SP-Ständerätin Verena Diener. (Foto: parlament.ch)
Bern – Über ein halbes Jahr lang hat die Sozialkommission des Ständerats (SGK) im stillen Kämmerlein an der Reform der Altersvorsorge gefeilt. Heute Nachmittag präsentiert sie das Ergebnis. Das Paket, das sie geschnürt hat, wird offenbar von rechts bis links unterstützt.
«Jede Seite musste eine Kröte schlucken», sagte die Aargauer FDP-Ständerätin Christine Egerszegi am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Am Schluss habe man sich aber auf ein ausgewogenes Ergebnis einigen können.
Grundlage der Einigung war eine aussergewöhnlich enge Zusammenarbeit in der Kommission. Zwischen den ordentlichen Sitzungen habe eine breit zusammengesetzte Gruppe von SGK-Mitgliedern die Entscheide vorbereitet, berichtet Egerszegi. In dieser Zusammensetzung sei nach Kompromissen und Lösungen gesucht worden.
«Konstruktive Diskussionen»
SVP-Ständerat Alex Kupercht (SZ) spricht von «harten, aber sehr konstruktiven und lösungsorientierten Diskussionen». Das Ergebnis sei insgesamt ausgewogen. Gleich tönt es vom Berner SP-Ständerat Hans Stöckli. Es sei eine «erfüllende Arbeit» gewesen, sagte er.
Auch Egerszegi ist «sehr zufrieden», dass die wichtige Vorlage auf diese Art vorbereitet werden konnte. Und zeigte sich überzeugt, dass dafür die Voraussetzungen in der Ständeratskommission besser waren als in der SGK des Nationalrats. Der Nationalrat sei politisch zusammengesetzt, dort sei es schwieriger, ein Gesamtpaket zu schnüren.
Im Ständerat gebe es viele Regierungsmitglieder, die nicht eine parteipolitische Grundsatzhaltung durchbringen wollten, sagte Kuprecht. «Aus dieser Sicht war es vielleicht gut, dass der Ständerat die Vorlage zuerst behandeln konnte.»
Kontroverse um Erstrat
Das sieht die Mehrheit seiner Fraktion wohl anders. Nach dem Entscheid, dass der Ständerat die Altersvorsorge 2020 als Erstrat behandelt, reichte die SVP eine parlamentarische Initiative ein: Bei wichtigen Bundesratsgeschäften sollen unter Umständen die Ratsbüros den Erstrat bestimmen und nicht die Ratspräsidenten.
SGK-Mitglied Verena Diener (GLP/ZH) bestreitet nicht, dass der Entscheid politische Bedeutung hat: Der Erstrat könne das Feld in einer ersten politischen Diskussion abstecken. «In der Regel definiert der Zweitrat dieses Feld nicht noch einmal neu», sagte sie.
Arbeit unter Zeitdruck
Allen von der sda befragten Kommissionsmitgliedern lag viel daran, die Vorlage vor den Wahlen in der alten Zusammensetzung fertig beraten zu können. Grund dafür sind die drängenden Problemen der Altersvorsorge. Aber auch die grosse Erfahrung, die einige Kommissionsmitglieder im Sozialversicherungsrecht haben, spielte eine Rolle.
Mehrere von ihnen treten bei den Wahlen im Herbst aber nicht mehr an: Neben Egerszegi und Diener sitzen auch Felix Gutzwiller (FDP/ZH) und Urs Schwaller (CVP/FR) sicher nicht mehr in der neuen Kommission.
Es sei nicht einfach, sich in das Sozialversicherungsrecht einzuarbeiten, sagte Egerszegi. Laut Kuprercht handelt es sich um eine «hochkomplexe Angelegenheit». Die Kommission hätte nach den Wahlen völlig neu anfangen müssen. Zudem habe die in jahrelanger Zusammenarbeit gewachsene Vertrautheit den Boden für manchen Kompromiss bereitet, sagte Diener.
Ohne Gegenstimme
Um die Vorlage im Herbst in den Ständerat bringen zu können, befasste sich die SGK im Lauf des Jahres an mehreren Sitzungen mit der Altersvorsorge 2020. In der ersten Augusthälfte beriet sie an drei aufeinanderfolgenden Tagen über die Reform. «Es war ein Marathon», sagte Diener.
Der Effort hat sich offenbar gelohnt: Dem Vernehmen nach wurde die Vorlage in der Kommission am Ende mit vier Enthaltungen, aber ohne Gegenstimme verabschiedet. Dabei sind die Vorschläge des Bundesrats höchst umstritten.
Von bürgerlicher Seite unter Beschuss ist der Plan, AHV und berufliche Vorsorge gemeinsam zu reformieren. Trotz Kritik in der Vernehmlassung hat die Regierung aber an dem Paket festgehalten – und die Ständeratskommission nun offenbar auch.
Der Linken ist die Erhöhung des Frauenrentenalters 65 Jahre ein Dorn im Auge. Weiter schlägt der Bundesrat die Erhöhung der Mehrwertsteuer um bis zu 1,5% vor, um die Finanzierung der AHV sicherzustellen.
Wichtigster Vorschlag bei der beruflichen Vorsorge ist die schrittweise Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6%. Zudem soll die Eintrittsschwelle gesenkt werden, ebenso die Höhe der Altersgutschriften. Auf einen Koordinationsabzug möchte der Bundesrat ganz verzichten. (awp/mc/ps)