Euler Hermes: Steigende Insolvenzen aufgrund Aufhebung Euro-Mindestkurs

Euler Hermes: Steigende Insolvenzen aufgrund Aufhebung Euro-Mindestkurs

Zürich – Im 2015 sind in der Schweiz die Insolvenzen um rund +4% gestiegen. Ein massgeblicher Grund dafür war die plötzliche Aufhebung des Euro-Mindestkurses, die eine starke Aufwertung des Schweizer Frankens zur Folge hatte und die Export-Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz vermindert hat. Auch im Jahr 2016 hat dies Auswirkungen: Euler Hermes prognostiziert in seiner aktuellen Studie für 2016 einen weiteren Insolvenzanstieg um + 1%.

Schweiz: Negativentwicklung bei Insolvenzen gegen den allgemeinen Trend in Westeuropa
„Die um 4% steigenden Insolvenzen im laufenden Jahr bestätigen unsere Erwartungen – und die Befürchtungen vieler Schweizer Unternehmen“, sagt Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. „Mehr als die Hälfte der von uns befragten Unternehmen hatte bereits zu Jahresbeginn Aufträge durch die Aufhebung des Euro-Mindestkurses verloren. Mit den zunehmenden Insolvenzfällen in der Schweiz zeigt sich nun eine weitere Negativfolge daraus, die sich auch im kommenden Jahr fortsetzen wird, wenngleich nicht in der gleichen Intensität wie 2015. Diese Negativentwicklung in der Schweiz ist im Übrigen gegen den allgemeinen Trend in Westeuropa, die meisten anderen Länder verzeichnen einen Rückgang bei den Insolvenzen.“

Exportrisiko-Monitor 2015: Befürchtungen von Export-Unternehmen bestätigen sich
Diese Prognose bestätigt die Resultate der Ende Januar 2015 von Euler Hermes in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule durchgeführten Studie Exportrisiko-Monitor 2015. Rund 400 Unternehmen wurden zu Export-Risiken befragt. Damals gaben 87% der exportorientierten Schweizer Unternehmen an, mittel bis stark vom Währungsrisiko betroffen zu sein. 56% der befragten Unternehmen gaben an, Aufträge wegen der aktuellen Währungssituation verloren zu haben. Die folgenden Absicherungsmassnahmen wurden damals von Schweizer Exportunternehmen zur Absicherung des Währungsrisikos aufgeführt:

  • Rund 50% der Unternehmen erhöhten den Einkauf im Ausland und senkten die Kosten in der Schweiz
  • 29% gaben an, Absicherungen über Währungstermingeschäfte vorzunehmen
  • Bemerkenswerte 32% gaben an, ihre Rechnungen im Ausland in Schweizer Franken stellen zu können
  • Ebenfalls beträchtliche 24% gaben an, die Preise im Ausland bei der Aufwertung des Schweizer Frankens erhöhen zu können
  • Lediglich 5% der befragten Unternehmen trafen keine Massnahmen.

„Die damals von den Unternehmen geplanten Massnahmen haben die negativen Auswirkungen durch die Aufwertung des Schweizer Frankens nicht komplett abzufedern vermocht“, erklärt Ruf. „Hinzu kommt, dass die Exportrisiken in den Schwellenländern 2016 stark ansteigen – insbesondere in China, wo wir einen Insolvenzanstieg von 20% im 2016 erwarten. Das kommende Jahr wird für Schweizer Firmen kein einfaches Jahr.“

„When the BRICS hit a wall“ – die Schwellenländer schwächeln
Weltweit rechnet Euler Hermes bei den Insolvenzen mit einer Trendwende: Erstmals nach sechs Jahren der rückläufigen Pleiten wird dieser Trend im kommenden Jahr unterbrochen. Die Volkswirte von Euler Hermes rechnen 2016 mit unveränderten Fallzahlen und weltweit rund 300.000 Insolvenzen – das ist weiterhin 3% über dem Vorkrisenniveau der Jahre 2003-2007. Ursache für diese negative Entwicklung sind vor allem die Schwellenländer – insbesondere Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die soge-nannten BRICS – die mit zahlreichen Problemen kämpfen und teilweise einen starken Anstieg bei Zahlungsausfällen und Insolvenzen hinnehmen müssen.

Jedes zweite Land weltweit mit mehr Insolvenzen in 2016 – Romanze mit Schwellenländern auf Eis
„Jedes zweite Land weltweit verzeichnet nach unserer Ansicht 2016 einen Anstieg bei den Insolvenzfällen“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Nach einer fünfjährigen Romanze, in der die Schwellenländer mit den grössten globalen Wachstumsraten zu den Lieblingen vieler Investoren zählten, stossen diese nun an ihre Grenzen. Hohe Defizite bei ihrer Leistungsbilanz, ein fragiler Privatsektor und hochpolitische Reformpläne sind oft ein perfekter Sturm, der Kapital aus dem Land fegt. Volatilität und Nervosität bei Investoren sind weitere Unwetterböen – und natürlich erheblich steigenden Kreditrisiken. Zudem sind einige der Länder durch sinkende Rohstoffpreise, eine starke Abwertung der lokalen Währung, steigende Kosten und eine drohende Zinserhöhung der US-Notenbank gleich doppelt vom Blitz getroffen. Wir erwarten 2016 deshalb in den aufstrebenden Märkten einen merklichen Anstieg der Insolvenzen. Das bedeutet auch steigende Risiken für die hiesigen Unternehmen, denn die Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren zu einem zunehmend wichtigen Handelspartner und Absatzmarkt gemausert.“

