Domat/Ems – Ems-Chemie ist auch im Jahr 2018 auf der Überholspur unterwegs gewesen. Doch die Wachstumsabkühlung trifft auch das von SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo geführte Unternehmen. Der Spezialitätenchemiekonzern will nun verstärkt auf Industrie- und Konsumanwendungen in den USA setzen.
Ob Autositze, Brillen oder Skischuhe: Auch 2018 kamen die hochleistungsfähigen Kunststoffe von Ems-Chemie wieder in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz. Insgesamt setzte das Unternehmen mit seinen Polymeren sowie mit Spezialitätenchemie 2,3 Milliarden Franken um, das sind 8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Das Geschäft ist lukrativ: Fast 27 Prozent vom Umsatz bleiben als Betriebsgewinn (EBIT) zurück. Auch wenn die Rohstoffkosten steigen, trifft das Ems kaum – denn das Unternehmen kann die Verteuerungen einfach über höherer Preise an die Kunden weiterreichen.
Investitionen in neue Anlagen
Zwar verringerte sich die Marge im letzten Jahr leicht, allerdings ist das vor allem einem rechnerischen Effekt geschuldet: «Der Gewinn muss sich aufgrund der Preiserhöhungen an einem höheren Umsatz messen», erklärte Firmenchefin Martullo.
Dennoch, ganz zurücklehnen kann sie sich nicht. Bereits 2018 lancierte sie ein Paket mit rund 400 Massnahmen zur Kostenverbesserung und Effizienzsteigerungen, von schmaleren Gabelstaplern für mehr Lagerraum bis hin zu einem Alarmsystem für Maschinenausfälle. Am stärksten dürften sich jedoch die Investitionen in neue Anlagen auswirken. «Wir kommen nun in eine Grössenordnung von Mengen, wo wir auch Grossanlagen betreiben können», sagte Martullo.
Schwäche im Automarkt
Auf ihrem Wachstumskurs weht der Gruppe allerdings inzwischen ein deutlich rauerer Wind entgegen. Zwar spielen Trends wie strengere Abgasvorschriften Ems in die Hände, weil sie mit ihren Produkten zur Gewichtseinsparung beiträgt. Aber die sich abzeichnende Abkühlung der Wirtschaft geht auch an dem Bündner Unternehmen nicht spurlos vorbei.
Der grösste Kundenmarkt von Ems, die Autoindustrie, schrumpfte im letzten Jahr leicht. Zwar blieb der Umsatzanteil der Autohersteller bei Ems bei über 60 Prozent stabil. Doch für das laufende Jahr könnte die Schwäche im Automarkt auch das sonst so selbstverständlich scheinende Wachstum bei Ems ins Stocken bringen. Erstmals seit Jahren stellt Ems nicht mehr einen Umsatz und Betriebsgewinn «leicht über dem Vorjahr» in Aussicht, sondern «mindestens auf Vorjahresniveau.»
Verkaufsmannschaft in USA aufstocken
Einen Einbruch der wichtigen Ertragsbasis von Ems befürchtet Martullo jedoch nicht. «Wir haben noch viele Projekte, die aufgegleist sind», sagte die Firmenchefin. Besonders im Autogeschäft in den USA sehe es sehr gut aus. Während sich die Konjunktur in Asien und Europa verlangsame, sei die USA dabei die grosse Ausnahme. Überhaupt setzt Ems vermehrt auf Amerika, gerade auch was das Geschäft ausserhalb des Automarktes angeht. Bis 2022 plant Ems, seine Verkaufs- und Entwicklungsmannschaft in den USA zu verdoppeln.
Anwendungsmöglichkeiten für seine Polymere sieht das Unternehmen etwa bei Gesundheitsgeräten, Sicherheitskameras, Smartwatches, Lacrosse-Schlägern oder Landwirtschaftsmaschinen. Derzeit ist Amerika zwar mit einem Umsatzanteil von knapp 17 Prozent nur der drittgrösste Markt für Ems hinter Europa und Asien. Allerdings liessen Firmen oft Anwendungen in den USA entwickeln und produzierten dafür im Ausland.
Die Ems-Chefin und Politikerin wünscht sich daher auch, dass die Schweiz die Freihandelsgespräche mit den USA vorantreibt. «Die Schweiz könnte jetzt technische Vorschläge bringen. Die Amerikaner, die wenig Zeit haben, könnten dann nur noch unterschreiben», sagte sie. Die USA stellten das grösste Freihandelspotenzial dar, das die Schweiz überhaupt habe.
Chancen auch in Turbulenzen
Von den USA erwartet sich die Ems-Chefin zudem den einschneidendsten Einfluss auf die Weltwirtschaft. «Das Verhältnis zu China wird entscheidend sein.» Sie hoffe allerdings, dass US-Präsident Donald Trump mit seinem Amtskollegen Xi Jinping eine Lösung finden werde. Trump stünde innenpolitisch unter Druck, Xi wegen der Wachstumsschwäche – beide hätten daher eine Interesse an einem aussenpolitischen Erfolg.
Doch auch wenn sich diese Hoffnungen zerschlagen sollten, zeigt sich Martullo als Optimistin hinsichtlich der Auswirkungen auf Ems: «Wir sind sowieso weltweit tätig. Wenn eine Firma ihre Produktion verlegt, sind wir sofort auch dort.» Und schwierige wirtschaftliche Zeiten würden auch Chancen für Ems bergen: Denn diese erhöhten den Druck zu Innovationen und Kostensenkungen. «Jedes Erdbeben gibt auch eine Goldader wieder frei.»
An der Börse jedenfalls applaudierten die Anleger: Die Aktie legte am Freitag um 2,4 Prozent zu. Nicht ganz unschuldig daran dürfte die saftige Dividende sein. Insgesamt schüttet Ems 19,75 Franken pro Aktie aus, nach 18,50 Franken im Vorjahr. Das bedeutet auch Millionenausschüttungen für Firmenchefin Martullo-Blocher und ihre beiden Schwestern, die zusammen über 60 Prozent von Ems besitzen. (awp/mc/upd/pg)