Stromabkommen: EU dürfte Verhandlungen aussetzen
Brüssel – Nach dem Schweizer Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative ist unklar, wie es mit dem Stromabkommen zwischen der EU und der Schweiz weiter geht. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Verhandlungen jedoch ausgesetzt. Bereits wurde von der EU-Kommission ein Treffen abgesagt. Auch die EU-Gelder für Forschung und Bildung sind fraglich.
Am Montag habe die EU-Kommission «ein demnächst geplantes Treffen auf technischer Verhandlungsebene abgesagt», hiess es seitens des Eidgenössisches Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die Begründung lautete, dass ein nächstes technisches Treffen erst sinnvoll sei, «wenn Gespräche innerhalb der EU sowie zwischen der EU und der Schweiz Klarheit zur weiteren Zusammenarbeit geschaffen haben», liess das EDA verlauten.
Ohne Rahmenabkommen kein Stromabkommen
Die Verhandlungen über den Zugang der Schweiz zum europäischen Strommarkt befinden sich eigentlich auf der Zielgeraden. Die EU hatte sich jedoch von Beginn weg auf den Standpunkt gestellt: ohne Rahmenabkommen zur Lösung der «institutionellen Fragen» kein Stromabkommen.
Aus EU-Kreisen hiess jüngst, dass man dafür plädiere, das Mandat zum Rahmenabkommen zu verabschieden, aber: «Wir müssen ja noch nicht sofort mit Verhandlungen beginnen.»
EU hofft auf Klärung
Die EU erhoffe sich von der Bundesratssitzung am Mittwoch eine gewisse Klärung der Situation, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag. Denn erst wenn die EU weiss, was die Schweiz konkret plant, kann sie für sich Entscheidungen fällen. Das weitere Vorgehen müsse dann im grösseren Kontext der bilateralen Beziehungen analysiert werden, teilte die EU-Kommission weiter mit.
Somit sind zurzeit praktisch alle zwischen der EU und der Schweiz offenen Dossiers im «Stand-by»-Modus.
Verlust von EU-Geldern für Forschung und Bildung?
Als Konsequenz könnten der Schweiz auch EU-Gelder für Forschung und Bildung entgehen. EU-Diplomaten haben bereits erklärt, Brüssel könnte unter bestimmten Umständen Gelder aus dem Studenten-Austauschprogramm «Erasmus+» oder dem Forschungsprogramm «Horizont 2020» einfrieren.
Bundespräsident Burkhalter diskutiert mit APK Auswirkungen der Abstimmung
Zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative ist Bundespräsident Didier Burkhalter der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK) am Dienstagmorgen Rede und Antwort gestanden. Auch hier galt die Hauptsorge dem Forschungsprogramm «Horizon2020» und dem Austauschprogramm «Erasmus+». Diese stehen nach der Annahme der Initiative auf dem Spiel, wie Bundespräsident Didier Burkhalter im Anschluss an die Kommissionssitzung vor den Bundeshausmedien sagte. Über die Teilnahme der Schweiz an beiden EU-Programmen sind im Moment Verhandlungen im Gang.
Nach Angaben von APK-Präsident Carlo Sommaruga (SP/GE) stellt die EU eine Verbindung her zwischen diesen Verhandlungen und der Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien. Ob das bereits fertig verhandelte Zusatzprotokoll zum Freizügigkeitsabkommen überhaupt unterzeichnet und ratifiziert werden kann, ist im Moment ungewiss.
Komplexe Ausgangslage
Die Verzahnung von bestehenden Abkommen, laufenden Verhandlungen und künftigen Beziehungen macht die neue Ausgangslage besonders komplex. Burkhalter skizzierte drei Handlungsfelder, die in der Kommission diskutiert worden seien: Die Umsetzungsarbeiten in der Schweiz, die Zukunft des Freizügigkeitsabkommens und die künftigen Beziehungen zur EU insgesamt.
Die Kommission habe sich angesichts dieser grossen Herausforderungen «sehr besorgt» gezeigt, sagte Sommaruga. Konkrete Lösungsvorschläge seien bisher nicht diskutiert worden. (awp/mc/pg)