EU-Abkommen: Klare Fronten bleiben nach Abschluss der Verhandlungen bestehen

EU-Abkommen: Klare Fronten bleiben nach Abschluss der Verhandlungen bestehen
(Adobe Stock)

Bern – Erwartungsgemäss einmal mehr haben sich am Freitag die klare Fronten aufgetan bei der Beurteilung der Verhandlungsergebnisse zu den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Im Folgenden eine Übersicht von Reaktionen:

SVP: Die SVP hat neue Verträge zwischen der Schweiz und der EU kategorisch zurückgewiesen. Die Partei sage Nein zu einem «EU-Unterwerfungsvertrag», teilte sie noch vor der Information durch den Bundesrat mit. Der Bundesrat habe 2021 die Verhandlungen mit der EU abgebrochen. Das damals angestrebte Rahmenabkommen sei nichts anderes als ein Unterwerfungsvertrag gewesen. Jetzt komme er mit dem gleichen Vertrag wieder um die Ecke. Die SVP wehre sich dagegen, dass die Schweiz automatisch EU-Recht übernehme und Volksrechte beschnitten würden. Auch sei man dagegen, dass die Schweiz jährlich hunderte Millionen Franken an die EU zahle als Gegenleistung für den Zugang zum EU-Binnenmarkt.

SP: Die SP stellte fest, dass gute Beziehungen zu Europa für die Bevölkerung, für Wirtschaft, Bildung und Forschung von zentraler Bedeutung sind. Auch nach den Ankündigungen des Bundesrats bleibe noch vieles unklar, weil erst Eckwerte des ausgehandelten Vertrages bekannt seien. Eine abschliessende Beurteilung könne erst erfolgen, wenn das innen- und aussenpolitische Gesamtpaket vorliege. Besorgt sei man über Aussagen des Bundesrates vom Freitag, wonach bisher noch keine Lösungen vorlägen, um den Lohnschutz und den Service public (Bahn, Strom) zu sichern.

GRÜNE: Für die Grünen öffnet das Abkommen «endlich den Weg aus der Sackgasse» und hält den Zerfall der bilateralen Beziehungen auf. Es sei ein Befreiungsschlag für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Schweiz. Das EU-Abkommen sei von grosser strategischer Bedeutung für die Schweiz. Es sei Garant für stabile und gute Beziehungen, von welchen sowohl die Schweiz als auch die EU profitierten. Die Grünen erwarten vom Bundesrat, dass er das Verhandlungsergebnis «selbstbewusst vertritt und die nötigen flankierenden Massnahmen, darunter jene zum Lohnschutz», erlässt. Sie fordern, dass der Bundesrat die einzelnen Verhandlungspakete zügig dem Parlament vorlegt.

DIE MITTE: Die neuen Verträge zwischen der Schweiz und der EU sind für die Mitte ein klarer Fortschritt im Vergleich zum Rahmenabkommen von 2018. Dem Bundesrat sei es gelungen, in wichtigen Bereichen Fortschritte zu erzielen. Ausdrücklich begrüsst wird, dass der Bundesrat die neuen Abkommen separat zur Diskussion stellt. Man werde wird nun prüfen, ob das Verhandlungsergebnis vor allem bei der Schutzklausel zur Zuwanderung, beim Lohnschutz und den institutionellen Fragen tragbare Lösungen vorsehe. Der Schutz des Lohnniveaus und der Sozialwerke wie auch die Grundsätze der schweizerischen Migrationspolitik seien für Die Mitte zentral.

FDP: Die FDP bewertet das Ergebnis der Verhandlungen über die neuen bilateralen Verträge besser als bei früheren Versuchen. Das Verhandlungsergebnis übertreffe die Resultate des letzten Anlaufs im Jahr 2021. Der Bundesrat habe dieses Mal mehr erreicht. Die Partei wolle die Verträge weder bejubeln noch verdammen. Sie sollten zuerst geprüft werden. Weiter kritisierte die FDP die Rolle der Gewerkschaften. Nach Ansicht der Partei sind diese nicht am Wohlstand der Bevölkerung interessiert, sondern einzig daran, auf deren Buckel ihre eigenen Kassen zu füllen.

