EY: Schweizer Unternehmen erwarten für 2023 deutlich höhere Energiekosten und sinkende Margen

(Photo by Nikola Johnny Mirkovic on Unsplash)

Zürich – Die aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt wie knapper werdende Energieträger und gestiegene Energiepreise haben Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen. Das zeigt eine Umfrage, die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY im September 2022 durchgeführt hat. Über ein Drittel der befragten Schweizer Unternehmen geht davon aus, in den nächsten Monaten mit «Schwindenden Margen» rechnen zu müssen und ein Viertel erwartet «Produktionsschwierigkeiten» als Folge von erhöhten Energiepreisen und knapper werdenden Energieträgern. Hinzu kommt: Fast 60% der befragten Schweizer Firmen geben an, die gestiegenen Kosten für Elektrizität und Gas nicht an ihre Kunden weitergeben zu können.

Mit welchen Massnahmen die Schweizer Unternehmen auf die angespannte Situation reagieren wollen, zeigt die Umfrage deutlich: Fast ein Drittel der Firmen gibt an, dass man sich auf die Steigerung der Energieeffizienz konzentrieren will. Und ein Fünftel der Unternehmen will die bisher genutzten fossilen Energieträger ganz mit nachhaltigen Alternativen ersetzen.

Die negativen Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Klimaziele der Unternehmen halten sich in Grenzen. Zwei Drittel der Firmen geben an, dass die Erreichung dieser Ziele weiterhin verfolgt, oder wegen der besonderen Lage sogar noch priorisiert wird.

Schweizer Unternehmen rechnen mit weiter steigenden Energiekosten
Fast ein Drittel der Unternehmen (31%) erwartet einen Kostenanstieg von 11 bis 30%. «Dass die Unternehmen diesen relativ geringen Anstieg der Energiekosten erwarten, erklärt sich dadurch, dass 57% der befragten Unternehmen KMU sind», sagt Benjamin Teufel, Head of EY Sustainability und Sector Leader Energy & Resources bei EY in der Schweiz. «Viele Schweizer KMU beziehen ihre Energie über die Grundversorgung und sind deshalb steigenden Energiepreisen weit weniger ausgesetzt als Unternehmen, die ihren Bedarf über den freien Markt decken.»

Nur 16% der Unternehmen rechnen mit einem Kostenanstieg von weniger als 10%. 14% der Firmen erwarten zwischen 31 bis 50% höhere Kosten, 8% der Firmen rechnen mit einem Kostenanstieg von 51 bis 100% und 9% der Firmen geben einen erwarteten Kostenanstieg von 101 bis 200% an. Ganze 3% der Firmen schätzen, dass sie im nächsten Jahr einen Anstieg der Energiekosten von über 500% zu bewältigen haben werden.

Bei einer möglichen Weitergabe der höheren Energiekosten an die Kunden, zeichnen die Schweizer Unternehmen ein klares Bild: Ganze 57% geben an, diese Kosten nicht an die Kunden weitergeben zu können. Ein Fünftel der Befragten meint, die Kosten zu einem Anteil von 1 bis 10% weitergeben zu können. Demgegenüber meinen immerhin 13% der Firmen, mehr als 50% der Energiekosten ihren Kunden verrechnen zu können.

Grösste Herausforderungen wegen steigender Preise und limitierter Ressourcen
Immerhin ein Viertel der befragten Unternehmen macht klar, dass steigende Energiekosten und die knappere Verfügbarkeit von Energieträgern keine kritische Herausforderung für ihr operatives Geschäft darstellen. Diejenigen Unternehmen, welche mit negativen Konsequenzen rechnen, hatten in der Umfrage die Möglichkeit, mehrere Antworten zu nennen. Die am meisten genannte Folge steigender Energiepreise und knapper Energieträger sind «Schwindende Margen». Dass vor allem auch das produzierende Gewerbe auf Energie angewiesen ist, zeigt der Umstand, dass «Produktionsschwierigkeiten» am zweithäufigsten genannt wird. Als weitere mögliche Konsequenzen werden «Liquiditätsschwierigkeiten» genannt sowie die Befürchtung, dass sich «Kunden nach neuen Anbietern im Ausland umsehen» könnten.

Knapp werdendes Gas, alternative Energieträger und Notfallpläne
Rund die Hälfte (52%) der befragten Schweizer Unternehmen benötigt kein Gas für den Geschäftsbetrieb. Bei der Frage, ob der operative Betrieb mit beispielsweise 20% weniger Gas aufrechterhalten werden könne, gibt ein Fünftel (22%) der Unternehmen an, auch mit deutlich weniger Gas operativ tätig bleiben zu können. Ein Viertel der Firmen meint, dass der Betrieb aufrechterhalten werden kann, wenn man über um bis zu 20% weniger Gas verfügt. Nur 1% der Unternehmen müsste bei einer Reduktion von Gas von rund 20% den Betrieb komplett einstellen.

Von den Unternehmen, die auf Gas angewiesen sind, geben rund zwei Drittel an, derzeit über keine alternativen Energieträger zu verfügen, während fast ein Drittel sich solche Alternativen bereits gesichert hat. Als Alternativen zum Gas werden vor allem Öl, Holz, Erd-Sonden und Diesel-Generatoren genannt.

