Bern – Die EU-Kommission kritisiert die Haltung des Bundesrats zum Rahmenabkommen scharf. In einem internen Protokoll wirft sie ihm Unwillen zu dessen Abschluss vor. Bundespräsident Guy Parmelin reist am 23. April allein zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Brüssel. Seine Mission ist schwierig.
Bundesratssprecher André Simonazzi gab die Soloreise am Freitag auf Twitter bekannt. Er bestätigte auch das Datum, das die EU bereits früher genannt hatte. Das Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auf präsidialer Ebene soll wieder Schwung in die Gespräche über das institutionelle Rahmenabkommen bringen.
In diesem Sinne äusserte sich auch der Chefsprecher der EU-Kommission, Eric Mamer. Die EU erhoffe sich vom Treffen zwischen von der Leyen und Parmelin eine Dynamik, um das Abkommen endlich finalisieren, unterschreiben und ratifizieren zu können, sagte er vor den Medien in Brüssel.
Am Freitag informierte die EU-Kommission den Botschafterausschuss unter dem Tagesordnungspunkt «Verschiedenes» mit dem Fazit: Die Problemfelder zwischen der EU und der Schweiz, seien, was das Rahmenabkommen betrifft, noch immer die gleichen wie bisher.
Vertreter mehrerer Mitgliedsstaaten erwarten vom Treffen zwischen der Schweiz und der EU Klärungen beim institutionellen Rahmenabkommen, wie eine EU-Diplomatin gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
Cassis nun doch nicht dabei
Zunächst war davon ausgegangen worden, dass Wirtschaftsminister Parmelin (SVP) von Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) begleitet werde. Auch Cassis selbst hatte damit gerechnet.
Simonazzi hielt fest, das präsidiale Treffen finde auf Wunsch der EU nur zwischen den Präsidien statt. Cassis bestätigte das am Rand eines Aussenministertreffens in Lugano gegenüber Schweizer Radio SRF. Dafür gebe es «protokollarische Gründe».
Parmelins Treffen mit von der Leyen am kommenden Freitag steht unter einem ungünstigen Stern. Gemäss einem von Schweizer Radio und Fernsehen SRF am Donnerstag bekannt gemachten internen Protokoll für die 27 EU-Staaten geht die EU-Kommission hart ins Gericht mit der Landesregierung.
Vielleicht eine Einigung
Eine mögliche Einigung bei dem Präsidententreffen sieht die Kommission gemäss dem der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vorliegenden Protokoll lediglich bei einem der drei strittigen Punkte. Bei den staatlichen Beihilfen lasse sich die Forderung nach einer Ausnahme erfüllen.
Bei den anderen beiden Punkten Lohnschutz und Unionsbürgerrichtlinie bleibt die Kommission gemäss dem Protokoll hart. Im Lohnschutz kann sie nicht von den geltenden EU-Richtlinien abweichen. Das Unionsbürgerrecht mit dem Zugang zum Sozialsystem ist für sie das Herzstück der Personenfreizügigkeit.
Allerdings sind hier gemäss dem Protokoll Lösungen möglich. Die Kommission vermisst aber ein Engagement der Schweiz. Diese möchte die drei Bereiche am liebsten vom Abkommen ausnehmen, sogenannt immunisieren.
Ohne weitergehende Engagements seitens der Schweiz seien die Chancen auf eine Einigung nahe Null, heisst es im Protokoll. «Einen Plan B gibt es derzeit nicht.»
Breitseite gegen die Schweiz
In einer eigentlichen Breitseite hält die Kommission in dem Protokoll fest, dass sich die Schweiz immer weiter vom 2018 im Abkommensentwurf festgehaltenen Kompromiss entfernt.
Es sei in den Verhandlungen mit Chefunterhändlerin Livia Leu nicht klar geworden, was das Land wolle. Einen Fahrplan habe die Schweiz zurückgewiesen. Sowohl beim Prozess als auch beim Inhalt sieht die EU-Kommission keine Fortschritte.
Auf Antworten auf ihre Vorschläge zu den drei offenen Punkten musste die EU-Kommission gemäss dem Protokoll einen Monat lang warten. Nie habe sich die Schweizer Seite aktiv mit Lösungsvorschlägen an die Kommission gewandt. Sie wartete demnach immer auf die EU-Seite.
Die EU-Kommission bekam gemäss dem Protokoll den Eindruck, dass niemand in der Landesregierung an dem Abkommen wirklich Interesse hat. In den Treffen unterstrich Leu demnach immer, dass sich der Fokus bei einem Scheitern des Rahmenabkommens auf die bestehenden Abkommen richten sollte. Der Bundesrat wollte das EU-Protokoll nicht kommentieren, wie Sprecher Simonazzi auf Anfrage von Keystone-SDA mitteilte. (awp/mc/pg)