Zürich – Die Schweizer Industrie bekommt die sich abschwächende Nachfrage in Europa zu spüren. Erstmals seit dem Frankenschock von vor gut vier Jahren fiel der Purchasing Managers› Index (PMI) unter die als Wachstumsschwelle definierte Marke von 50 Punkten. Laut Experten ist die Lage aber nicht alarmierend.
Im April zeigten sich die Einkaufsmanager von Schweizer Industriefirmen deutlich pessimistischer als noch im März: Nachdem der PMI saisonbereinigt bereits im März um 5,1 Punkte nachgegeben hatte, sank er im April um weitere 1,8 Punkte auf 48,5 Zähler, wie die Credit Suisse am Donnerstag mitteilte. Die Bank berechnet den Index zusammen mit dem Fachverband für Einkauf und Supply Management (procure.ch).
Der PMI lag im April nicht nur unterhalb der 50-Punkte-Marke, sondern auch klar unterhalb der Schätzungen von Ökonomen. Diese hatten im Vorfeld der Publikation in einer Umfrage der Nachrichtenagentur AWP mit einem Wert zwischen 51,0 bis 52,0 Punkten gerechnet.
Nachfrageschwäche in Europa
Unter 50 Punkte war der PMI letztmals Anfang 2015 gesunken, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) überraschend den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken aufgehoben hatte. Damals wie heute deute vieles darauf hin, dass die Ursachen der Zurückhaltung bei den Schweizer Industrieunternehmen in Europa zu finden seien, meint die CS.
Während die hiesige Industrie vor gut vier Jahren in erster Linie auf einen Schlag an der Preisfront an Wettbewerbsfähigkeit verloren habe, sorge derzeit vor allem die geringere Industrieaktivität in den wichtigsten Abnehmerländern Europas und weniger der starke Franken für Unsicherheit.
Unterschiede zur Lage nach dem Frankenschock im Jahr 2015 macht die CS in den einzelnen Subkomponenten aus. So war die Produktion damals nur in einzelnen Monaten unter die Wachstumsschwelle zurückgefallen, während die Firmen wegen der verschärften Kostensituation eher Personal abbauten und die Beschäftigungskomponente im PMI erst Mitte 2016 in die Wachstumszone zurückkletterte.
Aktuell sei dagegen die Produktion seit zwei Monaten rückläufig, während die Beschäftigungskomponente mit 52,9 Punkten weiterhin über den Werten aller anderen Subkomponenten liege und im Vergleich zum März sogar leicht zugelegt habe, hielt die CS fest. Dass Industriefirmen netto weiter Personal einstellen und die Einkaufslagerbestände wieder ansteigen, deute nicht auf einen anhaltenden Nachfrageeinbruch hin.
Dienstleister wachsen
In der Dienstleistungsbranche läuft es im Gegensatz zur Industrie nach zuletzt zwei rückläufigen Monaten wieder deutlich besser. Im April kletterte der entsprechende PMI-Wert um 7,4 Indexpunkte auf 61,8 Zähler. Zwar seien derart starke Bewegungen stets mit Vorsicht zu geniessen, warnte die Grossbank. Dass der Dynamikverlust vorerst zum Halt gekommen sei, sei aber positiv zu werten.
Auch die Dienstleister stellen offenbar Personal ein: Die Komponente Beschäftigung legte den zweiten Monat in Folge zu und steht im April mit 56,8 Punkten klar in der Wachstumszone. Positiv stimmen zudem die Komponenten Auftragsbestand, Geschäftstätigkeit und Neuaufträge, welche im April die höchsten Indexstände markieren.
Die jüngste Entwicklung im PMI zeige, dass die Schere zwischen der Industrie und den Dienstleistungen hierzulande weiter auseinandergehe, erklärte ein Analyst der ZKB. Während die Industriefirmen schwierige Zeiten durchlaufen, gehe es den Dienstleistern deutlich besser. Die Lage für die gesamte Schweizer Wirtschaft sei daher zwar nicht alarmierend, aber auch nicht positiv.
Für die Industrie belastend ist besonders die schwache Nachfrage aus Deutschland. Bei den Firmen gehe die Hoffnung um, dass die deutsche Industrie die Talsohle bald durchschritten habe und die Nachfrage wieder anziehe, sagte der ZKB-Experte im Gespräch mit AWP weiter. Diese Hoffnung sei auch der Grund dafür, weshalb in der Industrie trotz dunkler Wolken Personal aufgebaut werde. (awp/mc/pg)