Für den Fall, dass es in der Schweiz zu einer eingeschränkten Verfügbarkeit von Gas kommt, oder zu zeitweiligen Stromausfällen, verfügen 64% der Unternehmen über Notfallpläne. Ganze 36% der Firmen haben für den Fall einer Gasknappheit oder für Stromausfälle keine Notfallpläne zur Hand.

Wichtigste Massnahmen der kommenden Monate und Folgen für Nachhaltigkeitsziele
Ein klares Bild zeigt sich bei der Frage, welche Massnahmen für die nächsten 12 Monate priorisiert werden sollen: Fast ein Drittel (31%) der Schweizer Unternehmen gibt an, dass man sich auf Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz konzentrieren will. Weitere 20% meinen, dass sie ihre fossilen Energieträger ganz mit nachhaltigen Alternativen ersetzen wollen. Massnahmen wie die Anpassung des Geschäftsmodells (7%), eine neue Preisstrategie (7%), oder eine Anpassung der Einkaufsstrategie von Energieressourcen (7%) spielen eine untergeordnete Rolle. «Die aktuelle Krise wird somit einen nachhaltigen Effekt für die Schweizer Wirtschaft haben» sagt dazu Teufel.

In Bezug auf die Klimaziele der Unternehmen wurde erfragt, ob und wie diese durch die jüngsten Entwicklungen auf dem Energiemarkt beeinflusst werden. 42% der Firmen geben an, dass sich in Bezug auf die gesetzten Klimaziele nichts ändere und diese wie geplant weiterverfolgt würden. Ganze 21% meinen sogar, dass wegen der gegenwärtigen Situation die eigenen Klimaziele noch wichtiger seien als zuvor. Demgegenüber meinen nur 10%, dass die Erreichung der eigenen Klimazielen nur noch «teilweise verfolgt» werde. 4% der Firmen gaben an, die Realisierung von Klimazielen «vorübergehend ausgesetzt» zu haben. «Dies ist eine überraschende und gleichzeitig erfreuliche Nachricht» sagt Teufel und erklärt: «Die Unternehmen sind zunehmend in der Lage, in ihre Aktivitäten hinsichtlich der kurz- und mittelfristigen Herausforderungen von den langfristigen Zielen zu entkoppeln.»

Die Energiekrise in Europa und die Folgen für die Schweiz
Zu den Konsequenzen der angespannten Energie-Situation hat EY ein Paper publiziert, das zeigt, welche Wirkung die Entwicklungen auf geplante Vorhaben in Bezug auf die Dekarbonisierung hat und die Lage Europas und damit auch der Schweiz einschätzt. Die aktuelle Situation in hat die Regierungen der europäischen Länder und die EU-Kommission dazu veranlasst, nach Versorgungsalternativen zu russischem Gas Ausschau zu halten. Der REPowerEU -Plan, der von den europäischen Ländern ratifiziert wurde, und die im März dieses Jahres angenommene Erklärung von Versailles haben genau das zum Ziel: diese Energieabhängigkeit zu beseitigen und gleichzeitig die Ziele «Fit für 55» und «Netto Null bis 2050» zu erreichen.

Es ist ein ehrgeiziges Unterfangen, da sich die Energiekrise in unterschiedlichem Masse auf die einzelnen westeuropäischen Länder auswirkt– je nach ihrem aktuellen Niveau an Gasimporten aus Russland und ihrer Fähigkeit, Alternativen zu finden. Dänemark, Grossbritannien, Belgien, Spanien und Portugal sind von der Abkehr von der russischen Gasversorgung entweder nur minimal oder gar nicht betroffen. Frankreich hat den Fokus in der Stromproduktion stets auf Kernkraft gelegt und ist in geringerem Masse auf russisches Gas angewiesen (in Höhe von 24% der Gesamtimporte des Landes). Deutschland wird den höchsten Preis zahlen müssen, da russisches Gas 49% an den Gesamteinfuhren des Landes ausmacht. An zweiter Stelle steht Italien mit 46%.

Das Paper von EY hält fest, dass der Energiemix noch über lange Zeit eine Herausforderung für die europäischen Länder darstellen wird. Da die EU unverändert an ihrem Ziel festhält, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, dürften in Europa die Investitionen in erneuerbare Energien zunehmen und so einen Ausgleich für die kurzfristigen Investitionen in fossile Brennstoffe schaffen. «Will die Schweiz mittel- und langfristig ihre Importabhängigkeit reduzieren und die eigenen Klimaziele erreichen, muss sie das Gleiche tun», sagt Teufel. (EY/mc)

Fast 100 Schweizer Unternehmen haben sich an der Umfrage des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens EY beteiligt. Die eine Hälfte der Antworten stammt von Geschäftsleitungsmitgliedern (C-Level), die andere Hälfte von Mitarbeitenden in Führungspositionen (Manager / Team Lead). Die Umfrage deckt ein breites Spektrum von Unternehmen ab, die in den folgenden Branchen tätig sind: Technologie, Produktion, Finanzwesen und Banking, Gesundheit, Dienstleistungen, Versicherungen, Medien und Unterhaltung, Mobilität und Transport, Bergbau und Metallindustrie, Immobilien und Gastgewerbe, Landwirtschaft, Private Equity, Konsumgüter, Öl und Gas, Life Sciences, Strom- und Versorgungsunternehmen.

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