Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Berlin – Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und ihr deutscher Amtkollege Wolfgang Schäuble haben am Mittwoch in Berlin das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland offiziell unterzeichnet. Damit kommen die beiden Länder einer Beilegung des Streits um deutsche Steuersünder mit Schweizer Bankkonten einen weiteren Schritt näher.
Zuvor hatte die deutsche Regierung das Abkommen mit der Schweiz gebilligt. Es muss nun noch von den jeweiligen Parlamenten genehmigt werden. In der Schweiz untersteht das Abkommen zudem dem fakultativen Referendum.
Deutsche Opposition will Abkommen im Bundesrat kippen
Während die Parteien in der Schweiz bei der Bekanntgabe der Einigung vor eineinhalb Monaten weitgehend positiv reagierten, kündigte die deutsche Opposition Widerstand an. SPD und Grüne könnten das Steuerabkommen in der zweiten Kammer, dem Bundesrat, kippen, denn dort hat die christlich-liberale Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Mehrheit.
Für eine Ablehnung setzen sich auch die rund 40 Aktivisten ein, die vor dem Finanzministerium in Berlin gegen das Steuerabkommen demonstrierten. Sie wehren sich dagegen, dass vor allem hartnäckige Steuerbetrüger belohnt würden und nun viel weniger bezahlen müssten, als wenn sie das Geld in Deutschland versteuert hätten.
Steinbrück bemüht wieder die Kavallerie
Auch Ex-SPD-Finanzminister Peer Steinbrück äusserte am Mittwoch heftige Kritik. In einem mit «Sattelt die Pferde!» überschriebenen Beitrag für die «Zeit», kritisierte er, die Deutschen stellten sich viel schlechter als die USA, die die Kavallerie 2009 auch hätten ausreiten lassen und den Schweizer Banken mit Geschäftsverboten gedroht hätten. Gemessen am Auftreten der USA und anderer Länder sei das Abkommen ein «politisches Fiasko», das inakzeptable Zustände fortschreibe.»
EU-Kommission wird Steuerabkommen genau prüfen
Die Steuerabkommen von Deutschland und Grossbritannien mit der Schweiz interessieren auch in Brüssel. Auf Aufforderung der EU-Kommission präsentierten die beiden Länder die Abkommen am Mittwoch in einer Expertengruppe. Das Thema wurde im Rahmen der Arbeitsgruppe zu Grundsatzfragen der Steuerpolitik diskutiert. Das Interesse der Kommission kommt nicht von ungefähr: Schon früher hatte EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta erklärt, dass sich die Abkommen innerhalb der EU-Regeln bewegen müssten.
Kürzlich sagte er in einem Hintergrundgespräch in Brüssel, dass die Kommission während der Verhandlungen zu den zwei Steuerabkommen in regem Kontakt mit Deutschland und Grossbritannien gestanden habe. Die Kommission werde prüfen, dass weder die EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung noch das Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz durch die neuen Abkommen verletzt würden. (awp/mc/pg)