Gotthard 2016: Bundesrat und Staatschefs eröffnen Gotthard-Basistunnel

Gotthard 2016: Bundesrat und Staatschefs eröffnen Gotthard-Basistunnel

(Foto: gottardo2016.ch)

Bern – Mit einem fünfstündigen Festakt ist am Mittwoch der Gotthard-Basistunnel offiziell eröffnet worden. Politiker aus dem In- und Ausland inklusive Merkel, Hollande und Renzi waren der Einladung gefolgt und feierten das «Jahrhundertbauwerk». Sie bekamen aber auch den Druck zu spüren, mit ihren Zubringern vorwärtszumachen.

Um 15.20 Uhr war es endlich soweit: Umrahmt vom Gesamtbundesrat schnitt Bundespräsident Schneider-Ammann symbolisch das Band durch und übergab damit den Gotthard-Basistunnel an die Betreiberin SBB. Mit einem «Merci für den Tunnel», bedankte sich SBB-Chef Andreas Meyer beim Bundesrat. «Danke fürs Betreiben», antwortete Schneider-Ammann.

Die Feierlichkeiten hatten bereits am frühen Morgen mit der Segnung des Tunnels begonnen. Im Licht von einigen wenigen Scheinwerfern beteten ein Pater, eine Pfarrerin, ein Imam und ein Rabbiner um den Segen für alle Reisenden und Arbeiter im Tunnel. Auch ein Atheist nahm an der Zeremonie teil. Diese fand aus Sicherheitsgründen nicht im Tunnel selbst, sondern beim Zugangsstollen Amsteg in einem sogenannten Mustertunnel zwei Kilometer tief im Berg drin statt.

Rede an beiden Portalen
Wenig später wandten sich Schneider-Ammann und Verkehrsministerin Doris Leuthard Auch zeitgleich auf beiden Seiten des Tunnels – in Rynächt UR und Pollegio TI – ein erstes Mal an die Gäste. «Wir vollenden ein Jahrhundertwerk – ein Werk, an dem von der ersten Skizze bis zur Planung und dem Bau des Tunnels mehrere Generationen mitgewirkt haben», sagte Schneider-Amman.

Das erfülle ihn mit Stolz, aber auch mit Demut. Dass ein solches Jahrhundertwerk gelinge, sei nicht selbstverständlich. Er dankte allen, die dazu beigetragen hatten. Auch der neun Arbeiter, die beim Tunnelbau ihr Leben verloren hatten, wurde gedacht.

Leuthard sagte, der neue Tunnel sei ein Symbol für Offenheit und Fortschritt. Sie kam aber auch auf die Verlagerungspolitik zu sprechen, die mit dem heutigen Tag neuen Schub erhalte. «Wir können noch mehr Güter von der Strasse auf die Schiene bringen.» Dies zum Wohl der Alpen, der Natur und der Bevölkerung. Diese Überzeugung habe sich auch in der europäischen Verkehrspolitik durchgesetzt.

Mit erster Fahrt eingeweiht
Zum Schluss seiner Rede gab Schneider-Amman den Startschuss für die erste offizielle Fahrt von zwei Personenzügen: «Bahn frei! Place aux trains! Via libra pils trens! Via libera ai treni!». Die 1’000 ersten Passagiere, die in der Verlosung ein Ticket ergattert hatten, wurden eine halbe Stunde später auf der anderen Seite mit Applaus von den Ehrengästen, dem Militärspiel und einem Feuerwerk empfangen.

Die Fahrgäste zeigten sich nach der Durchfahrt beeindruckt. Sie priesen unter anderem die Ingenieursleistung. Einige äusserten sich auch überrascht, wie kurz die Fahrt zwischen dem Tessin und der Deutschschweiz dauerte.

Spektakel auf beiden Tunnel-Seiten
Währenddessen wurde an den beiden Portalen ein Spektakel zum Mythos Gotthard und dem hochmodernen neuen Tunnel aufgeführt. Und ab diesem Zeitpunkt spielte sogar das Wetter mit: Rechtzeitig zum Eintreffen des ersten ausländischen Staatschefs zeigte sich auch in Rynächt die Sonne.

Nacheinander konnte Schneider-Amman den liechtensteinischen Regierungschef Adrian Hasler, den österreichische Bundeskanzler Christian Kern, den italienischen Premier Matteo Renzi, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten François Hollande begrüssen.

Zusammen mit dem Gesamtbundesrat und den anwesenden Parlamentariern und Gästen reisten die ausländischen Staatschefs dann ein erstes Mal durch den längsten Tunnel der Welt. Die Fahrt dauerte für die Staatsoberhäupter etwas länger als für die normalen Fahrgäste: rund 30 statt nur 20 Minuten.

Damit die Gäste auch etwas vom Tunnel sehen konnten, sei er nur 140 Stundenkilometer gefahren, sagte Lokführer Urs Kobler danach. Zudem war der Tunnel für die Staatsoberhäupter innen ausnahmsweise beleuchtet.

Merkel und Renzi unter Druck
In ihren Reden in Pollegio verneigten sich die politischen Spitzen Europas vor der Leistung der Schweiz und strichen die Bedeutung des Gotthard-Basistunnels für Europa heraus. Das Jahrhundertwerk sei weitaus mehr als ein Tunnel. «Heute ist in der Schweiz der europäische Traum Realität geworden», sagte Hollande.

Das Verbindende rückte auch Merkel in den Vordergrund. Dafür stehe der neue Tunnel symbolhaft. «Europa ist immer die Vielfalt, die uns vereint», sagte sie in ihrer Rede. «In Zeiten, in der andere Mauern bauen wollen, hat die Schweiz ein Zeichen gesetzt», sagte Renzi. Die Bezeichnung «Jahrhundertwerk» sei sicher angemessen.

Und auch der österreichische Bundeskanzler Christian Kern sprach von einem «grossen Tag für Europa». Die Schweiz habe symbolhaft gezeigt, «wie man unseren Kontinent wettbewerbsfähiger, erfolgreicher, lebenswerter machen kann.»

Die Regierungschefs aus Italien und Deutschland bekamen aber auch den Druck zu spüren, mit ihren Zubringerstrecken vorwärts zu machen. Verkehrsministerin Leuthard sagte, die Schweiz zähle nun darauf, dass die Ausbauten vorangetrieben werden.

Merkel und Renzi gaben sich denn auch selbstkritisch. «Der Gotthard ist wie das Herz, nun fehlt noch die Aorta», sagte Merkel und räumte ein, dass Deutschland verspätet sei. Und auch Renzi sagte, man setze sich dafür ein, dass die Reise bis nach Mailand weitergehe und damit ein «Mobilitätskorridor» geschaffen werde. (awp/mc/upd/ps)

Gottardo 2016

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