Bern – Nach dem Tag der Arbeit ist vor dem Frauenstreik: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und seine Mitglieder stecken mitten in den Vorbereitungen für den nationalen Anlass. Sie kämpfen lautstark für mehr Lohn, mehr Betreuungszeit und mehr Respekt für Frauen.
Der 14. Juni ist ein Schlüsseldatum für die Gleichstellung von Mann und Frau in der Schweiz. 1981 hiess das Volk den entsprechenden Verfassungsartikel gut. 1991, zehn Jahre später, legten eine halbe Million Frauen in der Schweiz die Arbeit nieder, angeführt von den Gewerkschaften. «Wenn Frau will, steht alles still», war das Motto.
Auch wenn im Gegensatz zum ersten nationalen Frauenstreik der diesjährige Event nicht von den Gewerkschaften, sondern von regionalen Streikkollektiven angeführt wird, wird der SGB grosse Präsenz zeigen. Das Motto «Lohn. Zeit. Respekt.» fasst die Anliegen der Arbeitnehmer kurz zusammen.
«Zig Geschichten, Fakten, Statistiken und Studien zeigen auf, warum der Streik nicht nur wichtig, sondern dringend nötig ist», sagte SGB-Vizepräsidentin und Unia-Chefin Vania Alleva am Montag vor den Medien in Bern gemäss Redetext. Von einer gelebten Gleichstellung zwischen Mann und Frau seien viele Schweizer Arbeitgeber noch weit entfernt.
Zu wenig im Portemonnaie
Eine der zahlreichen von den Gewerkschaften zitierten Studien zeigt etwa, dass Männer und Frauen im Erwerbsalter in der Schweiz ungefähr gleich viele Stunden arbeiten, wenn man unbezahlte Arbeitsstunden für Erziehung, Pflege und Freiwilligenarbeit zur bezahlten Erwerbsarbeit dazu zählt. Frauen generieren demnach aber nur gerade etwas mehr als halb so viel Einkommen wie Männer.
Das wirke sich über das Rentenalter hinaus negativ aufs Bankkonto aus, sagte Barbara Spalinger von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV gemäss Unterlagen. Die AHV müsse deshalb ausgebaut werden, aber ohne Erhöhung des Frauenrentenalters.
Investitionen statt Sparprogramme
Dass ein solcher Umbau angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament schwierig durchzusetzen sein wird, ist den Gewerkschaften bewusst. «Die aktuelle bürgerliche Politik mit Steuersenkungen, Privatisierungen, Budgetkürzungen und Abbau im Service public läuft der Gleichstellung zuwider», sagte VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber.
Notwendig wären aus ihrer Sicht etwa umfassende Investitionen der öffentlichen Hand für die Kinderbetreuung und Altenpflege. Diese «Frauenberufe» müssten aufgewertet werden. Heute litten diese unter fehlender Anerkennung.
Medienfrauen schliessen sich zusammen
Ein weiteres Problem seien die fehlenden Karrierechancen für Frauen, sagte Syndicom-Vizepräsidentin Stephanie Vonarburg. «Frauen bleiben häufiger als Männer auf wenig einflussreichen Stellen haften.» Das sei fast vierzig Jahre nach der Aufnahme des Gleichstellungsartikels in die Bundesverfassung störend.
Vonarburg nannte exemplarisch die Medienbranche, in welcher gemäss Untersuchungen Führungspositionen in drei von vier Fällen von Männern besetzt sind. «Die Medienfrauen verlangen deshalb unter dem Hashtag #Medienfrauenstreik, dass nach Jahren des Ungleichgewichts der Geschlechter endlich bewusst der Ausgleich geschaffen wird.» (awp/mc/ps)