Zürich – Das Schweizer Wirtschaftswachstum bleibt fragil. Nach einem doch recht ansprechenden ersten Quartal trüben sich gemäss Economiesuisse die konjunkturellen Aussichten für die zweite Jahreshälfte 2023 ein.
Auch das kommende Jahr dürfte nicht den erhofften Aufschwung bringen. Die Inflation zeige sich hartnäckig und der Arbeitskräftemangel verhindere grösseres Wachstum, teilte der Verband am Freitag mit.
Für 2023 hält Economiesuisse an der Prognose für ein Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,6 Prozent fest. Für 2024 wird mit lediglich 0,9 Prozent auch nur ein Plus unterhalb des Potenzialwachstums erwartet, so der Verband anlässlich einer Medienkonferenz. Dabei soll die Arbeitslosenquote leicht von 2,2 Prozent 2023 auf 2,4 Prozent im kommenden Jahr steigen.
Gründe für die zurückhaltende Prognose seien der anhaltende Krieg in der Ukraine mit all seinen negativen Auswirkungen. Zudem bremsten die steigenden Zinsen die Wirtschaft, die Reallohnentwicklung sei negativ, die Arbeitskräfteproblematik hemme weiterhin und die Weltwirtschaft kämpfe mit der hohen Inflation.
Inflation bleibt hartnäckig
Zwar ist die Inflation in der Schweiz im internationalen Vergleich nach wie vor tief – für 2023 erwartet der Verband eine Teuerung von 2,7 Prozent und 2024 soll sie immerhin minimal auf 2,5 Prozent sinken. Sie hält sich somit aber wohl hartnäckig. Daher gehen die Experten auch davon aus, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) im laufenden Jahr noch mindestens einen Zinsschritt machen wird.
Bleibe die Inflation über der Zielmarke von 2 Prozent sei gar eine weitere Zinserhöhung nicht auszuschliessen, ergänzte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch an der Medienkonferenz.
Insgesamt sei die lange Phase ultratiefer Zinsen wohl vorbei. Viele Unternehmen aber auch Staaten hätten den Verlockungen des billigen Geldes nicht widerstehen können und sich stark verschuldet. Sollte es nun nicht zu langsamen Marktanpassungen sondern zu abrupten Korrekturen kommen, sei eine breite Abwärtsspirale leider im Bereich des Möglichen. Zudem bleibe die Energieversorgung mit Blick auf den nächsten Winter riskant und geopolitische Konflikte könnten sich verstärken.
Schwächelnde Weltwirtschaft bremst Schweizer Exporte
Als exportstarkes Land habe die Schweiz besonders mit der schwächelnden Weltwirtschaft zu kämpfen. Zudem gebe es weiterhin Probleme in der Lieferkette. Entsprechend erwarteten die Maschinen-, Elektro- und Metallbranche wie auch die Chemie einen deutlichen Wertschöpfungsrückgang in diesem Jahr, so die Experten. Auch die Textilexporte stagnierten.
Derweil wüchsen andere, weniger zyklische Exportbranchen wie die pharmazeutische oder die Medtech-Industrie. Auch die Uhrenindustrie expandiere. Werthaltige Uhren und Schmuck stellten einen gewissen Schutz vor Inflation dar, hiess es.
Bei den Dienstleistungsexporten zeige sich ein geteiltes Bild. Während die Exporte von Finanzdienstleistungn seit einiger Zeit zurückgingen und die Aussichten ebenfalls trüb seien, profitiere der Tourismus davon, dass Reisen wieder einfach möglich seien.
Binnenmarkt ebenfalls zweigeteilt
Auch der Binnenmarkt präsentiere sich zweigeteilt. So profitierten beispielsweise inlandorientierte Banken von den Zinserhöhungen, während sich das Wachstum der Versicherer weniger robust präsentiere. Branchen wie das Telekommunikations- oder Druckgewerbe stagnierten.
In Branchen, die stärker von den gestiegenen Zinsen und Energiekosten betroffen sind, sinke derweil die Wertschöpfung. Besonders betroffen seien hier der Bau oder der Detailhandel.
Als zusätzlicher Wachstumshemmer wirke der starke Arbeitskräftemangel, erklärt Economiesuisse weiter. So hätten Unternehmen mit eigentlich guten Absatzaussichten aufgrund des ausgetrockneten Arbeitsmarktes grosse Mühe, geeignete Leute einzustellen. (awp/mc/pg)