Zürich – Grundversicherte rechnen bei der Krankenkasse auch für 2018 mit einem kräftigen Prämienschub von durchschnittlich 5 Prozent oder 270 Franken. Das würde das Budget vieler Familien aus dem Lot bringen. Für diese Entwicklung verantwortlich gemacht wird die Pharmaindustrie – und Versicherte, die leichtfertig Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Das geht aus einer exklusiven Umfrage hervor, die der Internet-Vergleichsdienst comparis.ch unter seinen Nutzern durchgeführt hat.
Der ungebremste Prämienanstieg belastet Familien-Budgets besonders stark. 40 Prozent aller befragten Familien geben an, keine weitere Prämienerhöhung verkraften zu können. 20 Prozent sagen, eine Erhöhung von nicht mehr als 10 Franken im Monat bewerkstelligen zu können und nur 13 Prozent würden ihr Budget mit einer zusätzlichen Belastung von 20 Franken im Monat noch im Lot halten können.
Überraschend ist, dass Singles ihre Lage ähnlich einschätzen, auch wenn dort immerhin noch jeder Sechste mit einer Zusatzbelastung von 20 Franken im Monat auskommen könnte.
Hohe Prämien und Prämienverbilligungen mit der Giesskanne
Dass der Prämiendruck auch 2018 nicht nachlassen wird, davon sind die Umfrageteilnehmer überzeugt. Mehr als die Hälfte erwartet eine durchschnittliche Prämienerhöhung von rund 5 Prozent. Ein Drittel befürchtet sogar eine durchschnittliche Erhöhung gegen 6 Prozent. Sollten die Prämien 2018 um 5 Prozent steigen, entspräche dies einer monatlichen Mehrbelastung von durchschnittlich 22.50 Franken – eine Erhöhung, von der rund 60 Prozent aller Familien sagen, sie können sie sich mit ihrem aktuellen Budget nicht leisten.
Kostentreiber: Pharmaindustrie und egoistische Versicherte
Die Hauptverantwortung für die ungebremst steigenden Gesundheitskosten sehen die Befragten in erster Linie bei der Pharmaindustrie. 65 Prozent sind davon überzeugt, dass die Medikamentenhersteller den grössten Anteil an der für sie negativen Kostenentwicklung haben. 63 Prozent machen egoistische Versicherte verantwortlich, die leichtfertig unnötige Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Für 55 Prozent gehören die Ärzte und Spitäler zu den grössten Kostentreibern. Jeder Fünfte ist zudem überzeugt, dass der Kostenanstieg auch eine Folge des medizinischen Fortschrittes ist.
Versicherte wollen mehr Generika
Ganz allgemein scheinen die Krankenkassenprämien für einen breiten Personenkreis die Schmerzgrenze erreicht zu haben. 90 Prozent aller Befragten sind bereit, sich ausschliesslich mit günstigeren Generikamedikamenten behandeln lassen, wenn sie denn im Gegenzug weniger Krankenkassenprämien bezahlen müssten. Gefragt nach der Höhe des entsprechenden Rabattes nennen drei Viertel aller Befragten eine um 10 bis 30 Prozent reduzierte Prämie.
Für Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly ist klar, dass die Mehrheit der Versicherten sparen will: «Wer bereit ist, im Krankheitsfall mehr selber zu bezahlen und wer mit einem Telmed-, Hausarzt- oder HMO-Modell auf Effizienz setzt, der muss in Zukunft höhere Prämienrabatte bekommen.» Und weiter: «Wer hingegen bei Bagatellfällen gleich den Rat mehrerer Spezialärzte sucht oder bei einer Grippe in den Spitalnotfall will, der soll wesentliche höhere Prämien bezahlen. Bundesrat Berset macht genau das Gegenteil. Er will die Prämien schweizweit für alle Versicherten angleichen. Der Gesamtbundesrat und das Parlament sollten sich dagegen wehren.»
Ausgaben streichen und Prämienverbilligung beantragen
Wer die Prämienerhöhung seiner Grundversicherung mit seinem aktuellen Budget nicht bestreiten kann, der muss seine Ausgabenplanung neu organisieren. Jeder Zweite (51 Prozent) würde unnötigen Ausgaben streichen. Knapp 38 Prozent würden als Massnahme eine Prämienverbilligung beantragen und 32 Prozent würden unter anderem versuchen, ihre Gesundheitsausgaben zu reduzieren und auf nicht dringende Arztbesuche zu verzichten.
Sozialpolitische Sprengkraft kommt dabei der Prämienverbilligung zu. Sie wird den Versicherten viel zu schnell zugesprochen, ist Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte beim Internet-Vergleichsdienst comparis.ch, überzeugt: «Prämienverbilligungen werden immer noch nach dem Giesskannenprinzip gewährt. Davon profitieren viel zu viele Versicherte, die im engeren Sinn gar nicht wirklich darauf angewiesen sind – natürlich auf Kosten all jener, die die staatliche Unterstützung dringend benötigen.» (comparis.ch/mc/ps)
Methodik und Berechnungsgrundlage
Die Umfrage wurde im Juli 2017 unter den Nutzern des Internet-Vergleichsdienstes comparis.ch durchgeführt. Teilgenommen haben 700 Personen aus allen Landesteilen. Sie ist nicht repräsentativ.
Die Schweizer Durschnittsprämie 2017 beträgt gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) 447.28 Franken im Monat. Eine 5-prozentige Prämienerhöhung summiert sich auf 270 Franken im Jahr.