Das Eidgenössische Datenfest
Kurz nach dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF), welches die Schweiz folkloristisch im friedlichen Wettstreit der „Bösen“ vereinte, fand mit dem Digitaltag ein weiteres nationales Ereignis statt, welches die zukünftige Schweiz diesmal digital einigte. Noch nicht mit der Breitenwirkung des ESAFs, aber dafür mit einer grossen Portion an Zukunftsvisionen.
Von Helmuth Fuchs
Eigentlich sind beide Anlässe Veranstaltungen von Minderheiten, auch wenn das Schwingfest offensichtlich die mediale und emotionale Aufmerksamkeit der gesamten Schweiz vollumfänglich absorbierte. Im Alltag der Schweizer spielt Schwingen jedoch keine Rolle. Anders die Digitalisierung. Die beeinflusst den Alltag aller Schweizer schon auf vielfältigste Arten, sei es durch Reise-Apps, e-Banking, Online-Käufe oder Soziale Medien.
Dennoch gibt es in der Bevölkerung viele diffuse Ängste und relativ wenig fundiertes Wissen, wenn es um die digitale Zukunft unseres Landes geht. Trotz weltweit führenden Standorten (Zug zum Thema Kryptowährungen, ETH und EPFL zu den Themen Drohnen, autonome Mobilität, Smart Farming, Smart Cities), international angesehenen Startup-Programmen (F10 Accelerator, Kickstart Accelerator) und zunehmend verbesserten staatlichen Rahmenbedingungen (Innovations- und Zukunftsfonds, rechtliche Anpassungen für Startups) spiegelt sich die Bedeutung des Themas noch zu wenig im öffentlichen Bewusstsein.
Der Digitaltag, eine Initiative von digitalswitzerland, setzt genau hier an. In der dritten Ausführung an mittlerweile 12 Standorten wird die Bevölkerung direkt angesprochen und involviert. Hands-on Erfahrungen, Diskussionen und Vorträge an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten sollen die Menschen mitten in ihrem Alltag erreichen. Viele der aktuell 169 Partnerunternehmen von digitalswitzerland zeigen an konkreten Beispielen, was die Digitalisierung für sie bedeutet, wie sie ihre Produkte und Leistungen damit verbessern.
Der Bundespräsident eröffnet das Digitalfest auf den Bahnhofplatz in Bern, prominente Wirtschaftsführer stellen sich den Publikumsfragen im Hauptbahnhof Zürich. Unternehmen öffnen sich dem Publikum und zeigen, wie sie sich für die digitale Zukunft wappnen.
Vor der Eröffnungsrede des Bundespräsidenten nähert sich auf dem Bahnhofplatz in Bern aus dem Publikum ein Zuschauer, männlich, Mitte Dreissig, der Kleidung nach eher aus der alternativen Szene, hält Thomas Flatt, Präsident swissICT und Vorstandsmitglied, ein fiktives Mikrofon hin und stellt ihm die grundsätzliche Frage: „Was soll uns die ganze Digitalisierung konkret bringen?“. Thomas Flatt erzählt eine sehr persönliche Geschichte, wie seine Tochter anhand einer Ortungsdienste- und Hilfe-App sich sicherer fühle und sich auch ohne Begleitung freier bewegen könne. Am Ende der Diskussion hat sich die Position des Zuschauers nicht geändert, er lehnt die Digitalisierung grundsätzlich ab, sieht in ihr das nahende Ende unserer Gesellschaft. Und trotzdem zeigt die Diskussion, dass auch die Leute, welche auf den ersten Blick nichts zu gewinnen haben durch die Digitalisierung, ernst genommen werden müssen und Perspektiven in der sich schneller wandelnden Gesellschaft finden müssen.
Die Widerstände nimmt auch Bundespräsident Ueli Maurer in seiner Eröffnungsrede auf. Hier müsse die Ablehnung überwunden werden. Er weist darauf hin, dass wir alle schon über das Mobiltelefon digitalisiert seien und dies in Zukunft noch zunehmen werde. Wir sollten dies als Chance begreifen und unsere führende Position in der Welt mit Hilfe der Digitalisierung stärken.
Passend dazu ist das zentrale Thema des Digitalisierungstages das lebenslange Lernen. Die Willens- und Wissensnation Schweiz wird auch in Zukunft nur Bestand haben, wenn die Menschen aussergewöhnliche Leistungen erbringen. Und dies wird in engem Zusammenhang damit stehen, wie wir mit der Digitalisierung umgehen.
Für den Digitaltag sind aus der ganzen Welt 22 Länder-Delegationen angereist, um zu schauen, wie die Schweiz das Thema mit ihrer Bevölkerung diskutiert. Das kleine Alpenland hat mit dem Grossanlass also schon ein Plattform geschaffen, die eine aussergewöhnliche internationale Aufmerksamkeit erweckt. Wenn wir jetzt auch noch im Umgang mit der Digitalisierung selbst ähnlich souverän werden, können wir auch hier für die Zukunft Massstäbe setzen.
Alle Bilder in diesem Artikel: © Helmuth Fuchs |