Bern – Der Bund hat nicht viele Möglichkeiten, schwere Engpässe bei Medikamenten zu beheben, wenn die Wirtschaft die Versorgung nicht bewältigt. Er kann für freiwillige Pflichtlager sorgen oder aber solche verordnen. In diesem Fall werden Herstellerfirmen verpflichtet, Produkte in einem vertraglich festgeschriebenen Umfang an Lager zu halten oder aber solche Lager mitzufinanzieren, erklärt Stefan Mühlebach, Chef des Bereichs Heilmittel der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Die wirtschaftliche Landesversorgung dürfe jedoch nur eingreifen, wenn der freie Markt nicht funktioniere. Die aktuelle Verknappung bestimmter Krebsmittel will Mühlebach nicht dramatisieren. Das Problem liegt nach seinen Angaben teilweise bei den Spitälern. Diese hätten ihre Lager deutlich reduziert, so dass die Vorräte an Medikamenten statt wie früher zwei Monate nur noch wenige Wochen herhielten. Dafür hat Mühlebach durchaus Verständnis, denn ein Vorrat bedeute gebundenes Kapital.
Verständnis zeigt er auch für die Situation der Pharmabranche: Läuft der Patentschutz für ein Medikament aus, könne der Preis um bis zu 90% einbrechen. Viele Firmen stiegen deshalb aus der Produktion aus und die wenigen verbleibenden seien dann anfälliger für Versorgungsstörungen.
Globalisiertes Problem
Von den Engpässen ist laut Mühlebach nicht nur die Schweiz betroffen. Die Produktion von Medikamenten und deren Planung könne Monate dauern und die Prozesse seien zu kompliziert und zu schwierig, um kurzfristige Lösungen zu präsentieren.
Um die Lage im Griff zu behalten, analysierten die zuständigen Stellen die Situation laufend, sagte Mühlebach. Eine mögliche Lösung besteht nach seinen Angaben darin, die Pharmaunternehmen anzuhalten oder sogar zu verpflichten, Produktionsengpässe frühzeitig zu kommunizieren. Aber die Vorwarnung sei schwierig, gibt Mühlebach zu bedenken. Kein Unternehmen kommuniziere gerne Produktionsprobleme. Zudem sei es in einem globalisierten Markt schwierig, eine solche Forderung durchzusetzen.
Grosse Abhängigkeit vom Import
Nach Angaben der wirtschaftlichen Landesversorgung ist die Schweiz beispielsweise bei Antibiotika und Insulinen, aber auch bei chirurgischen Instrumenten aus Metall sowie bei Plastikutensilien wie Spritzen, Infusionsbesteck oder Blutentnahmesystemen praktisch vollständig importabhängig. (awp/mc/pg)