Bern – Migrantinnen und Migranten integrieren sich langfristig besser, wenn sie eingebürgert werden. Zu diesem Schluss kommen vom Schweizerischen Nationalfonds unterstütze Forschende.
In der Schweizer Integrationsdebatte wird kontrovers diskutiert, wann Ausländer den Schweizer Pass erhalten sollen. Die Einen wollen Immigranten nach möglichst kurzer Zeit einbürgern, um die Integration zu fördern. Die Anderen sehen in der Einbürgerung, die erst nach vielen Jahren erfolgen soll, den Abschluss erfolgreicher Integration. Eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Studie der Universitäten Zürich, Stanford und Mannheim liefert nun Hinweise, dass die Einbürgerung von Immigranten wie ein Katalysator für die Integration wirkt.
Vom Erwerb des Schweizer Passes profitieren insbesondere die Migranten, die zum Zeitpunkt ihrer Einbürgerung zu marginalisierten Migrantengruppen gehören. In der Studie sind dies Personen aus der Türkei und aus Ex-Jugoslawien.
Umstrittene Einbürgerungspraxis
Die Forschenden haben sich für ihre Untersuchung eine umstrittene Einbürgerungspraxis zu Nutzen gemacht, die heute in dieser Form unzulässig ist: Die anonyme Urnen-Abstimmung über Einbürgerungsgesuche in 46 Deutschschweizer Gemeinden zwischen 1970 und 2003. Anhand dieser quantitativen Datenbasis von insgesamt 2225 Einbürgerungsgesuchen konnten sie 768 Personen ausfindig machen, deren Einbürgerungsgesuche entweder knapp angenommen oder abgelehnt worden waren. Zwischen den knapp abgelehnten Gesuchstellern und den knapp Eingebürgerten gibt es keine Unterschiede bezüglich ihres Alters, Geschlechts, ihrer Sprachkenntnisse, ihrer Aufenthaltsdauer in der Schweiz oder ihrer Herkunft. „Für Migranten, die nur ein paar Ja-Stimmen auseinander liegen, zum Beispiel 49 Prozent im Gegensatz zu 51 Prozent, war es letztlich reine Glückssache, ob sie die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielten oder nicht“, sagt Professor Jens Hainmueller, der an der Universität Stanford tätig ist.
Integrationseffekt wirkt langfristig
Die Forschenden befragten die knapp eingebürgerten oder nicht eingebürgerten Personen telefonisch. Sie fragten unter Anderem, ob sie sich politisch engagieren, ob sie Schweizer Zeitungen lesen, in einem Verein Mitglied sind, ob sie sich diskriminiert fühlen oder planen, ihren Lebensabend in der Schweiz zu verbringen.
Das Ergebnis ist, dass Migranten, welche die Schweizer Staatsbürgerschaft vor mehr als 15 Jahren in der Urnenabstimmung knapp erhielten, heute sozial viel besser integriert sind als Migranten, die die Abstimmung damals knapp verloren haben. Der Einbürgerungseffekt ist für die Migrantengruppen am Grössten, die mit den stärksten Vorurteilen zu kämpfen haben: „In unserer Untersuchung profitieren Personen aus Ex-Jugoslawien und der Türkei sowie nicht in der Schweiz Geborene am meisten von der Einbürgerung“, sagt Giuseppe Pietrantuono von der Universität Zürich.
Höheres politisches Wissen bei eingebürgerten Personen
Ebenso deutlich ist der Effekt der Einbürgerung bei der politischen Integration: Das politische Wissen steigt bei den knapp eingebürgerten Personen auf ein Niveau an, das mit gebürtigen Schweizern vergleichbar ist. Knapp Abgelehnte sind hingegen auch heute noch politisch marginalisiert.
„Unsere Studie zeigt, dass die Einbürgerung die soziale und politische Integration langfristig fördert. Zudem sind positiven Effekte der Einbürgerung umso grösser, je früher sich eine Person einbürgern lässt“, sagt Dominik Hangartner, Politikwissenschaftler an der Universität Zürich und an der London School of Economics. Für die Schweiz sei dies ein wichtiges Resultat: „Mit zwölf Jahren Aufenthaltsdauer geht es in der Schweiz im europäischen Vergleich lange, bis sich ein Immigrant einbürgern lassen kann. Unsere Studie zeigt, dass sich eine gewisse Reduktion positiv auf die Integration und damit für die gesamte Bevölkerung auswirken könnte“, sagt Hangartner. (SNF/mc/pg)