Global Powers of Retailing: Migros und Coop machen grossen Sprung im Ranking
Zürich – Im Pandemiejahr 2020 sind weltweit die Umsätze im Detailhandel um 5,2 Prozent gestiegen – bereits die zweite Steigerung in Serie. Dieses Wachstum zeigt sich bei den beiden grossen Schweizer Detailhändlern noch stärker als global, sie sind im Ranking des Beratungs- und Prüfungsunternehmens Deloitte nach einem schwachen Vorjahr wieder aufgestiegen: Migros um vier Plätze auf Rang 36, Coop um sieben Plätze auf Rang 39. Ebenfalls Plätze gutgemacht hat der Luxusmarkenkonzern Richemont (+3 Ränge auf 93). Dufry, die in Basel ansässige globale Spezialistin für Duty-free-Shops, litt unter dem stark gesunkenen Flugreiseverkehr und ist im Ranking nicht mehr vertreten.
Bei den meisten Unternehmen haben sich Umsatz und Marge positiv entwickelt und sie sind stärker aus der Krise hervorgegangen. Das solide Wachstum darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Hintergrund Stimmung und Kaufverhalten erheblich verändert haben. Einige der Effekte mögen temporär sein – andere Muster sind gekommen, um zu bleiben. Drei Trends haben den Wandel besonders geprägt: Nachhaltigkeit spielt eine immer grössere Rolle; das stärkste Wachstum verzeichneten langlebige Konsumgüter und die Konzentration schreitet voran, getrieben von Digitalisierung und Logistik.
Je grüner die Marke, desto loyaler die Kundschaft
Fast alle Detailhandelsgesellschaften in den Top 250 haben Kennzahlen für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) veröffentlicht. Das liegt nicht nur am Druck von Regulierungsbehörden oder Investorinnen und Investoren, sondern ganz stark am Verhalten ihrer Kundschaft. So kaufen gemäss der regelmässigen globalen Konsumentinnen- und Konsumentenbefragung State of the Consumer Tracker von Deloitte 55 Prozent der Befragten monatlich nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen und 32 Prozent sind bereit, dafür mehr zu bezahlen.
Vor allem für Millennials und Menschen aus der Generation Z ist Nachhaltigkeit eine bewusste Entscheidung. Und zwar nicht auf der Basis einzelner Produkte, sondern auf der Ebene von Unternehmen und Marken. Dazu Karine Szegedi, Partner und Consumer Industry Leader bei Deloitte Schweiz: «Kundinnen und Kunden wollen nicht jedes Produkt einzeln prüfen müssen. Deshalb brauchen sie Unternehmen, denen sie glauben können. Dabei gilt: Je grüner die Marke, desto loyaler die Kunden.»
Am wichtigsten ist Nachhaltigkeit laut State of the Consumer Tracker bei Lebensmitteln und Getränken mit 42 Prozent, gefolgt von Haushaltswaren mit 25 Prozent. Davon profitieren die Supermärkte von Migros und Coop. Szegedi räumt ein: «Beim täglichen Bedarf sehen wir den Trend zur Nachhaltigkeit am deutlichsten, aber er setzt sich in allen Kategorien durch.»
Mit langlebigen Gütern in der Krise gewachsen
Unter den verschiedenen Produktkategorien gibt es einen klaren Gewinner: langlebige Konsumgüter. Diese Kategorie hatte schon 2019 ein starkes Wachstum von 6,5 Prozent hingelegt. Im Pandemiejahr 2020 ist sie dann noch einmal doppelt so stark gewachsen – um ganze 14,5 Prozent. «Während Restaurants und Kinos geschlossen waren, standen Anschaffungen höher im Kurs: Velos, Fernseher und Küchengeräte – oder gar eine ganz neue Einbauküche», so beschreibt Karine Szegedi diese Entwicklung.
Heimwerker und Sportler treiben Umsätze an
In den globalen Top 10 steigt deshalb die amerikanische Heimwerkerkette Home Depot noch weiter auf (+2 auf 5). Weltweit profitieren auch Spezialisten mit Filialen in der Schweiz, etwa die Baumärkte Bauhaus (+14 auf 155) und Hornbach (+30 auf 183) sowie die Möbelhändler IKEA (+2 auf 24) und XXXLutz (+1 auf 187). Mit Nike (+18 auf 59), Adidas (+5 auf 118) und Lululemon (neu im Ranking auf 239) gehören drei Sportartikelbrands sogar zu den 50 Unternehmen, die weltweit am schnellsten wachsen.
Auch die beiden Grossen aus der Schweiz profitieren vom Trend – wegen Fachmärkten wie Interdiscount oder Fust aus der Coop-Gruppe oder Micasa und Do it + Garden der Migros. «Mit ihrem breiten Sortiment und dem vielfältigen Markenportfolio sind Migros und Coop gut diversifiziert und weitgehend krisenfest aufgestellt», weiss Karine Szegedi. «Wenn nach dem Ende der Pandemie vielleicht andere Produkte die Rangliste anführen, sind Migros und Coop gut aufgestellt, um wieder zu den Gewinnern zu gehören.»
Digitalisierung und Logistik treiben die Konzentration
Auch 2020 sich der Trend der Vorjahre: Die Grössten sind wieder am stärksten gewachsen. Der Anteil der zehn weltweit grössten Detailhandelsunternehmen am gesamten Umsatz aller untersuchten Unternehmen ist von 32,7 Prozent auf 34,6 Prozent gestiegen. Die Konzentration schreitet also voran. Treiber sind die Digitalisierung und eine immer ausgeklügeltere Logistik.
Zwischen Beratung, Einkauf und Lieferung sollen keine Brüche entstehen und die Kundschaft soll reibungslos zwischen den verschiedenen Kanälen wechseln können. Das Ziel dabei ist, alle Kanäle miteinander zu vernetzen. Online bestellen und dann selbst abholen oder die persönliche Beratung per Videocall sind hier zwei Beispiele dafür.
Auch die verstärkte Ausrichtung auf diese «Omnichannel-Strategie» erklärt den Erfolg von Migros und Coop. Dazu Karine Szegedi: «Vor allem die grossen Detailhändler haben gute Wachstumschancen. Ob online, in der Filiale oder hybrid: Sie haben die Kapitalkraft, um in allen Kanälen mitzuspielen. Dabei dürfen sie aber die Ziele nicht aus den Augen verlieren und müssen Zukäufe immer sorgfältig auf die Strategie abstimmen.»
Bei Digitalisierung und Logistik geht es nicht um einzelne grosse Gesten, wie etwa den Versuch von Amazon, Pakete mit Drohnen auszuliefern, sondern um die Summe kleiner Veränderungen. Wie etwa, wenn Amazon jetzt schon beim Bezahlen ganz regulär die Schweizer Mehrwertsteuer kassiert – und niemand mehr wegen einer Zollrechnung nachträglich zur Post muss. Ähnlich ist es auch bei der Gratisrücksendung von Paketen – Unternehmen, die diese nicht anbieten, scheiden früher oder später aus dem Markt aus.
Amazon (+0 auf 2) gehört wie Zalando (+27 auf 122) zu den beliebtesten ausländischen Detailhändlern in der Schweiz. Beide gehören im Ranking zu den schnell wachsenden Fastest 50. Dazu Karine Szegedi: «Einkaufstourismus ist auch in der Pandemie ein Thema geblieben. Wenn die Menschen nicht reisen konnten, dann reisten die Waren. Das wird sich auch nach dem Ende der Pandemie nicht wieder komplett umkehren.» (Deloitte/mc/pg)