Bisherige Bundesräte fest im Sattel – Viktor Rossi (GLP) neuer Bundeskanzler
Bern – Die Vereinigte Bundesversammlung hat bei der Gesamterneuerungswahl der Regierung auf Kontinuität gesetzt: Alle sechs bisherigen Bundesratsmitglieder schafften die Wiederwahl im ersten Wahlgang problemlos. Die Grünen scheiterten bei ihrem erneuten Angriff auf einen Regierungssitz noch deutlicher als vor vier Jahren.
Der von den Grünen ins Visier genommene amtierende FDP-Bundesrat Ignazio Cassis musste am Mittwoch nicht lange zittern. Der 62-jährige Tessiner wurde mit 167 von 239 gültigen Stimmen im ersten Durchgang klar gewählt. Der Sprengkandidat der Grünen, der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey, holte 59 Stimmen.
Cassis erhielt deutlich mehr Stimmen als vor vier Jahren, als ihn die Grünen mit der Bernerin Regula Rytz aus dem Amt drängen wollten. Damals machte Cassis 145 von 238 gültigen Stimmen. Rytz erhielt 82 Stimmen.
Die Wahl der zweiten Freisinnigen im Bundesrat, Karin Keller-Sutter, war ebenfalls ungefährdet. Die St. Gallerin erhielt 176 von 224 gültigen Stimmen und kann damit für vier weitere Jahre mitregieren. Die Grünen hatten unmittelbar vor der Wahl durchblicken lassen, dass sie Keller-Sutters Sitz nicht angreifen würden.
Missfallen gegenüber Baume-Schneider
In der jüngeren Geschichte schafften alle bisherigen Bundesräte, die nicht abgewählt wurden, eine Wiederwahl jeweils im ersten Wahlgang. Das war auch am Mittwoch der Fall.
Das beste Resultat erzielte dieses Mal der Amtsälteste, nämlich Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP), der seit 2015 Bundesrat ist. Der Waadtländer erhielt 215 Stimmen. Dahinter folgten Viola Amherd von der Mitte (201) – die später mit 158 Stimmen zur Bundespräsidentin für 2024 gewählt wurde -, der erst seit einem Jahr amtierende Albert Rösti (SVP) mit 189 Stimmen, die Freisinnigen Karin Keller-Sutter (176) und Ignazio Cassis (167).
Das schlechteste Resultat machte Elisabeth Baume-Schneider (SP) mit 151 Stimmen. Die Justizministerin ist seit einem Jahr im Amt. Insbesondere mit dem Asyldossier hatte sie einen schweren Stand. Viele Bürgerliche sind mit ihrer Arbeit nicht zufrieden.
Grüne äussern sich enttäuscht
Die Grünen äusserten sich nach dem missglückten Angriff enttäuscht. Das Machtkartell der Regierungsparteien werde mit diesem Resultat bekräftigt, sagte Margot Chauderna, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz, nach der Verkündung der Resultate zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA in Bern. Das Parlament habe Angst vor Veränderungen.
Wer im Einzelnen den 47-jährigen Andrey beim Angriff auf den FDP-Sitz unterstützte, war unklar. Bundesratswahlen sind geheim.
Im Vorfeld hatte aber die SP-Fraktion erklärt, nur eine Minderheit werde Andrey unterstützen, um die bürgerliche Mehrheit in der Regierung zu sprengen. Eine Mehrheit bei den Sozialdemokraten hielt die Kandidatur der Grünen für chancenlos. Sie befürchtete, eine Unterstützung für Andrey könnte dazu missbraucht werden, bei der Ersatzwahl am Schluss der SP zu schaden und damit der Linken.
Auch die GLP-Fraktion teilte im Vorfeld mit, dass ein Teil der Fraktion Andrey statt Cassis wählen werde.
Die SVP und die Mitte dagegen wollten an der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrats nichts ändern. Die Parteien hatten vor den Wahlen erklärt, keine bisherigen Bundesräte abwählen zu wollen.
Vizekanzler Rossi zum neuen Bundeskanzler gewählt
GLP-Mitglied Viktor Rossi tritt die Nachfolge von Walter Thurnherr (Mitte) als Bundeskanzler an. Der bisherige Vizekanzler hat im zweiten Wahlgang das absolute Mehr erreicht. Er erhielt 135 von 245 gültigen Stimmen. Die drei Mitbewerbenden waren chancenlos.
Der 55-jährige Rossi ist seit Mai 2019 Vizekanzler und führt den Bereich Bundesrat der Bundeskanzlei. Dabei betreut er die rund 2500 Geschäfte, die der Bundesrat pro Jahr verabschiedet. Ebenso organisiert diese Sektion die Beantwortung der jährlich rund 1300 Vorstösse. Rossi ist an den wöchentlichen Sitzungen des Bundesrates mit dabei.
Im Rennen ums Bundeskanzler-Amt waren neben Rossi die SVP-Mitglieder Gabriel Lüchinger und Nathalie Goumaz sowie der parteiunabhängige Lukas Gresch-Brunner. Rossi ist der erste Bundeskanzler aus den Reihen der GLP. (awp/mc/pg)