Grenzöffnung als weiterer Schritt hin zur «neuen Normalität»
Bern – Nach drei Monaten eingeschränkter Reisefreiheit wegen der Coronavirus-Pandemie hat die Schweiz am Montag um Mitternacht die Landesgrenzen für EU- und Efta-Bürger wieder geöffnet. Es herrscht damit wieder die volle Personenfreizügigkeit.
Mit der Grenzöffnung sei ein wichtiges Grundrecht an die Bürger zurückgegeben worden: die Reisefreiheit. Allerdings bedeute das nicht, dass die Coronavirus-Pandemie ein «Ablaufdatum» bekommen habe, sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Interview mit Radio SRF. Mit dem Lockdown hatten die Grenzübertritte gemäss Keller-Sutter um 60 bis 70 Prozent abgenommen.
Freude im Dreiländereck
Grosse Freude über die wiedergewonnene Reisefreiheit herrschte unter anderem in Basel: Behördenvertreter aus der trinationalen Region Basel feierten am Morgen das Ende der dreimonatigen Grenzschliessung. Für die Basler Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann war dieser Anlass «ein starkes Zeichen gegenseitiger Wertschätzung».
Das Lebensgefühl des Dreiländerecks habe ihr in den vergangenen Monaten schmerzlich gefehlt, sagte Ackermann an der Feier auf der Dreiländerbrücke zwischen Weil am Rhein (D) und Huningue (F).
Nun gelte es, über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine weitere Grenzschliessung dieser Art zu verhindern, sagte die Basler Regierungspräsidentin weiter. Auch Behördenvertreter aus Deutschland und Frankreich freuten sich über die Wiedereröffnung der Grenzen. Während der Grenzschliessung sei die Region enger zusammengewachsen.
Einkaufen im Ausland wieder möglich
Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) stellte am Montag eine Zunahme des grenzüberschreitenden Verkehres in allen Regionen fest, wie die EZV auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. So habe der Verkehr an den stark frequentierten Grenzübergängen in den Ballungsräumen Basel, Chiasso, Genf und im Raum Schaffhausen/Zürich stark zugenommen.
Diese grosse Zunahme sei zum einen dem grossen Bedürfnis zuzuschreiben, im benachbarten Ausland wieder einzukaufen oder die teils seit Wochen in Paketzentren lagernde Ware abzuholen. Zudem hätten zahlreiche Reisende die Schweiz im Transit durchquert. An den wenig frequentierten Grenzübergängen und auf den Nebenachsen sei der Zuwachs indes nur unwesentlich gewesen.
Noch kein riesiger Ansturm
Ein Ansturm von Einkaufstouristen aus der Schweiz war im Warenhaus Rheincenter in Weil am Rhein D indes nicht auszumachen. Auch in Konstanz war dies nicht der Fall, in den Geschäften und Restaurants war aber mehr los als üblicherweise zum Wochenstart.
«Es ist ein Wochentag. Die Leute müssen arbeiten», sagte Peter Herrmann, Manager des Lago-Centers in Konstanz, der sich über die Rückkehr der Normalität freut. Er rechnet mit rund 25’000 bis 28’000 Besuchern. Im «Lago» machen die Einkäufe von Schweizerinnen und Schweizer laut Herrmann rund 30 bis 35 Prozent des Umsatzes aus.
Freizeitverkehr nimmt zu
Für eine Bilanz des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs sei es Momentan zu früh, hiess es auf Anfrage bei den SBB. Belastbare Zahlen würden erst Ende Juni vorliegen.
Die Züge seien gut ausgelastet, hiess es derweil bei der BLS. Die Bahngesellschaft geht davon aus, dass auch der Freizeitverkehr ausserhalb der Pendlerzeiten wieder anzieht, insbesondere an den Wochenenden. Da in Italien ein Maskenobligatorium gelte, würden alle Fahrgäste in BLS-Zügen zwischen Domodossola und Brig Masken tragen.
Auch am Autoverlad Simplon zwischen Brig und Iselle würden seit Sonntag wieder mehr Züge verkehren, die Nachfrage habe angezogen.
Im Tessin wurden die Postautolinie nach Luino und Porto Ceresio in Betrieb genommen. Die Frequenzen waren am ersten Tag noch schwach, wie es bei Postauto auf Anfrage hiess. Einige Linien seien aus saisonalen Gründen noch nicht in Betrieb genommen worden.
Maskenpflicht
Bei der Centovalli-Bahn, die Locarno mit Domodossola verbindet, war eine gesteigerte Nachfrage zu spüren, wie eine Sprecherin auf Anfrage sagte. Es seien vermehrt Reservationen für die kommende Zeit eingegangen. Ein Grund dafür sei, dass die Züge in Italien je nach Strecke nur zu 25 bis 50 Prozent ausgelastet sein dürfen.
Derweil in der Schweiz in den öffentlichen Verkehrsmitteln keine Maskenpflicht herrscht, muss in Fernverkehrszügen in Deutschland eine Maske aufgesetzt werden. Je nach Bundesland können abweichende Regelungen in Regionalzügen und S-Bahnen bestehen. Auch auf allen Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln in Frankreich, Italien und Österreich gilt eine Maskenpflicht. Sobald ein Zug über die Schweizer Grenze ins Ausland rollt, müssen Reisende eine Schutzmaske aufsetzen.
Die Öffnung der Schweizer Grenze für EU- und Efta-Bürger markiert für den Flughafen Zürich gemäss dessen Aussage den «Anfang der Rückkehr in die neue Normalität». Das Passagieraufkommen sei im Vergleich zu vor Corona noch immer auf tiefem Niveau. Der Flughafen zeige sich jedoch bereits wieder viel belebter, als während der Lockdown-Phase. Um aufzuatmen sei es allerdings noch zu früh.
Auch am Flughafen Genf begann der Neustart zaghaft. Rund 2500 Fluggäste passierten die Terminals. Normalerweise liegt die tägliche Zahl der Passagiere in dieser Saison zwischen 40’000 und 60’000. Die Abflugtafel zeigte 15 Flüge nach Paris, London, Frankfurt, Rom, Lissabon und München an. Die meisten Geschäfte des Flughafens waren weiterhin geschlossen. Wegen des geringen Andrangs lohnt es sich für sie nicht, zu öffnen.
Lockerungen seit Mitte Mai
Zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland waren die Einreisebeschränkungen bereits am 16. Mai gelockert worden. Die Grenzübergänge zwischen der Schweiz sowie Deutschland und Österreich waren seither geöffnet.
Es fanden lediglich risikobasierte, aber keine systematischen Grenzkontrollen mehr statt. Die Grenzen zu diesen zwei Ländern durfte aber nur passieren, wer in einer grenzüberschreitenden Beziehung lebt, Verwandte besuchen will oder im anderen Land eine Zweitwohnung hat. Italien hatte seine Grenzen unilateral bereits am 3. Juni geöffnet.
In einigen Länder bestehen Restriktionen wie Maskenpflicht oder eine 14-tägige Quarantäne. Das Bundesamt für Gesundheit rät deshalb Reisenden, sich vor einem Auslandaufenthalt über die Bestimmungen im Zielland zu informieren. (awp/mc/pg)