Zürich – Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse senkt seine Wachstumsvorhersagen für die Schweizer Wirtschaft, rechnet aber für das laufende und das kommende Jahr nach wie vor mit «erfreulichen» Werten. Die grössten Sorgen macht sich der Verband wegen der Situation in den europäischen Nachbarländern.
Auch die Ökonomen von Economiesuisse sind vorsichtiger geworden. Sie rechnen für das laufende Jahr noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1,8%, bislang hatten sie ein Plus von 2,3% erwartet. Für 2015 gehen die Fachleute des Verbandes noch von einem Wachstum von 1,6% (vorher +2,0%) aus. «Die Situation ist aber nach wie vor erfreulich», betonte Economiesuisse-Chefökonom Roland Minsch am Montag während der Präsentation der Zahlen.
In den letzten Wochen hatten schon diverse andere Auguren ihre Vorhersagen nach unten angepasst. Mit den neuen Werten reiht sich Economiesuisse für 2014 im oberen Bereich und für 2015 im Mittelfeld aller aktuellen Prognosen sein. Die Bandbreite reicht für 2014 von +1,3% bis +1,8% und für 2015 von +1,4% bis +2,4%.
«USA packen Probleme an»
Ein Grund für die Revision der Prognosen ist laut Minsch die wirtschaftliche Entwicklung in Europa – und dabei vor allem in den beiden Nachbarländern Italien und Frankreich, die etwa 15% der Schweizer Exporte auf sich vereinen. Sorgen bereitet Minsch ausserdem, dass auch Deutschland schwächelt.
«Wir haben zum Glück eine breit aufgestellte Industrie», so Minsch weiter. Sie sei deutlich stärker diversifiziert als in anderen Länder und könne vom Wachstum in jenen Ländern profitieren, wo solches stattfinde. Zum Beispiel in den USA, wo die Probleme nach der Finanzkrise «viel früher und viel radikaler» angepackt worden seien als in Europa. Insgesamt rechnet Minsch damit, dass die Schweizer Exporte im Rahmen des Weltwirtschaftswachstum zunehmen werden.
Tiefere Ausrüstungsinvestitionen
Auch in der Binnenwirtschaft gebe es jedoch leichte Bremsspuren: «Der Wachstumshöhepunkt ist überschritten», so Minsch. So rechnet er beim privaten Konsum für 2014 (+1,4%) und 2015 (+1,3%) nur noch mit gut halb so hohen Wachstumswerten wie in den beiden Vorjahren. Auf einem deutlich tieferen Niveau würden sich auch die Ausrüstungs- und Bauinvestitionen bewegen.
Letztere dürften laut den Prognosen des Verbands 2015 sogar in den negativen Bereich (-0,2%) kippen. «Es fehlen Grossprojekte wie die Neat, und die Zweitwohnungsinitiative wird spürbar», so Minsch. Die hohe Nachfrage im Wohnungsbau sorge immerhin dafür, dass es zu keinem Einbruch komme.
Neben der Bauindustrie müssen sich laut Minsch auch die Banken auf schwierigere Zeiten einstellen. Ebenso könnten die MEM-Industrie und das Gesundheitswesen nicht an die Werte der letzten Zeit anknüpfen. Stärkeres Wachstum erwartet der Economiesuisse-Chefökonom hingegen von der Chemie- und Pharmabranche, den Herstellern von Uhren und Medizinaltechnik sowie den Firmen aus dem Bereich «Unternehmensberatung, Treuhand und Revision».
Ecopop-Abstimmung ohne Folgen
Die Abstimmungsresultate vom Wochenende änderten nichts an den Prognosen, sagte Minsch weiter. Die Ergebnisse seien so kalkuliert worden. Vor allem ein Ja zur Ecopop-Initiative wäre auf der anderen Seite für die Wirtschaft ein gewaltiger Schock gewesen, der grosse Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen gehabt hätte, betonte er weiter. «In einem solchen Fall hätten wir unsere Prognosen revidieren müssen.» (awp/mc/upd/ps)