Doris Bianchi wird Chefin des Bundesamtes für Sozialversicherungen

Bern – Eine Frau führt künftig das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Der Bundesrat hat am Mittwoch Doris Bianchi zur neuen Direktorin ernannt. Sie folgt auf Stéphane Rossini. Der frühere Walliser SP-Nationalrat hatte bereits im Oktober angekündigt, das Bundesamt wegen der Kontroverse um die finanziellen Perspektiven der AHV zu verlassen.
Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider informierte am Mittwoch an einer Medienkonferenz über die Personalie. Bianchi ist promovierte Juristin und Direktorin der Pensionskasse des Bundes Publica.
Frühere Gewerkschafterin
Davor war die 50-Jährige während dreier Jahre persönliche Mitarbeiterin des damaligen Sozialministers Alain Berset. Von 2005 bis 2018 arbeitete Bianchi für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).
In seiner Mitteilung zu der Ernennung schrieb der Bundesrat, Bianchi sei auch nebenamtlich im Bereich der Sozialversicherungen engagiert. Unter anderem war sie mehrere Jahre lang Mitglied der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge, der Eidgenössischen Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und des Suva-Rats.
Das BSV erfülle einen enorm wichtigen Auftrag, sagte Baume-Schneider an der Medienkonferenz. Es sorge dafür, dass das Netz der sozialen Sicherheit halte. Sie verwies auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der nächsten AHV-Reform und betonte, Bianchi sei in Politik, Wirtschaft und Verwaltung bestens vernetzt.
Höheres Rentenalter nicht im Vordergrund
Das Sozialversicherungssystem sei nicht statisch, vielmehr müsse es sich an gesellschaftliche Veränderungen anpassen, unterstrich Bianchi. Als Beispiele nannte sie die Alterung der Bevölkerung und veränderte Erwerbs- und Familienmodelle, die Anpassungen nötig machten.
Angesprochen auf ihre frühere Tätigkeit als Gewerkschafterin sagte Bianchi, sie sei in ihrer neuen Funktion keine Interessenvertreterin. Ihre Rolle sei, sämtliche Interessen in der Sozialpolitik aufzunehmen, um Bundesrat und Parlament mehrheitsfähige Lösungen vorschlagen zu können.
Angesprochen auf eine mögliche Erhöhung des Rentenalters zeigte sich die neue BSV-Direktorin denn auch zurückhaltend. Sehe man von der Erhöhung des AHV-Frauenrentenalters ab, seien entsprechende Vorschläge in Volksabstimmungen stets gescheitert: «Das Thema des Rentenalters wird sicher angegangen. Aber die Mehrheitsfähigkeit eines Erhöhungschritts ist an einem sehr kleinen Ort», sagte sie.
Falsche Zahlen im Abstimmungsbüchlein
Bianchi tritt ihr Amt laut Communiqué am 1. September an. Ihr Vorgänger Stéphane Rossini verlässt das BSV bereits Ende Juni. Sein Rücktritt steht im Zusammenhang mit der Diskussion zu überhöhten Zahlen bei der Berechnung der Finanzperspektiven der AHV.
In den Unterlagen zur Abstimmung über die jüngste AHV-Revision und damit das höhere Frauenrentenalter im September 2022 wurde eine allzu pessimistische Prognose zur AHV-Finanzierung genannt. Diese stand auch im Abstimmungsbüchlein zur Abstimmung über die 13. AHV-Rente vom 3. März 2024.
Im September des vergangenen Jahres korrigierte der Bund die anzunehmenden AHV-Ausgaben für das Jahr 2033 um 2,5 Milliarden Franken nach unten – auf 69 Milliarden Franken.
Sorgfaltspflicht nicht verletzt
Die falschen AHV-Zahlen hatten auch ein gerichtliches Nachspiel. Grüne und SP-Frauen verlangten deswegen vor Bundesgericht eine Annullierung der Abstimmung zum Frauenrentenalter. Das Gericht wies ihre Beschwerden im Dezember jedoch einstimmig ab. Die Rechtsfolgen einer Annullierung wären nicht absehbar, argumentierte es.
Rossini gibt seinen Posten ab, obwohl eine Administrativuntersuchung im Februar zum Schluss kam, weder er noch andere Mitarbeitende des BSV hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Demnach enthielt das vom Bundesamt verwendete Berechnungsprogramm zwei Formeln, die mathematisch zu wenig abgestützt waren und langfristig zu unplausibel hohen Ausgaben führten. Einen eigentlichen Rechenfehler habe es jedoch nicht gegeben.
In seinem Communiqué vom Mittwoch dankte der Bundesrat dem abtretenden BSV-Direktor denn auch ausdrücklich für seine engagierte Arbeit und sprach ihm seine Anerkennung aus. (awp/mc/ps)