Domat/Ems – Der Ems-Gruppe machte das schwächere konjunkturelle Umfeld zuletzt zu schaffen. Vor allem die für Ems wichtige Autoindustrie schwächelt. Der leichte Umsatzrückgang im ersten Semester 2019 überrascht daher nicht. Der Betriebsgewinn stieg dennoch.
Die hochleistungsfähigen Kunststoffe von Ems-Chemie kommen in vielen Anwendungen zum Einsatz. Vor allem die Autobauer setzten auf die Ems-Polymere als leichtere Alternative zu Stahl und Co. Der grösste Kundenmarkt von Ems, er steuert mehr als sechs von zehn Franken zum Umsatz bei, schrumpfte zuletzt aber. Weltweit gingen von Januar bis Juni 6,3 Prozent weniger Fahrzeuge vom Band. Das hinterliess Spuren bei Ems: Insgesamt setzte das Unternehmen mit seinen Polymeren sowie mit Spezialitätenchemie 1,16 Milliarden Franken um, das sind 3,5 Prozent weniger als im Vorjahr. In Lokalwährungen gerechnet, also die Aufwertung des Frankens ausgeklammert, wären die Ems-Verkäufe um 1,4 Prozent gesunken.
Doch Ems-Produkte stecken nicht nur in Autoteilen. Das Unternehmen generierte zuletzt erneut viele Neugeschäfte – auch ausserhalb des Automobilsektors. Die Kunststoffe aus Domat/Ems und anderen Standorten werden auch in Brillen, Skischuhen, Elektrowerkzeugen oder Banknoten verwendet.
Volumenrückgang mit Neugeschäften ausgeglichen
«Den konjunkturell bedingten Volumenrückgang haben wir mit unseren Neugeschäften ausgeglichen», erklärte die Firmenchefin Magdalena Martullo am Freitag vor den Medien. Eine besondere Erwähnung fand dabei der Neukunde Bialetti.
An den Hersteller des berühmten italienischen Espressokochers liefert Ems das Material für den Deckelknauf und den Henkel. «Darauf bin ich ganz besonders stolz», sagte Martullo. Denn bei ihr zu Hause komme nur diese Maschine zum Einsatz. Die SVP-Nationalrätin ist mit einem gebürtigen Süditaliener verheiratet.
Früh auf Abschwung eingestellt
Neugeschäfte können meist mit besseren Margen abgeschlossen werden. Vor allem aber hatte sich Ems bereits früh auf einen möglichen Abschwung eingestellt. Schon Anfang 2018 wurde ein Paket von Massnahmen zur Kostenverbesserung und Effizienzsteigerung lanciert. «Davon profitieren wir jetzt», sagte Martullo.
In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Der Betriebsgewinn stieg um 1,1 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 316 Millionen Franken. 27,3 Prozent vom Umsatz bleiben also als EBIT zurück, das sind 1,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Das ist aber auch einem rechnerischen Effekt geschuldet. Weil die benötigten Rohstoffe insgesamt billiger wurden, hat Ems seinen Kunden auch tiefere Verkaufspreise verrechnet. Der Gewinn muss sich aufgrund der Preissenkungen an einem tieferen Umsatz messen.
Im Rahmen des «Fitnessprogramms» hat Ems auch freiwerdende Stellen teilweise nicht mehr besetzt, erklärte Martullo. In der Folge zählt die Lohnliste heute rund 3 Prozent weniger Mitarbeiter als noch vor einem Jahr. In der Schweiz sei die Zahl der Angestellten stabil geblieben.
Das reicht Martullo offenbar: «Nach der Finanzkrise 2009 mussten wir zur Kurzarbeit greifen, das wollen wir dieses Mal verhindern.» Eine Verlagerung der Tätigkeit aus dem Hochlohnland Schweiz heraus stehe nicht zur Debatte. Ganz im Gegenteil: «Wir investieren hier stark», betonte die Ems-Chefin.
Keine Umsatzprognose
Ems traut sich auch zu, trotz einer «deutlich verschlechterten» Konjunktur den Betriebsgewinn 2019 mindestens auf der Höhe des Vorjahres zu halten. Erstmals seit Martullo den Konzern leitet, also erstmals seit 15 Jahren, verzichtet die Gruppe aber auf die Nennung einer Umsatzprognose für das laufende Jahr. Es gebe zu viele Unsicherheitsfaktoren, die eine Voraussage verunmöglichen würden, sagte Martullo.
Ganz sicher waren sich hingegen die Börsianer, die bei Ems kräftig zugriffen. Bis zwei Stunden vor Handelsende verteuerten sich die Papiere um fast 7 Prozent. Am Vortag hatten mit Bossard und Sensirion zwei stark in der Automobilindustrie engagierten Firmen mit schlechten Nachrichten aufgewartet. Entsprechend erleichtert waren die Anleger zum Wochenschluss. (awp/mc/pg)