Bern – Die Schweiz hat ihren ersten Coronavirus-Fall. Ein 70-jähriger Mann aus dem Tessin ist am Dienstag positiv getestet worden. Vor zehn Tagen hatte er an einer Versammlung in der Gegend von Mailand teilgenommen. Der Bund ändert vorerst nichts an seinen Massnahmen.
Das sagte Pascal Strupler, Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), am Dienstagabend vor den Bundeshausmedien in Bern. Das Risiko für die Bevölkerung sei weiterhin «moderat» – auch, weil sich der Mann offenbar nicht in der Schweiz, sondern in Italien angesteckt habe.
Wegen der zunehmenden Fälle insbesondere in Norditalien steige aber die Wahrscheinlichkeit, dass auch in der Schweiz weitere Corona-Fälle registriert würden. Momentan sind laut dem Bund siebzig Tests in der Schweiz hängig, eine gute Handvoll aus dem Kanton Tessin.
«Wir haben einen solchen ersten Fall erwartet», sagte Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten beim BAG. Jetzt werde das gemacht, was vorbereitet worden sei. Das heisst: Alle Kontaktpersonen des infizierten Mannes werden eruiert und in Quarantäne genommen. Falls sie Krankheitssymptome zeigen, werden sie medizinisch untersucht und isoliert. Momentan ist unklar, ob der 70-Jährige überhaupt jemanden angesteckt hat.
Auf Isolationsabteilung im Spital
Der positiv getestete Mann hat nach Angaben des Bundes am 15. Februar an einer Versammlung in der Gegend von Mailand teilgenommen. Zwei Tage später habe er erste Symptome gezeigt. Der Mann habe sich seither zu Hause aufgehalten. Am Dienstag sei er positiv getestet worden. Der Patient ist seither in der Luganeser Klinik Moncucco isoliert.
«Die Klinik widmet der Behandlung dieses Falls maximale Aufmerksamkeit und gewährleistet die Sicherheit aller Patienten und ihrer Mitarbeiter», schreibt das Spital in einer Mitteilung. Momentan laufe die Klinik im Normalbetrieb. Die Spitalleitung stehe in ständigem Austausch mit den Behörden des Kantons und des Bundes.
Keine Ansteckungskette
Für die Schweizer Gesundheitsbehörden ändert sich trotz des ersten Coronavirus-Falls nichts an der aktuellen Risikoeinschätzung. Bisher haben die Schweizer und Tessiner Behörden trotz der Ausbreitung des Coronavirus im nahen Norditalien nur sanfte Massnahmen beschlossen.
Das heisst: Es gibt weiterhin keine Einschränkungen für öffentliche Veranstaltungen, Schulen, Bars oder Restaurants. Dafür werden in den nächsten Tage Informationsbroschüren in gedruckter Form an den Schweizer Grenzübergängen verteilt. Zudem werden der Bevölkerung öffentlichkeitswirksam verschiedene Hygienemassnahmen in Erinnerung gerufen.
Verschärfte Grenzkontrollen ergäben keinen Sinn, sagte Koch vom BAG. «Man sieht den Menschen nicht an, ob sie das Virus in sich tragen oder nicht.» Restriktivere Massnahmen träten erst in Kraft, «wenn wir die Übersicht verlieren über die Ansteckungsketten». Derzeit gebe es in der Schweiz noch gar keine solche Kette.
Ausnahmezustand in Italien
Derweil breitet sich das Coronavirus in Italien auf immer mehr Regionen aus. Die Zahl der Infizierten stieg bis Dienstagmittag auf rund 280. Die italienische Regierung hat drastische Massnahmen gegen das Virus ergriffen.
Elf Ortschaften, zehn in der Lombardei und eine in Venetien, wurden abgeriegelt. Der Karneval in Venedig wurde abgebrochen, Fussballspiele und andere Grossveranstaltungen wurden abgesagt. Schulen und Universitäten in allen betroffenen Regionen bleiben vorerst geschlossen.
Am Dienstag trafen sich die Gesundheitsminister aus Italien, der Schweiz, Deutschland, Slowenien, Frankreich und Österreich in Rom zu Beratungen. Bundesrat Alain Berset nahm für die Schweiz an dem Treffen teil.
Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza sagte nach dem Treffen, die Minister seien übereingekommen, dass Grenzschliessungen zu Italien nicht angebracht seien. Eine Schliessung der Grenzen «wäre ein Fehler und unverhältnismässig», hiess es. Auch Reisebeschränkungen wurden nicht in Betracht gezogen. Über Grossveranstaltungen soll je nach Lage entschieden werden.
Nach dem Ausbruch einer Coronavirus-Epidemie in Italien melden immer mehr europäische Staaten Nachweise des Erregers. Österreich, Kroatien, das spanische Festland und die Schweiz berichteten am Dienstag von Covid-19-Fällen. In der Golf-Region droht sich das Virus ebenfalls auszubreiten.
Unterdessen berieten die Gesundheitsminister von Italien, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Slowenien, Frankreich, Kroatien und San Marino am Dienstag in Rom über das Coronavirus. An dem Treffen nahm auch Bundesrat Alain Berset teil.
Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza sagte nach dem Treffen, die Minister seien übereingekommen, dass Grenzschliessungen zu Italien nicht angebracht seien. Eine Schliessung der Grenzen «wäre ein Fehler und unverhältnismässig», hiess es. Auch Reisebeschränkungen wurden nicht in Betracht gezogen. Über Grossveranstaltungen soll je nach Lage entschieden werden.
Lombardei als Herd
Viele der neuen Nachweise in europäischen Ländern – neben der Schweiz u.a. auch Österreich und Kroatien – stehen im Zusammenhang mit der zuletzt besonders stark betroffenen Region Lombardei in Norditalien. In dieser Gegend kamen bis am Dienstagabend vier weitere Menschen ums Leben, womit die Zahl der Toten in Italien auf elf steigt. Drei der neuen Opfer starben in der Lombardei, eines in Venetien.
Die Zahl der Infektionen stieg am Dienstag auf 322 Fälle – 240 davon in der Lombardei. Damit ist Italien aktuell mit Abstand das Land mit den meisten erfassten Fällen in Europa. Auf Sizilien gebe es den ersten Fall Süditaliens, teilte Zivilschutzchef Angelo Borrelli mit. Auch im Südtirol wurde ein Infizierter gemeldet, in der Toskana waren es zwei.
Wie es zu so einem rasanten Ausbruch kommen konnte, ist noch nicht bekannt. In der Lombardei wurden zehn Gemeinden in der Provinz Lodi zu Sperrzonen erklärt. Dort kontrollieren Sicherheitskräfte, wer hinein und hinaus darf.
Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus ist nach einer neuen Einschätzung für Europäer derzeit «niedrig bis moderat». Als «moderat bis hoch» schätzt eine Studie das Risiko ein, dass sich Fälle wie derzeit in Italien auch anderswo häufen. (awp/mc/ps/pg)