Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz. (Bild: Euler Hermes)
Zürich – 2016 wird für Unternehmen in zahlreichen Branchen hart werden, so die Analyse des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes. Die aktuelle Studie „Let the Sector Games begin“ untersucht die kurz- und langfristigen Herausforderungen in rund 1.300 Einzelbranchen weltweit und inwiefern sich Branchenrisiken verändern. Zum Jahresende 2015 sind Risiken nochmals erheblich angestiegen. Die einzelnen Sektoren stehen jedoch vor unterschiedlichen Hindernissen und müssen sich in verschiedenen Disziplinen ihrem Wettkampf stellen: vom Triathlon über Marathon, Synchronschwimmen, Hürdenlauf, Geräteturnen, Fechten, Hochsprung und Wrestling.
Schweiz: Moderates Wachstum im Jahr 2015 nach Aufwertung des CHF
Gegenüber dem Vorquartal verzeichnete das BIP real im 4. Quartal einen Anstieg um +0,4% (im 3. Quartal -0,1%), und gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres betrug der Anstieg ebenfalls +0,4% (+0,8%). Das BIP-Wachstum im Gesamtjahr 2015 lag damit bei +0,9%. Diese Abschwächung gegenüber +1,9% Wachstum im Jahr 2014 war nach der starken Aufwertung des Schweizer Frankens (CHF) im Anschluss an die im Januar 2015 erfolgte Aufhebung der Obergrenze für den CHF/EUR-Kurs erwartet worden. Trotz dieser letzteren Massnahme leisteten die Nettoimporte mit +0,7 Prozentpunkten einen positiven Beitrag zum Wachstum im Gesamtjahr, denn die Exporte stiegen real um +3,1%, während die Importe um +2,5% zulegten. Ohne Transithandel und Wertgegenstände, die circa 25% des Aussenhandels der Schweiz ausmachen, stark schwanken und eine eher geringe Korrelation zum Konjunkturzyklus aufweisen, stiegen die Exporte jedoch gerade einmal um +0,2% und die Importe um +1,7%, was ein deutlicheres Bild von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Aufwertung des Schweizer Frankens zeichnet. Die Inlandsnachfrage war 2015 solide: Der private Verbrauch war um +1% höher, der staatliche Verbrauch um +1,7%, und bei den Investitionen betrug das Plus 1,4%. Allerdings schmälerte der Abbau von Lagerbeständen das Wachstum um -0,9 Prozentpunkte. Laut Prognose von EH wird das BIP für das Gesamtjahr 2016 um +1,3% ansteigen.
So sehen Sieger aus: 5 Eigenschaften, die ein Unternehmen für den Wettkampf 2016 braucht
„Fünf Eigenschaften sind für Unternehmen entscheidend, um sich im schwierigen Wettkampf 2016 zu behaupten“, sagte Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. „Widerstandsfähigkeit gegenüber langfristig niedrigen Rohstoffpreisen ist dabei ebenso wichtig wie die Genauigkeit bei der Auswahl und Ausrichtung auf die jeweiligen Zielmärkte angesichts der Turbulenzen in China, Brasilien und Russland. Finanzielle Stärke und eine entsprechende Absicherung benötigen Firmen angesichts der steigenden Verschuldung von Unternehmen sowie einem erhöhten Forderungsausfallrisiko. Aber auch die Schnelligkeit bei der Umsetzung von Massnahmen zur Abfederung von Marktschwankungen spielt eine grosse Rolle. Zu guter Letzt brauchen Unternehmen die notwendige Agilität, um sich trotz der bevorstehenden Welle von Fusionen und Unternehmensaufkäufen und des steigenden Preisdrucks zu behaupten.“
Kühler Kopf gefragt: zum Jahresstart 2016 bewegt sich jede 4. Branche auf schwierigem Terrain
Die Euler Hermes Volkswirte haben 2015 insgesamt 148 Branchen aufgrund steigender Risiken in ihrer Bewertung herabgestuft – dem gegenüber standen gerade einmal 76 Hochstufungen bei verbesserter Lage.
„Zum Jahresstart 2016 bewegt sich jede vierte Branche auf schwierigem Terrain“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Das bedeutet, sie sind entweder bereits stark gefährdet oder sie weisen erhebliche Risiken auf und sind anfällig für wirtschaftliche Turbulenzen. Manager müssen also in den kommenden Monaten einen kühlen Kopf bewahren nach dem durch die Volatilität der Finanzmärkte verursachten Adrenalinschub, den steigenden Exportrisiken durch wachsende Insolvenzzahlen und einer vielerorts sinkenden Zahlungsmoral.“
Die Herausforderungen variieren von Branche zu Branche.
Triathlon in der Metallbranche, Wrestling im Einzelhandel, „Luxusprobleme“ in Pharmaindustrie
„Die Metallbranche muss sich im Triathlon aus Nachfrage, Preisen und Verschuldung messen“, sagte Subran. „Der Energiesektor tritt im Marathon der niedrigen Ölpreise an, der Bausektor im (Un-)Synchron-schwimmen in den verschiedenen Ländern und der Maschinenbau im Hürden- oder Hindernislauf. Der Transportsektor zeigt beim Geräteturnen seine Künste beim Spagat zwischen Luftfracht, Strassenverkehr und Seetransport und der Einzelhandel kämpft beim Wrestling um Margen und Profite. Der IT-Dienstleistungssektor darf die eigene Deckung nicht vernachlässigen beim Fechtkampf gegen die Konkurrenz. Im Gegensatz dazu hat die Pharmabranche fast ein Luxusproblem und muss bei den Gewinnen den eigenen Hochsprung-Rekord brechen.“
Euler Hermes hat mit seinem Ansatz der Branchenrisikoanalyse fünf makroökonomische Herausforderungen ermittelt, denen sich Unternehmen 2016 stellen müssen.
