ch/web/apps/glossary/assets/glo-208-de.pdf
[3] Eigene Darstellung (Bild: https://pixabay.com/it/campo-da-tennis-esercizio-2100437/)