Insolvenzentwicklung in Industrie- und Schwellenländern klafft zunehmend auseinander
Die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern vertieft sich 2016, sowohl beim Zahlungsverhalten als auch bei den Insolvenztrends. In den Schwellenländern rechnet Euler Hermes 2016 mit durchschnittlich  4% mehr Insolvenzen; in der Region Asien-Pazifik sind es 10%. Hinter Negativrekordhalter China (+20% in 2016) bergen im kommenden Jahr Brasilien (+18%), Taiwan, Singapur und Hongkong (jeweils +15%), Kolumbien und Chile (jeweils +11%) sowie Südafrika und Marokko (jeweils +10%) das höchste Risiko für deutsche Exportunternehmen.

Insolvenzentwicklung in Europa
In Deutschland sinken Insolvenzen nach Ansicht des führenden Kreditversicherers um rund 2% im kommenden Jahr. Auch das restliche Westeuropa (-5% im Durschnitt) erfreut sich rückläufiger Fallzahlen – einzig die Schweiz (+1%), Grossbritannien (+5%) und Finnland (+2%), schwimmen gegen den Strom; Österreich und Griechenland stagnieren auf dem Niveau von 2015. Trotz der sukzessiven Erholung in Westeuropa, verzeichnet die Region jedoch weiterhin ein gutes Drittel mehr Insolvenzen (34%) als noch vor der wirtschaftlichen Krise (2003-2007); zwei von drei Ländern liegen bei den Fallzahlen unverändert über dem damaligen Niveau. In Osteuropa führen Bulgarien (+10%) und die Türkei (+6%) im kommenden Jahr das (Negativ-)Feld bei den steigenden Insolvenzen an.

Risse in der chinesischen Mauer: Weltweit höchster Anstieg bei Insolvenzen
„Die Risiken einer steigenden Abhängigkeit von China sind für Unternehmen in ganz Europa bereits 2015 spürbar geworden mit einer um zwei Tage* verschlechterten Zahlungsmoral chinesischer Unternehmen und einem Anstieg der Insolvenzen um ein Viertel“, sagt Ruf. „Auch 2016 brauchen Exporteure gute Nerven, denn es zeigen sich Risse in der chinesischen Mauer: Die dortige Zahlungsmoral verschlechtert sich nach unserer Einschätzung um zusätzliche vier Tage* und die Insolvenzen steigen um weitere 20% – das ist der höchste erwartete Anstieg weltweit und wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus.“

China: Weniger Bankkredite, Ausreizen von Lieferantenkrediten bis hin zum Zahlungsverzug
Das Baugewerbe, die Metall- und Minenindustrie sind als Sektoren in China zusammen mit der einfachen Produktion (low-end manufacturing) und den exportorientierten Segmenten besonders stark von der sich verschlechternden Lage betroffen. Insgesamt wirkt sich diese jedoch branchenübergreifend negativ aus, da eine wachsende Anzahl von Unternehmen in China auf Lieferantenkredite angewiesen ist aufgrund des schwierigeren Zugangs zu Bankkrediten oder alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Verbreitet sind daher extrem lange Zahlungsziele sowie das Ausreizen dieser Ziele bis hin zum Zahlungsverzug. Nichtzahlungen haben sich in 2014 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Das führt in einem Teufelskreis auch zu einem Anstieg der Insolvenzfälle.

Griechenland und Russland stabilisieren sich leicht – aber Unsicherheiten bleiben
„Neben der guten Entwicklung in Westeuropa und den USA erwarten wir 2016 auch in einigen anderen Ländern eine leichte Verbesserung der teilweise sehr schwierigen Situation in diesem Jahr“, sagte Ruf. „Für Russland war 2015 beispielsweise von einer starken Rezession und einem Anstieg der Pleiten um 30% geprägt. Zwar steigen die Insolvenzen nach unserer Prognose auch 2016 weiter an – mit 4% flacht sich diese Entwicklung jedoch merklich ab. Auch in Griechenland dürfte sich die Lage etwas normalisieren. Nach 15% mehr Insolvenzen in 2015 rechnen wir derzeit im kommenden Jahr mit keinem weiteren Anstieg, sondern gleichbleibenden Fallzahlen – auch wenn die politischen Unsicherheiten weiter bestehen bleiben.“ (Euler Hermes/mc/ps)

*Die Berechnungsgrundlage sind die sogenannten „Days of Sales Outstanding“ (DSO) börsennotierter Unternehmen. Die DSO sind der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Begleichung der Forderung. In China wird sich dieser Zeitraum im Jahr 2015 um voraussichtlich zwei Tage verlängern. In 2016 rechnet Euler Hermes damit, dass sich die DSO in China um weitere vier Tage verschlechtern wird. In den meisten Industrieländern ist die DSO-Entwicklung positiv.

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