GLP: Laut der GLP bekommt die Schweiz nun die Chance, den bilateralen Weg aus der Sackgasse zu führen. Das «massgeschneiderte Paket» mache die Schweiz zukunftstauglich und sichere den Wohlstand. Die Bilateralen seien der Schweizer Weg, sagte GLP-Fraktionschefin Corina Gredig (ZH). Abschotter, Pessimisten und Populisten würden die Partei nicht davon abhalten, den Schweizer Erfolgsweg mit den Bilateralen III in die Zukunft zu führen.

EU-PARLAMENTARIER: EU-Parlamentarier begrüssten den Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Es sei ein wichtiger Meilenstein für die Weiterentwicklung und Vertiefung der bereits engen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz. Das Europäische Parlament werde den Text der Abkommen analysieren und eine umfassende, ausgewogene und zukunftsorientierte Debatte führen, schrieben die deutschen CDU-Politiker David McAllister und Andreas Schwab sowie und der französische Abgeordnete Chrisophe Grudler, der dem zentristischen Mouvement démocrate angehört, in einer gemeinsamen Mitteilung. Die drei Abgeordneten spielen in den Beziehungen zur Schweiz im Europäischen Parlament eine führende Rolle.

OPERATION LIBERO: Für die Operation Libero braucht es die Bilateralen III dringend. Die Antwort auf Autokraten müsse für die Schweiz mehr Europa sein. Mit dem Abschluss der Verhandlungen mit der EU sei eine wichtige Hürde geschafft worden. Damit die Bilateralen III aber «nicht das gleiche Schicksal wie das Rahmenabkommen von 2021 erleiden», hat Operation Libero eine Plakatkampagne gestartet. Von einem der Plakate lächeln Putin, Trump und Xi, darüber prangt der Slogan: «Ja zu Europa und zu den Bilateralen 3. Weil die liberale Demokratie in Gefahr ist».

PRO SCHWEIZ: Die Bewegung Pro Schweiz wirft dem Bundesrat Verschleierung der Kernpunkte vor. Brüssel diktiere, Bundesbern kapituliere und das Schweizer Volk solle schweigen und zahlen. Das Verhalten des Bundesrates sei der Schweizer Demokratie nicht würdig, kritisiert Pro Schweiz. So bedeute die dynamische Rechtsübernahme automatische EU-Rechtsübernahme. Es gebe eine Überwachung, Entscheidbefugnis und Bestrafung durch den EU-Gerichtshof. Zudem müssten bereits ab 2025 für die nächsten zwölf Jahre total über drei Milliarden Franken Zwangszahlungen an die EU erfolgen.

KANTONSREGIERUNGEN: Die Kantonsregierungen begrüssen den Verhandlungsabschluss als Meilenstein. Jetzt lägen konkrete Verhandlungsergebnisse vor, die breit diskutiert und bewertet werden könnten. Parallel dazu müssten nun auch die innenpolitischen Weichen gestellt werden. Die Kantone wollten sich konstruktiv an diesem Prozess beteiligen. Ziel sei ein ausgewogenes Gesamtpaket, das auch die Bevölkerung zu überzeugen vermöge. Neben der Stabilisierung der bestehenden Marktzugangsabkommen enthalte das Paket auch neue Abkommen. So werde die Einigung im Bereich des Gesundheitsabkommens die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Krisensituationen verbessern und den Gesundheitsschutz der Bevölkerung stärken.

ARBEITNEHMERVERBÄNDE: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travailsuisse kritisieren das Abkommen mit der EU, weil damit ihrer Meinung nach der Lohnschutz abgebaut wird. Mit dem Abkommen werde es viel schwieriger werden, Schweizer Löhne durchzusetzen. Die Schweiz verpflichte sich zudem mit dem Abkommen, die EU-Spesenregel zu übernehmen. Die Arbeitnehmenden, die im Auftrag ihrer Arbeitgeber auswärts arbeiten müssen, «erhalten die Kosten für Übernachtung und Verpflegung nur noch nach den Regeln in ihrem Herkunftsland erstattet» und dies, obwohl diese Kosten in der Schweiz europaweit zu den höchsten gehörten. Das Abkommen habe auch negative Auswirkungen auf den Service public, die Stromversorgung und den internationalen Personenverkehr, schrieben die beiden Verbände.

