Feilschen um Swissness
Bern – Wie viel Schweiz muss drin sein, damit Schweiz draufstehen darf? Diese Frage hat der Nationalrat am Donnerstag im Zusammenhang mit dem revidierten Markenschutzrecht kontrovers diskutiert. Er wählte schliesslich die Linie der Industrie. Über das Ziel waren sich alle einig: Die Marke Schweiz ist gutes Geld wert, und sie muss besser vor Trittbrettfahrern geschützt werden, die aus Swissness unberechtigt Profit schlagen wollen. Doch bei den Details teilten sich die Meinungen, auch innerhalb der Fraktionen.
In der Frage, wann ein Lebensmittel als «swiss made» verkauft werden darf, entschied sich die grosse Kammer mit 93 gegen 86 Stimmen für einen Anteil von 60% des Gewichts der Rohstoffe. Damit blieb sie unter der Vorgabe des Bundesrates.
Stark und schwach verarbeitet
Die aufgeweichte Norm dürfte der Industrie entgegenkommen, und sie gilt nur für stark verarbeitete Lebensmittel. Für schwach verarbeitete Lebensmittel gilt ein Mindestanteil von 80%. Die Unterscheidung zwischen «stark» und «schwach verarbeitet» ist im Konzept verankert, das die Rechtskommission im Sinn eines Kompromisses zwischen Industrie und Landwirtschaft entworfen hatte. Wie «stark» und «schwach» unterschieden werden, muss der Bundesrat festlegen.
Die Landesregierung und Vertreter von SVP, SP und Grünen hätten für alle Lebensmittel einen Anteil von 80% Schweizer Rohstoffen gewünscht. Die «Guetsli-Industrie» habe die Kommission beeinflusst, kritisierte Carlo Sommaruga (SP/GE). Konsumenten gingen zudem davon aus, dass der Anteil immer gleich hoch sei. Auch Justizministerin Simonetta Sommaruga äusserte Bedenken. Das Konzept der RK mache die Vorlage komplexer. Die Abgrenzung zwischen «stark» und «schwach verarbeitet» sei schwierig.
Ausnahme für die Milch
Bei der Berechnung des Anteils an Schweizer Rohstoffen dürfen Materialien, die es in der Schweiz nicht gibt, etwa Kakao für Schokolade, ausgeklammert werden. Dasselbe ist der Fall für Rohstoffe, die «temporär nicht in genügender Menge» vorhanden sind. Für die Milch fügte der Nationalrat auf Antrag von Toni Brunner (SVP/SG) eine eigene Regel ein. Schwach verarbeitete Lebensmittel müssen 100% Schweizer Milch enthalten, damit sie als «Schweizer Produkt» bezeichnet werden dürfen.
Lebensmittel und auch Non-Food-Produkte dürfen nur als Schweizer Fabrikate bezeichnet werden, wenn mindestens 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. Für Non-Food-Artikel hätte eine Minderheit einen Wert von 50% bevorzugt, drang aber mit 84 gegen 96 Stimmen nicht durch.
Die Mehrheit der Kommission und der Bundesrat waren für 60%. Bundesrätin Sommaruga erinnerte daran, dass die Berechnungsbasis mit dem neuen Recht ausgeweitet werde. Der Bundesrat wolle auch Kosten für Forschung und Entwicklung in den Schweizer Anteil einbeziehen und sei einverstanden mit dem Vorschlag der RK, auch Kosten für Qualitätssicherung und Zertifizierung einzurechnen.
Auf Swiss Finish verzichten
Eine Minderheit von SVP, BDP und GLP hätte einen Anteil von lediglich 50% der Herstellungskosten in der Schweiz bevorzugt. «Verzichten wir auf einen eigenen Swiss Finish», forderte Pirmin Schwander (SVP/SZ). Der Gewerbeverband und auch kleinere Uhrenfirmen hatten die tiefere Quote gefordert. Eine rot-grüne Minderheit beantragte weiter, dass Dienstleistungen nur als schweizerisch gelten dürfen, wenn sich 50% der Arbeitsplätze des Unternehmens in der Schweiz befinden. Ihr Antrag wurde mit 121 gegen 56 Stimmen abgelehnt.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat das Markenschutzrecht mit 129 gegen 37 Stimmen bei 18 Enthaltungen gut. Zur Swissness-Vorlage gehört auch eine Revision des Wappenschutzgesetzes. Dieses hiess der Nationalrat mit 172 gegen 4 Stimmen gut. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. (awp/mc/pg)