Die von der SVP einmal mehr bemühten Schäfchen haben nicht mehr verfangen. (Bild: SVP)
Bern – Die Durchsetzungsinitiative der SVP ist gescheitert. 58,9% der Stimmenden haben das Volksbegehren am Sonntag abgelehnt. Kriminelle Ausländerinnen und Ausländer werden in Zukunft trotzdem automatisch des Landes verwiesen.
Denn jetzt wird die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative in Kraft gesetzt. Diese SVP-Initiative haben Volk und Stände 2010 angenommen. Das Gesetz sieht ebenfalls automatische Landesverweisungen vor, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Nur ausnahmsweise kann darauf verzichtet werden, um einen schweren persönlichen Härtefall zu vermeiden.
1’967’000 Stimmberechtigte entschieden sich für diesen Weg und sagten Nein zur Durchsetzungsinitiative, 1’375’000 stimmten dieser zu. Die Stimmbeteiligung lag bei hohen 63,4%.
Hohe Zustimmung im Tessin
Auch für das Ständemehr reichte es nicht: Nur sechs Kantone stimmten der Initiative zu. Am deutlichsten wurde diese im Kanton Basel-Stadt abgelehnt. Dort sprachen sich 70,2% gegen die Durchsetzungsinitiative aus. In der Waadt kamen 66,6% Stimmen gegen die Initiative zusammen, in Neuenburg und Zürich lag der Nein-Anteil um 65%.
Ja sagten vor allem ländliche Kantone der Zentral- und Ostschweiz. Am grössten war die Zustimmung aber im Kanton Tessin. Dort sagten 59,4% Ja zur Durchsetzungsinitiative. In den übrigen fünf Ja-Kantonen lag die Zustimmung zwischen 50% und 55%.
Damit bestätigte sich der Trend, der sich in den letzten Wochen abgezeichnete: Nachdem die Initianten zunächst einen grossen Vorsprung gehabt hatten, verloren sie immer mehr an Boden. In der letzten Trendumfrage hatten die Gegner dann die Nase vorne. Der Vorsprung war aber nicht gross genug für eine verlässliche Prognose.
Gegner schliessen die Reihen
Über die Gründe für die schrumpfende Zustimmung werden erst die Abstimmungsanalysen Aufschluss geben. Die starke Mobilisierung der Gegner in den letzten Wochen dürfte aber eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Parteien, Justiz, Wirtschaft, Medien und Kulturschaffende traten nahezu geschlossen gegen die Initiative an. Fast 300 amtierende und frühere Bundespolitiker richteten einen Appell an die Stimmbevölkerung. Wissenschaftler wagten sich aus dem Elfenbeinturm und mischten sich vernehmlich in die Politik ein. Kunstschaffende und Intellektuelle warnten eindringlich vor der Initiative.
Die öffentliche Debatte wurde über weite Strecken sachlich geführt. Breit wurde über abstrakte Begriffe wie Verhältnismässigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung diskutiert. Doch es gab auch Gehässigkeiten und schrille Töne in der Kampagne, etwa das zum Hakenkreuz degenerierte Schweizer Wappen.
Die Gegner warfen der SVP auch vor, sich an den Fundamenten des Staates zu vergreifen. Weil die Initiative ihr Anliegen im Detail regelt und direkt anwendbar sei, werde das Parlament bei der Umsetzung der Verfassungsbestimmung übergangen. Indem das Volk die Rolle des Gesetzgebers übernehme, werde zudem die Gewaltentrennung ausgehöhlt.
SVP gegen Ausnahmen
Es ist der Staatspolitischen Kommission des Ständerats zu verdanken, dass die Ausschaffungsinitiative nun im rechtsstaatlichen Rahmen umgesetzt werden kann. Sie war es, die einen kongruenten Deliktskatalog entwarf und die Härtefallklausel ins Spiel brachte, mit der stossende und nicht nachvollziehbare Landesverweisungen vermieden werden können.
Nach Ansicht der SVP wird die Ausschaffungsinitiative damit aber nicht korrekt umgesetzt. Die Partei hatte daher an der Durchsetzungsinitiative festgehalten. Sie ist überzeugt, dass die Härtefallklausel kriminellen Ausländerinnen und Ausländern in zu vielen Fällen ermöglicht, in der Schweiz zu bleiben. Die Rechtsstaatlichkeit wäre nach Ansicht der SVP dann am besten gewahrt, wenn die Richter keinen Beurteilungsspielraum haben.
Mit dieser Haltung hat sie sich nicht durchgesetzt. Damit kann der Bundesrat die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative in Kraft setzen. Er hat angekündigt, sich umgehend zum Zeitpunkt der Inkraftsetzung zu äussern. Weil die Kantone Zeit für die Einführung der neuen Bestimmungen brauchen, dürfte dies nicht vor 2017 der Fall sein. (awp/mc/upd/ps)