Ferieninitiative: Streit um Mehrkosten für Wirtschaft
Bern – Die Ferieninitiative, über die am 11. März abgestimmt wird, verlangt sechs Wochen Ferien für alle. Die Gegner des Volksbegehrens befürchten Mehrkosten von 6 Mrd CHF für die Wirtschaft – Arbeitnehmer hingegen beziffern die Kosten für den Stress überbelasteter Angestellter auf 10 Mrd CHF.
Der Gewerkschaftsdachverband Travail.Suisse stellt die zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft nicht in Frage. Präsident Martin Flügel relativiert jedoch: «Da die Arbeitnehmer bereits jetzt durchschnittlich fünf Wochen Ferien beziehen, würde eine Gesetzesänderung die Unternehmen bis 2013 praktisch nichts kosten.»
Flügel: Kosten steigen 0,3 bis 0,4 % jährlich
Danach würde bis 2018 die Feriendauer um einen Tag pro Jahr zunehmen. Eine Woche Ferien entspricht laut Flügel 2% der Lohnmasse. Also würden die Kosten nur um 0,3 bis 0,4% pro Jahr steigen. «Das ist zumutbar», sagt Flügel, «umso mehr, als auch die Produktivität jährlich steigt. Es handelt sich demnach nur um eine Umverteilung.»
Bigler: «Kosmetischer Kunstgriff»
Diese Staffelung sei nur ein kosmetischer Kunstgriff, um die Initiative wählbarer zu machen, sagt hingegen der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (sgv), Hans-Ulrich Bigler. Zudem befürchtet er, dass bei einem Erfolg der Initiative die Forderungen bei Verhandlungen von Gesamtarbeitsverträgen höher würden.
KMU in Schwierigkeiten
Besorgt ist Bigler insbesondere wegen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die weniger als sechs Angestellte beschäftigen – dies umfasst 88% aller Schweizer Firmen. «Diesen fehlt es an Flexibilität beim Personal», sagt Bigler. «Dabei ist es äusserst schwierig, Vertretungen mit den richtigen Kompetenzen zu finden.»
«Es ist eine Frage der Organisation und des Willens», erwidert Travail.Suisse-Präsident Flügel. «Sicherlich bedeutet es eine Veränderung. Aber ich verstehe nicht, wieso dies nicht umsetzbar wäre.»
Massive Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit
sgv-Direktor Bigler vermutet zwar, dass die Unternehmen bei einer Annahme der Ferien-Initiative nicht direkt in ihrer Existenz bedroht wären. «Längerfristig würde es aber eine massive Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland bedeuten. Auch kann man den Verlust von Arbeitsplätzen nicht ausschliessen.»
«Kosten nicht entscheidend»
Flügel weist dieses Argument zurück und ebenso die Drohung einiger Arbeitgeber, Standorte ins Ausland zu verlagern. «Sie drohen immer, wenn ihnen die Argumente ausgehen. Die Arbeitgeber sagten dasselbe beim Mutterschaftsurlaub und bei den Familienzulagen. Das ist Angstmacherei.»
In seinen Augen sind die Kosten nicht entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die Qualität der Arbeit und der Produkte sei wichtiger. Er weist auf die Maschinenindustrie hin: «Diese hat in den letzten Jahren Arbeitsplätze geschaffen bei fünf Wochen Ferien pro Jahr – oder sogar sechs Wochen für über Fünfzigjährige.»
Mehr Zeit zur Erholung
Die Initianten argumentieren, dass längere Ferien den Stress der Arbeitenden vermindern würden. Stress verursache sehr hohe Kosten – schätzungsweise rund 10 MRD CHF pro Jahr -, die von den Unternehmen und der Gesellschaft getragen würden.
Mehr Ferien würden den Stress während der Arbeitszeit nicht verringern, vor allem dann nicht, wenn nicht mehr Menschen angestellt würden, räumt Flügel ein. «Aber man hätte mehr Zeit zur Erholung.» Der Stress und der Arbeitsrhythmus würden ja ohnehin steigen mit der zunehmenden Produktivität.
Tägliche Ruhe wichtiger
Für Ruth Derrer Balladore, Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, ist ein positiver Effekt nicht selbstverständlich: «Längere Ferien bedeuten nicht weniger Stress bei der täglichen Arbeit», sagt sie. Diese Meinung teilt auch Bigler. Beide plädieren stattdessen eher für Massnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Fernarbeit.
Es gebe keine Studie, die besage, dass längere Ferien zu weniger Stress führten, sagt schliesslich auch Margaret Graf von der Abteilung Grundlagen Arbeit und Gesundheit beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). «Das Wichtigste für die Erholung ist die tägliche Ruhe.» Zudem würden sich viele Menschen nicht unbedingt während der Ferien erholen, sagt sie. Gründe dafür seien oft anstrengende Aktivitäten oder die Zeitverschiebung bei Reisen. (awp/mc/pg)