Bern – Die Gewerkschaften anerkennen zwar die Anhebung der Löhne für dieses Jahr in vielen Branchen. Allerdings gehe auch die Lohnschere auseinander. Gefordert werden Reallohnerhöhungen, ein automatischer Teuerungsausgleich und mindestens 5000 Franken Monatslohn für Berufstätige mit Lehre und mindestens 4500 Franken für alle.
«Ein Lohn muss zum Leben reichen», begründete der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) seine Forderungen anlässlich der Jahresmedienkonferenz am Montag in Bern. Ausserdem hätten sich die konjunkturellen Aussichten nach zwei Jahren Corona-Pandemie wieder etwas verbessert. Das Geld für ein würdiges Leben für alle, die hier leben, sei vorhanden. Schliesslich gehöre die Schweiz zu den reichsten Ländern der Welt.
In den Lohnverhandlungen habe sich gezeigt, dass die Arbeitgeber zwar die Preise erhöhten, bei den Löhnen aber kleinlich budgetierten. Doch die Kaufkraft müsse weltweit mit der Produktion Schritt halten, sonst fehle die Nachfrage, warnt der Gewerkschaftsbund. In den meisten Ländern blieben die Löhne hinter der Teuerung zurück.
Laut dem am Montag veröffentlichten SGB-Verteilungsbericht hat sich die Lohnschere weiter geöffnet. So hätten die Berufstätigen mit unteren und mittleren Löhnen heute real weniger Lohn als 2016. Aufwärts gegangen sei es nur bei den obersten zehn Prozent.
Forderung nach Prämienverbilligung
Der Gewerkschaftsbund fordert auch Prämienverbilligungen bei den Krankenkassen. Die Prämienerhöhungen von 6,6 Prozent in diesem Jahr seien ein Schock und für viele untragbar.
Auch bei den Arbeitszeiten brauche es eine Trendwende: Statt immer neue Ausnahmen bei den Arbeits- und Ruhezeiten zu fordern, sollten sich die Arbeitgeber wieder an der Arbeitszeitreduktion beteiligen, um den Gesundheitsschutz und das Familienleben der Arbeitnehmenden zu verbessern.
Mittlerweile sei fast jede dritte berufstätige Person ziemlich oder sehr erschöpft. Das sei nicht nur für die Betroffenen eine leidvolle Entwicklung. Psychische und körperliche Belastungen verursachten auch Gesundheitskosten, so der SGB.
Und diese Kosten zahlten vor allem die Arbeitnehmenden und die Allgemeinheit, weil die Arbeitgeber keinen Beitrag an die Krankenversicherung zahlen müssten, so der Gewerkschaftsbund. Schätzungen zeigten, dass die stress- und arbeitsbedingten Gesundheitskosten mehrere Milliarden Franken betragen.
SGB: Angriffe von Arbeitgeberseite
Politisch sind die Arbeitnehmenden und ihre Arbeitsbedingungen laut SGB seit einiger Zeit regelmässig Angriffen ausgesetzt. Parlamentsvorstösse aus Arbeitgeberkreisen wollten die Erholungs- und Ruhezeiten im Arbeitsgesetz verkürzen.
Sie wollten Nacht- und Sonntagsarbeit ausweiten – neuerdings auch unter dem Vorwand der Energiemangellage. Oder sie wollten die Existenzminima der kantonalen Mindestlöhne unterlaufen, warnt der Gewerkschaftsbund. (awp/mc/ps)