- Lang anhaltend niedrige Rohstoffpreise
Euler Hermes prognostiziert, dass die niedrigen Ölpreise zu einer Abschwächung der ölbezogenen Investitionstätigkeit um schätzungsweise 25% führen werden. Dies setzt wiederum die Maschinen- & Anlagenbauer stark unter Druck. Im Gegensatz dazu ist die Transportbranche die grosse Gewinnerin der niedrigen Ölpreise – dokumentiert durch 8 Hochstufungen im Jahr 2015, insbesondere in Europa. Sonstige Rohstoffe wie Eisenerz erleben voraussichtlich noch einen weiteren Preisverfall. Dies wird die Metallbranche weiterhin beeinträchtigen, die die Experten von Euler Hermes bereits in den meisten Ländern (61 von 72) als anfällig für wirtschaftliche Risiken oder von diesen stark gefährdet bewerten. - Turbulenzen in den Schwellenländer
Die aufstrebenden Volkswirtschaften der Schwellenländer erlebten 2015 eine noch nie da gewesene Anzahl von (122) Herabstufungen verglichen mit einer nur begrenzen Anzahl von Hochstufungen. Afrika und der Nahe Osten sowie Lateinamerika waren durch 39 beziehungsweise 34 Herabstufungen der Branchenrisiken gekennzeichnet. Brasilien liegt mit 15 von 18 Branchen quasi im Auge des Sturms. Dort muss man sich auf ein gesteigertes beziehungsweise hohes Risiko von Zahlungsausfällen einstellen. Im Gegensatz dazu hat die Entwicklung in Westeuropa innerhalb der weltweiten Risikoprofile mit 24 Hochstufungen bei den Branchenrisiken ausgleichend gewirkt. - Steigende Verschuldung, längere Forderungslaufzeiten und ein erhöhtes Ausfallrisiko
Die Forderungslaufzeit (Days of Sales Outstanding, DSO), also die Zeit zwischen Rechnungslegung und Begleichung einer Forderung, verlängert sich derzeit weltweit. Dies ist eine Schlüsselkennzahl für den Cash-Flow sowie für Insolvenzen. In China verschlechterte sich die DSO im Jahr 2015 auf 81 Tage, für 2016 rechnet Euler Hermes mit einer weiteren Verschlechterung um drei Tage auf dann 84 Tage. Insolvenzen steigen in China nach Einschätzungen des Kreditversicherers um 20%. Die Verschuldungsquoten sind auf einem alarmierend hohen Niveau, selbst wenn man sie um die vorhandenen liquiden Mittel bereinigt. Tatsächlich liegen die Verschuldungsquoten in der Metallbranche bei 108% und sowohl im Maschinen- & Anlagenbau als auch in der Papierindustrie bei 92%. - Volatilität, Marktschwankungen, Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle „Digital Disruption“
Die zyklische Investitionstätigkeit bleibt verhalten angesichts der grossen Volatilität und Unsicherheiten bei der globalen wirtschaftlichen Entwicklung und den Marktschwankungen in einzelnen Ländern. Gleichzeitig lauert das Risiko der „Digital Disruption“, der Unterwanderung des Geschäftsmodells eines Unternehmens durch neue Technik und ein neues Geschäftsmodell. Die Gefahr steigt mit den folgenden drei Aspekten: Distanz zum Kunden, ein Ausstieg aus Forschung und Entwicklung und die Abhängigkeit von Infrastruktur im weltweiten Branchenvergleich. Carsharing-Modelle oder auch der Einzelhandel sind hier ein sehr anschauliches Beispiel. Der Internethandel und Absatz über mobile Endgeräte macht heute bereits 3,5 Milliarden US-Dollar aus. Aber auch die Papierbranche sieht ihr Geschäftsmodell durch die Digitalisierung massiv unterwandert und muss neue Wege finden. - Weitere Welle von Fusionen und Zukäufen 2016
Spielräume für organisches Wachstum schwinden. Deshalb prüfen Unternehmen vermehrt die Möglichkeit von Unternehmenszukäufen. Euler Hermes geht davon aus, dass das Volumen der weltweiten Fusionen und Unternehmenszukäufe 2016 erneut vier Milliarden US-Dollar übersteigen wird, wobei die Anzahl der Transaktionen um 10% auf rund 20.000 ansteigen dürfte. Diese Zahlen ergeben sich aus einer hohen Aktivität in der Chemie-, Pharma- und Technologiebranche. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen durch asiatische Unternehmen, die europäische Unternehmen ins Visier nahmen, war im Jahr 2015 ein besonders dynamisches Wachstum festzustellen – eine Steigerung von 17%. (Euler Hermes/mc)
https://youtu.be/31PQJI7riyA