Gotthard-Unterbruch: Güterverkehrs-Akteure spannen zusammen
Güterzugskomposition von BSL Cargo.
Bern/Olten/Chiasso – Die Anbieter des Schienengüterverkehrs via Schweiz können einen grossen Teil der Transit-Nachfrage durch Umleitungen via Lötschberg/Simplon abdecken. Möglich macht es die enge, konstruktive Zusammenarbeit aller Akteure.
«Aus wenig mach mehr» – nach diesem Motto hat die Schweiz zusätzliche Kapazitäten für den Schienengüterverkehr freigeschaufelt, nachdem die Gotthardlinie wegen eines Felssturzes für mehrere Wochen gesperrt werden musste. Eine Anpassung des Fahrplans hat die Kapazität via Lötschberg/Simplon erhöht. Die verfügbaren Transportkapazitäten müssen optimal ausgenutzt werden. Kombi-Operateure und Bahnunternehmen poolen daher ihre Volumen und Ressourcen.
Maximale Auslastung der Züge angestrebt
Die Rola-Betreiberin RAlpin reduziert ihr bestehendes Angebot über die Lötschberg-Achse, damit mehr Züge für unbegleitete Sendungen fahren können. Diese Sendungen sind zwingend auf den Schienentransport angewiesen. BLS Cargo stellt im Auftrag der Infrastrukturbetreiber SBB/BLS allen Bahnunternehmen Schiebedienste auf den Bergstrecken zur Verfügung. An den Grenzen setzt SBB Cargo International zusätzliche Rangierteams ein. Hupac steuert das Verkehrsvolumen so, dass eine maximale Auslastung der Züge erreicht wird. Auf der Rola werden Gefahrguttransporte priorisiert, um die Zunahme von Gefahrgutsendungen im Strassentransit einzuschränken.
Die Zusammenarbeit mit den Bahnen im Ausland läuft intensiv. Alle Trassen via Lötschberg/Simplon müssen in Deutschland und Italien einen Anschluss finden, sonst bleiben sie ungenutzt. Einen Engpass bildet die internationale Schnittstelle der Bahnsysteme in Domodossola. Unter der Regie des italienischen Infrastrukturbetreibers RFI wurde ein Pool von Loks und Lokführern für die Rangierarbeiten zur Überwindung der kritischen Stelle gebildet. Auch die Zollbehörden haben ihre Tätigkeit der gesteigerten Nachfrage auf der Lötschberg/Simplon-Achse angepasst und sind rund um die Uhr im Einsatz.
Unterbruch am Gotthard verursacht enorm hohe Kosten
Der Unterbruch der Gotthardstrecke verursacht enorm hohe Kosten für alle Beteiligten der intermodalen Transportkette. Die Unternehmen der Bahnbranche rechnen mit Schäden in Millionenhöhe. Wesentlich höher sind jedoch die indirekten Kosten eines Vertrauensverlustes seitens der Kunden und einer möglichen Rückverlagerung auf die Strasse. Um so wichtiger ist die enge, konstruktive Zusammenarbeit aller Akteure auf dem gesamten Verkehrskorridor in den kommenden Wochen.
Bahnsystem braucht ausreichend Reserven und Redundanzen
Der Streckenunterbruch am Gotthard hat es gezeigt: Das Bahnsystem braucht ausreichend Reserven und Redundanzen, damit es im Notfall funktionsfähig bleibt. Der Güterverkehr muss zumindest in Teilen von einer Strecke auf eine andere ausweichen können. Ausreichende Reserven gewährleisten die Stabilität des Gesamtsystems. Insofern hat sich die Ausrichtung der NEAT auf zwei Achsen (Gotthard und Lötschberg) als richtig erwiesen. Der Ausbau und die Kapazitätserhöhung aller drei Transitachsen durch die Schweiz, namentlich der Lötschberg-, Luino- und Chiasso-Achse, ist ein Muss für die Verkehrsverlagerung.
Handlungsbedarf sehen die Operateure des Schienengüterverkehrs auch im Baustellenmanagement. Eine internationale Baustellenkoordination muss alle Alpenübergänge berücksichtigen mit dem Ziel, bei unvorhersehbaren Ereignissen ausreichend Transportkapazitäten aufrecht zu erhalten. Zeitgleiche Bauarbeiten an mehreren zentralen Transitachsen, wie z.B. diesen Sommer mit teilweisen Vollsperren der Simplon- und Brennerstrecken, sind ein untragbares Risiko, wie sich nun gezeigt hat. Für den Notfall muss die Verschiebungen der Bauarbeiten eine Option sein.
International koordiniertes Infrastrukturmanagement notwendig
Und schliesslich führt der Unterbruch der Gotthardstrecke die Notwendigkeit eines international koordinierten Infrastrukturmanagements vor Augen, insbesondere im sensiblen Alpenraum. So liessen sich die verschiedenen Anforderungen der nationalen Netze bestmöglich harmonisieren. Auch die Interoperabilität ist weiterhin ein Thema. Unterschiedliche Streckenprofile, Strom- und Zugsicherungssysteme erschweren ungemein die Substitution der Verkehre von einer Achse auf die andere.
Das Vertrauen der Kunden des Schienengüterverkehrs muss jeden Tag neu gewonnen werden. SBB Cargo International, BLS Cargo, Hupac und RAlpin danken allen Partnern der Transportkette für das Engagement zur Überwindung des gegenwärtigen Notfalls. Die Mitarbeiter der Infrastrukturbetreiber, der Bahnen, Terminals und Behörden leisten Unglaubliches, um den Verkehr zumindest eingeschränkt am Rollen zu halten. (Hupac/mc/ps)