Bern – Die AHV-Rechenpanne des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) hat eine Welle der Entrüstung bei Parteien und Gewerkschaften ausgelöst. Linke Parteien und Gewerkschaften hinterfragen angesichts der geänderten Faktenlage das knappe Volksvotum von 2022 zur Erhöhung des Frauenrentenalters.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) warnte vor einem Schaden des Vertrauens in die Zuverlässigkeit der offiziellen Informationen zur Altersvorsorge. Die Vorlage zur Erhöhung des Frauenrentenalters sei nur mit 50,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden. Die verwendeten Prognosemodelle für die AHV-Finanzszenarien seien jedoch zu pessimistisch ausgefallen und nicht realistisch gewesen, erklärte der SGB.
Auch die Grünen, die SP und die SP Frauen äusserten ihren Unmut in ihren am Dienstag publizierten Communiqués. «Es ist befremdend, dass sich der Bundesrat für diesen Fehler nicht entschuldigt und nicht von sich aus vorschlägt, diese Abstimmung zu wiederholen», wurde die Co-Präsidentin der SP Frauen, Tamara Funiciello, in einer Mitteilung zitiert. Sowohl die SP Frauen als auch die Grünen prüfen eine Beschwerde sowie politische und juristische Möglichkeiten, um Parlament und Bundesrat in die Verantwortung zu nehmen.
Auch bei den Bürgerlichen herrschte Erstaunen. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi begrüsste die von Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider angekündigte Untersuchung, wie er auf Anfrage der Nachrichtenredaktion Keystone-SDA mitteilte. Nun müsse geklärt werden, wer die Verantwortung trage. Es sei problematisch, wenn vor wichtigen Abstimmungen falsche Zahlen kommuniziert würden. Eine Wiederholung der Abstimmung über das Frauenrentenalter lehnte Aeschi aber ab.
Scharfe Kritik an Baume-Schneider und Berset
Die FDP kritisierte die zuständige SP-Bundesrätin Baume-Schneider sowie den früheren SP-Bundesrat Alain Berset scharf. Das BSV habe unter deren Leitung ein Fiasko angerichtet. Die Partei verlangte eine Prüfung der Prognosen in anderen Bereichen der Sozialversicherungen wie der Invalidenversicherung und Ergänzungsleistungen.
Die vom Bund publizierten Abweichungen entsprächen fast einer 13. Monatsrente, schrieb der Gewerkschaftsbund. Er forderte, dass das mehr als bisher gedacht vorhandene Geld den Versicherten gutgeschrieben werden müsse. Die vom Volk beschlossene 13. AHV-Rente solle schon 2025 ausbezahlt werden.
Der Dachverband der Arbeitnehmenden in der Schweiz, Travailsuisse, forderte, die Finanzierung der 13. AHV-Rente und der Renten müsse an die neuen Prognosen angepasst werden. Heute sei klar geworden, dass der Bund mit einer Senkung des Bundesbeitrags aufgrund der angepassten Prognosen nicht nur budgetneutral unterwegs wäre, sondern im Gegenteil auf Kosten der AHV sparen würde.
Das BSV hatte am Dienstag die Finanzperspektiven für die AHV nach unten korrigiert. Die AHV-Ausgaben dürften 2033 rund 4 Milliarden Franken oder rund 6 Prozent tiefer ausfallen als bisher berechnet. Die finanzielle Lage der AHV dürfte sich demnach besser präsentieren als angenommen. (awp/mc/pg)