Schweizer Wirtschaft kämpft mit dem Zollwirrwarr

US-Präsident Donald Trump verkündet vergangene Woche die Zollstrafen für die einzelnen Länder im Showdown im Rosengarten des Weissen Hauses. (Official White House Photo)

Zürich – Der globale Zollstreit ist in vollem Gang und die Schweizer Wirtschaft mittendrin. Vorerst wollen Wirtschaftsvertreter hierzulande den Teufel aber noch nicht an die Wand malen und appellieren an die Politik.

Am (morgigen) Mittwoch treten die neuen US-Zölle in Kraft. Für Produkte «made in Switzerland» werden dann 31 Prozent fällig.

Das werde volkwirtschaftliche Folgen haben, sagt Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. «Die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft kann sich diesen Entwicklungen nicht entziehen.»

Unsicherheit als Hauptproblem
Die durch die Trump-Regierung ausgelöste Unsicherheit habe die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen klar verschlechtert. Das grösste Problem sei derzeit die «mit Händen zu greifende Unsicherheit», welche es für die Unternehmen fast unmöglich mache, Investitionen zu planen und zu tätigen.

«Sollten die Zölle mittelfristig auf einem hohen Niveau bleiben, würde das Wachstum der Weltwirtschaft leiden, die Inflation ansteigen und die Margen der Unternehmen sinken» sagt Minsch und spricht von insgesamt «keinen guten Aussichten». Und: «Die Wahrscheinlichkeit einer globalen Rezession wie auch einer Rezession in der Schweiz steigt.»

Es gibt laut Minsch aber auch Lichtblicke: «So könnte sich etwa die Tatsache, dass viele Schweizer Exportunternehmen vor allem in Nischen tätig sind, dämpfend auf die negativen Folgen auswirken.» Die teils hochspezialisierten Produkte seien nicht so leicht zu ersetzen.

MEM-Industrie sucht Alternativen
Gleichwohl macht sich die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) Sorgen: Zwar gingen nur 15 Prozent der Produkte der Branche in die USA, sagt Noé Blancpain, Sprecher des Branchenverbands Swissmem. Jedes Schweizer MEM-Unternehmen mit einem bedeutenden Umsatzanteil in den USA müsse aber trotzdem über die Bücher und allenfalls nach Alternativen suchen.

Kurzfristig bedürfe es aber auch einer gewissen Hilfe seitens der Politik: «Zur Unterstützung der Industrie muss der Handelskrieg als Begründung für Kurzarbeit anerkannt und die Höchstbezugsdauer so rasch als möglich auf 24 Monate ausgedehnt werden», fordert Blancpain.

Jobs in Gefahr
Der auf MEM-KMU spezialisierte Verband Swissmechanic sieht es ähnlich. Die derzeitige Lage sei zwar besorgniserregend, sagt Verbandspräsident Nicola Tettamanti auf Anfrage. Die Schweiz verfüge aber über ein robustes und diversifiziertes und vor allem wettbewerbsfähiges Wirtschaftssystem.

An eine tiefe Rezession glaubt Tettamanti daher nicht. Das Land habe sich immer krisenresistent gezeigt, «solange die fundamentalen Stärken der Schweiz – wie ihre Innovationskraft und stabile politische Situation – erhalten bleiben.»

Sollten sich aber mittelfristig die internationalen Märkte weiter abschwächen, könnten einige Unternehmen – «insbesondere in der Fertigung» – mit sinkenden Margen und reduzierten Aufträgen konfrontiert werden.» Dies dürfte zu «Reduktion von Personal und Aktivitäten» führen, sprich Entlassungen und weniger Produktion. Daher fordert auch der Swissmechanic-Präsident die Politik dazu auf, die Dauer des Anspruches auf Kurzarbeit auf 24 Monate zu verlängern.

Medtech setzt auf Nische
Dass sich die Schweiz als stark exportorientierte Volkswirtschaft den globalen Entwicklungen nicht entziehen könne, gelte ganz besonders auch für die Medizintechnikbranche, sagt Adrian Hunn, Direktor des Branchenverbands Swiss Medtech. Viele Schweizer Medtechfirmen würden aber über eine Spezialisierung in technologisch anspruchsvollen Nischenmärkten verfügen.

«Diese bieten einen gewissen Schutz, da solche Produkte schwer substituierbar sind», so Hunn. Es helfe indes nur begrenzt, wenn «Unsicherheit Investitionsentscheide lähmt und Handelsbarrieren zunehmen.» Bereits jetzt würden viele Unternehmen über erschwerte Planungen und zögerliches Bestellverhalten auf Kundenseite berichten. 23 Prozent der Schweizer Medtech-Exporte gehen aktuell in die USA.

Pharmabranche ausgenommen
Einen speziellen Platz im ganzen Zollwirrwarr nimmt derweil die Schweizer Pharmaindustrie ein, auf deren Konto mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte gehen. Die Pharmaindustrie wurde bislang von den US-Zusatzzöllen ausgenommen.

«Auch wenn pharmazeutische Produkte nach aktuellem Stand offenbar nicht direkt von den neuen US-Zöllen betroffen sind, sorgen die Massnahmen insgesamt für erhebliche Unsicherheit», sagt Stephan Mumenthaler, Direktor des Branchenverbands Scienceindustries.

Mittelfristig könnte zudem ein dauerhafter oder sich sogar verschärfender Handelskonflikte dazu führen, dass die Unternehmen verstärkt alternative Absatz- und Beschaffungsmärkte prüfen würden. So müssten etwa Lieferketten angepasst oder Standortentscheidungen überdacht werden.

In einem Punkt sind sich derweil alle Wirtschaftsverbände einig. Die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU gewinnen unter den Eindrücken der aktuellen Ereignisse wieder markant an Bedeutung. Betont wird durchs Band, dass etwa den Verhandlungen zu den Bilateralen III nun ein zusätzliches Augenmerk gelten sollte, genauso wie dem Vorantreiben von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten. (awp/mc/ps)

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