WIRTSCHAFTSDACHVERBÄNDE: Für den Arbeitgeberverband markiert der Abschluss der Verhandlungen für die Bilateralen III einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Sicherung dieses bewährten Wegs. Beim Lohnschutz ermögliche es das erarbeitete dreistufige Absicherungskonzept der Schweiz, die spezifischen Schutzmechanismen auch künftig aufrechtzuerhalten, stellt der Arbeitgeberverband fest. Economiesuisse nimmt positiv zur Kenntnis, dass die Schweiz gemäss Angaben des Bundesrats ihre im Verhandlungsmandat festgesetzten Ziele erreicht habe. Für den Industrieverband Swissmem erscheint das Abkommen auf dem ersten Blick für die Schweiz vorteilhaft.

SCIENCEINDUSTRIES: Der Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences sieht im materiellen Abschluss der Verhandlungen mit der EU ein wichtiges Zeichen für die Schweiz. Damit könnten der barrierefreie Zugang für chemisch-pharmazeutische Unternehmen zum wichtigsten Exportmarkt ermöglicht, die Personenfreizügigkeit gesichert sowie die europäische Forschungszusammenarbeit erneut vertieft werden.

HANDELSKAMMER: Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee hat die Einigung der Schweiz und der EU auf neue bilateralen Verträge begrüsst. Klare und stabile Rahmenbedingungen seien unerlässlich, um den grenzüberschreitenden Handel und die enge Zusammenarbeit mit der Schweiz langfristig zu sichern.

VERBAND DER ELEKTRIZITÄTSUNTERNEHMEN: Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen begrüsst insbesondere das Stromabkommen. Je besser die Schweiz in den europäischen Strommarkt integriert sei, desto resilienter, sicherer und günstiger sei auch ihre Stromversorgung. Positiv sei, dass die Grundversorgung aufrechterhalten werden könne und die Branche hier Handlungsspielraum habe. Gut sei auch, dass Stromversorger und Verteilnetzbetreiber in öffentlicher Hand bleiben dürften, dass Flexibilität bezüglich der Reservekraftwerke vorgesehen sei und keine Vorschriften für die Vergabe von Wasserkraft-Konzessionen gemacht würden. Zudem werde auch eine Kooperation beim Wasserstoff angestrebt.

HOTELLERIESUISSE: Für Hotelleriesuisse sind «die Bilateralen sind unser Weg für die Zukunft». Das Abkommen stelle einen wichtigen Schritt zur Sicherung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dar und sei ein Meilenstein. Es biete der Schweizer Beherbergung und dem gesamten Tourismusstandort Schweiz eine stabile Grundlage für die Zukunft. Es stärke den Zugang zum EU-Binnenmarkt und sei essenziell für die Sicherung des Schweizer Wohlstandes. Die Bilateralen Verträge sollen nicht nur rasch ratifiziert, sondern auch nachhaltig umgesetzt werden.

HANDEL SCHWEIZ: Laut Handel Schweiz kann mit dem Verhandlungsergebnis «der Sonderweg der Schweiz in Europa gesichert werden». Die Schweiz habe gut verhandelt und viel herausgeholt. Dies zeige sich insbesondere beim Thema Zuwanderung und der Konkretisierung der Schutzklausel.

SWISSUNIVERSITIES: Die Schweizer Hochschulen sehen bedeutende Verhandlungserfolge für die Forschung und positive Signale für die Bildung. Die Hochschulen seien aktuell sehr stark mit den negativen Konsequenzen des Abbruchs der Verhandlungen im März 2021 mit der EU konfrontiert. Viele Hochschulen würden vor gewichtigen finanziellen und strukturellen Herausforderungen stehen, wenn bei den Studiengebühren nicht mehr zwischen Bildungsinländerinnen und -inländern und und Bildungsausländerinnen und -ausländern unterschieden werde.

AUSLANDSCHWEIZER: Die Auslandschweizer-Organisation sieht im Verhandlungsabschluss den Erhalt von gesicherten Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen. Die Personenfreizügigkeit sei zentral für europäische Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. 57 Prozent aller Auslandschweizer hätten Ende 2023 in einem EU- oder Efta-Staat gelebt. Dank des Freizügigkeitsabkommens könnten sie ihren Arbeits- und Wohnort grundsätzlich frei wählen und würden weitestgehend gleichbehandelt wie Angehörige von EU- und Efta-Staaten. (awp/mc/ps)

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