Zürich – Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse erwartet wegen der zweiten Corona-Welle zunächst eine schwierige Phase für die Schweizer Konjunktur. Danach sollte es aber vor allem dank den Impfstoffen einen klaren Rebound geben. Allerdings bleiben die Risiken hoch.
Der Wirtschaftseinbruch dieses Jahr sollte derweil etwas schwächer ausfallen als noch im Frühling erwartet. Konkret dürfte das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) um 3,5 Prozent sinken, während die alte Prognose vom Juni einen deutlich stärkeren Einbruch (-5,4%) gesehen hatte. Grund seien vor allem die umfangreichen staatlichen Stützungsmassnahmen, die vergleichsweise moderaten Einschränkungen und die rasche Teilerholung im Sommer, sagte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch am Dienstag an einer Online-Medienkonferenz.
Aufgrund der zweiten Corona-Welle dürften die nächsten Wochen allerdings nochmals schwierig werden. «Die Euphorie aus dem dritten Quartal ist jedenfalls wieder verflogen», so Minsch. Binnen- und Exportwirtschaft kämpften beide mit einem sehr schwierigen Marktumfeld. Dies zeigt auch die regelmässig durchgeführte Umfrage bei über 300 Mitgliedsfirmen und -verbänden. So erwarten gemäss der letzten Umfrage vom 20. November 52 Prozent der Befragten eine Verschlechterung der Konjunktur in den kommenden Monaten, lediglich 8 Prozent gehen von einer Verbesserung aus.
Hoffen auf Impfstoffe
Nach nochmals zwei schwachen Quartalen, dem vierten 2020 und dem ersten im 2021, sollte es dann aber wieder besser werden – vor allem auch dank Impfstoffen, die wohl bald eingesetzt werden können. Wenn im Frühsommer die Fallzahlen in der nördlichen Hemisphäre temperaturbedingt sänken und immer mehr Menschen geimpft seien, sollte es zu einem weltweiten Rebound-Effekt in Form eines kräftigen Wachstumsschubs kommen.
Konkret geht der Verband fürs Gesamtjahr 2021 dann von einem BIP-Wachstum von 3,7 Prozent aus, womit laut Minsch im Jahresdurchschnitt 2021 das Niveau von 2019 wieder erreicht werden sollte. Als erste dürften hierzulande konsumorientierte Exportbranchen wie die Uhrenindustrie und teilweise die Textilindustrie von der internationalen Nachfragesteigerung profitieren. Auch die Reisebranche werde wieder zum Leben erweckt, hätten doch viele Menschen ihre Reisepläne unfreiwillig zurückstellen müssen.
Auch beim privaten Konsum in der Schweiz sei im nächsten Jahr mit einem Rebound-Effekt zu rechnen. Zwar erhöhe sich die Zahl der Arbeitslosen, aber der Anstieg falle weniger drastisch aus als noch im Sommer erwartet werden musste. Im Jahresdurchschnitt schätzt Economiesuisse, dass die Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent (2020) auf 3,5 Prozent (2021) ansteigen wird (aktuell 3,3%). Den Höhepunkt erwartet Chefökonom Minsch bei rund 3,7 Prozent im Verlauf des Sommers.
Höhere Reallöhne
Zudem sollten die Reallöhne trotz Krise ansteigen, was ebenfalls den Konsum unterstützen werde. Bei einem nominalen Lohnwachstum um rund 0,3 Prozent und der gleichzeitigen Negativteuerung in diesem Jahr von 0,7 Prozent sollten die Reallöhne gemäss der Berechnung von Economiesuisse Anfang 2021 im Durchschnitt jedenfalls rund ein Prozent höher liegen als Anfang 2020.
Auch wenn das Basisszenario eine deutliche Erholung zeigt, betont der Verband die «weiterhin grossen Abwärtsrisiken». Die «grösste Unsicherheit» sei sicher die Situation bei den Impfstoffen, meint Minsch. «Sollten diese die Erwartungen nicht erfüllen und würden im Herbst 2021 wiederum einschränkende Massnahmen notwendig, würde dies die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz stark belasten.»
Auch sei die Verschuldung wegen der Corona-Krise weltweit angestiegen. Die Situation in Italien etwa verschärfe sich jede Woche weiter, sagte Minsch. Die Zentralbanken hätten den Märkten zudem viel Liquidität zur Verfügung gestellt. Das Platzen von Blasen oder die Korrektur von Überbewertungen im Markt könnten demnach Verwerfungen auslösen und die Weltkonjunktur in Mitleidenschaft ziehen. «Die Probleme werden die alten sein», so Minsch.
Der Handelskonflikte zwischen China und den USA werde ausserdem mit der Wahl des neuen US-Präsidenten wohl nicht beendet sein. Hingegen könnte es mit der neuen Administration in Aussenhandelsfragen eine gewisse Trendwende geben. Organisationen wie die WTO könnten dadurch gestärkt werden, was für die Schweiz wohl eine gute Nachricht wäre. (awp/mc/ps)