Bern – Väter sollen mehr arbeiten als Mütter: Dieser Meinung war – unabhängig vom Geschlecht – die Mehrheit der Teilnehmer einer Studie zu Teilzeitarbeit. Doch es gibt kleine Unterschiede.
Einig waren sich Männer und Frauen, dass das ideale Arbeitspensum für Väter von schulpflichtigen Kindern 80 Prozent beträgt, wie aus der Studie des privaten Forschungsinstituts Sotomo hervorging. Einig waren sich die zwei Geschlechtergruppen auch, dass Mütter weniger arbeiten sollten als Väter – das Familienmodell mit dem Mann als Haupternährer findet demnach noch immer Anklang.
Kleine Unterschiede gab es aber bei der Frage nach dem perfekten Erwerbspensum für Mütter. So hielten Frauen bei Müttern von schulpflichtigen Kindern ein 60-Prozent-Pensum für ideal, Männer hingegen ein 50-Prozent-Pensum. Mütter von Kleinkindern sollen nach den Vorstellungen der Studien-Teilnehmerinnen 50 Prozent arbeiten, die männlichen Studien-Teilnehmer hielten 45 Prozent für ausreichend.
Wie die Studienmacher schrieben, bevorzugten Personen mit Hochschulabschluss, jüngere Menschen sowie solche, die linken Parteien näher stehen, egalitäre Aufteilungen der Erwerbsarbeit.
Linke arbeiten nicht weniger als Rechte
In der Praxis arbeiteten die Mütter von betreuungspflichtigen Kindern im Durchschnitt 55 Prozent, die Väter 91 Prozent. Von grosser Tragweite sei, dass sich dieses Erwerbsmodell auch bei Eltern von erwachsenen Kindern durchsetze, schrieben die Studienmacher.
Entgegen den gängigen Vorurteilen arbeiteten Paare und Eltern, die linken Parteien nahestehen, insgesamt nicht weniger als solche, die der SVP nahestehen. Auch gaben Personen, die der SVP nahestehen, mit 56 Prozent das tiefste Wunschpensum für den Fall an, dass sie finanziell ausgesorgt hätten.
Allerdings sind in dieser Frage die Unterschiede zwischen den politischen Lagern relativ klein – im Durchschnitt wollten die Befragten drei Tage pro Woche arbeiten, wenn das Geld keine Rolle spielen würde.
Kinderlose statt Mütter sollen Pensum erhöhen
Schwer hat es laut der Studie die jüngst akzentuiert aufgestellte Forderung, dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel mit einer Erhöhung des Erwerbsbeteiligung von Müttern zu begegnen. Die Mütter seien sogar die Gruppe, welche die Befragten zuletzt in die Pflicht nehmen würden.
Hingegen begegnen kinderlose Teilzeitarbeitende gewissen Vorbehalten. So waren knapp 50 Prozent der Befragten der Meinung, dass kinderlose Teilzeitarbeitende ihr Pensum aufstocken sollten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem sprach sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, dass eigentlich gutverdienende Teilzeitarbeitende keinen Anspruch auf Vergünstigungen etwa bei den Kita-Kosten oder der Krankenkassenprämien haben sollten.
Deutliche Mehrheit für Viertagewoche
Insgesamt attestierten die Studienmacher bei den Befragten «ein beträchtliches Spannungsfeld» betreffend ihrer Einstellung zur Teilzeitarbeit. So sei eine Mehrheit der Meinung, dass angesichts des Fachkräftemangels eigentlich mehr gearbeitet werden müsste. Ebenso fanden mehr als zwei Drittel der Befragten, «dass wir in der Schweiz eigentlich zu viel arbeiten».
Dieses Spannungsfeld führt zu scheinbar widersprüchlichen politischen Forderungen, wie es im Begleitschreiben der Studie heisst. So befürworteten die Befragten mehrheitlich einen garantierten Kita-Platz für alle und eine finanzielle Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder selber betreuen. «Die Bevölkerung spricht sich für die Unterstützung von Familien aus, unabhängig von der Wirkung auf die Erwerbsbeteiligung», schrieben die Studienautoren.
Als familienfreundlich interpretieren die Urheber der Studie auch das deutliche Ja zur Viertagewoche: Rund zwei Drittel der Befragten unterstützten eine solche Verkürzung der regulären Arbeitswoche.
2000 Personen befragt
Für die Studie wurden Ende letzten Jahres über 2000 Personen befragt. Die Ergebnisse seien repräsentativ für die sprachintegrierte Bevölkerung der Deutschschweiz und der französischen Schweiz.
Die Studie wurde vom privaten Forschungsinstitut Sotomo in Zusammenarbeit mit der Initiative Geschlechtergerechter erstellt. Geschlechtergerechter will nach eigenen Angaben eine undogmatische Debatte über Geschlechterfragen lancieren. (awp/mc/pg)